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Dass ein Produkt der 10.000-Euro-Klasse wie Clearaudios Phonovorverstärker tonal ausgewogen und einfach „richtig“ agiert, bedarf eigentlich keiner gesonderten Feststellung. Natürlich enttäuscht der Absolute Phono auch in dieser Disziplin nicht. Erwähnenswert erscheint mir aber, wie ausgesprochen „breitbandig“ er dabei zu Werke geht. Ohne offenkundige Bevorzugung eines bestimmten Frequenzbandes beginnt es tief im tonalen Keller mit einem kraftvollen, mehr saftig als dröge-trockenen Bass, an den sich vollkommen bruchlos der fein durchgezeichnete und detailreiche Mittenbereich anschließt. Herrlich offene und klare, aber nie überprononcierte Höhen runden das Ganze nach oben stimmig ab. Eine Klippe könnten gemeinhin als kritisch geltende Frauenstimmen sein. Exemplarisch wandert daher The journey so far, ein Best-of-Album der Kanadierin Loreena McKennitt, auf den Plattenteller.
McKennitts glockenhelle, wenn auch ansatzweise leicht anstrengende Stimmlage ist diesmal durchgängig genießbar. Erstaunlicherweise wirkt ihr hohes Organ aber nicht einfach nur gesoftet, was zu erwarten wäre, sondern als habe eine Bereinigung von unnatürlichen Artefakten und Verzerrungen stattgefunden. Ein interessanter Effekt. Nicht ausgeschlossen, dass sich hier die ausgezeichnete Störgeräuscharmut und der nahezu lineare Frequenzgang des Clearaudio Absolute Phono klanglich ausgesprochen positiv niederschlagen.
So manche der auf Neutralität gezüchteten Phonovorstufen tendieren, durchaus preisklassenunabhängig, zu klanglicher Askese und einer gewissen tonalen Kühle. In dieser Hinsicht darf man Clearaudios Absolute Phono Inside gerne als hervorragend geglückten Gegenentwurf begreifen, der sich, obschon der Pfad der Tugend zu keiner Zeit verlassen wird, ausgesprochen lebendiger und angenehm warmer Klangfarben zu bedienen weiß. Bildhaft ausgedrückt lässt er den Interpreten genügend Fleisch auf den Rippen, um glaubhaft zu erscheinen. Er liegt also, wenn überhaupt eine Tendenz diskutiert werden kann, mehr auf der vollmundigen als auf der ausgezehrten Seite. Zu opulent wird’s allerdings nie: So lassen sich bei Mozarts Bläserserenade in C-Dur, KV 388 (Complete Wind Music Vol. 2, Decca SXL 6051) auch während der Tuttipassagen sämtliche Instrumente der halbkreisförmig formierten London Wind Soloist ausgezeichnet voneinander differenzieren. Trotz des ähnlichen Tonumfangs der beteiligten Instrumente verschmiert oder überlagert sich hier nichts.
Der Clearaudio besitzt eingangsseitig XLR- und Cinch-Buchsen, ausgangsseitig geht es (nur) symmetrisch hinaus
Nicht ganz unerwartet ist es der übertragerlos aufgebaute, MC-fähige Conrad Johnson Premier 15, dessen Klangfarben-Reichtum an die Farbpalette des Clearaudio Absolute Phono erinnert. Obwohl der Premier 15 nicht zu der Fraktion von Röhrengeräten zählt, die sich ihren Charme mit einer eher wolkig als definiert auftretenden Spielweise erkaufen, hat er hierzulande nur in homöopathischen Dosen Verbreitung gefunden, wozu sicher auch das seinerzeitige Preisschild von 10.000 Mark beigetragen hat. Anders als der Phonoentzerrer aus den USA behält der Clearaudio aber selbst an den Enden des Frequenzganges noch seine hochpräzise und bestimmte Gangart bei, wenn Ersterer schon mal versucht, sich mit gewissen Verrundungstendenzen aus der Affäre zu ziehen. Weitere Unterschiede lassen sich, wenn auch nur aus der Erinnerung heraus, im Bereich Dynamik anführen. Da agiert der Absolute Phono wie ein waschechter Transistoramp und verweist den Kollegen aus dem Lager der Glaskolben auf die Plätze.
Aber ist das Dynamikverhalten des Clearaudio Absolute Phono Inside auch an heutigen Maßstäben gemessen für einen Spitzenplatz in der Topliga gut? So ansatzlos, wie Louis Armstrong in seine Trompete bläst, einem das Blech quasi in den Gehörgang schneidet, gibt es keinen Grund, daran zu zweifeln. Das Stück „Nardis“ auf Patricia Barbers Cafe Blue (Premonition Records, remixed by Doug Sax) endet mit einem veritablen Drumsolo und ist daher ein willkommener Prüfstein für den Erlanger Entzerrer.
Aber nicht allein grobdynamische Aspekte werden hier hinterfragt, auch wenn die natürlich im Vordergrund stehen. Schlagzeuger Mark Walker ist eben kein ruppiger Haudrauf, sondern weiß Tempo, Rhythmus und Lautstärke geschickt zu variieren. Auch sehr, sehr leise angeschlagene Becken und Toms versieht der Absolute Phono Inside mit dem nötigen Glanz und Volumen. Die feinsten Abstufungen lassen sich vor dem überdurchschnittlich ruhigen Hintergrund problemlos ausmachen. Dann wieder knallt es herzhaft und mit Nachdruck auf die Felle, wobei die Lautsprechermembranen ordentlich viel Luft bewegen müssen. Was dem Absolute Phono aber herzlich egal zu sein scheint, denn auch die groben Dynamiksprünge verarbeitet er mit souveräner Mühelosigkeit. Stets die Übersicht bewahrend, ruht er gelassen in seiner Mitte. Aber wenn das Vinyl es hergibt, kann er losschlagen wie weiland der große Muhammad Ali: gnadenlos und sauschnell.
Der Signalweg des Absolute Phono Inside ist durchgehend symmetrisch ausgelegt, was sinnvoll ist, da MC-Tonabnehmer vom Grundsatz her symmetrische Stromquellen darstellen. Echte Symmetrie bietet den Vorteil einer weitergehenden Unempfindlichkeit gegen Störeinflüsse, die sich prinzipbedingt vermehrt ausregeln, weil symmetrisch einwirkende Störimpulse die am Ausgang anliegende Spannungsdifferenz ja nicht verändern (siehe Symmetrischer Anschluss) und das reine Nutzsignal so erhalten bleibt. Ein weiterer Vorteil besteht in der Möglichkeit, selbst längere Kabelwege störungsarm bewältigen zu können. Eine Option, welche aber wahrscheinlich eher in Tonstudios eine Rolle spielen dürfte.
Konsequenterweise empfiehlt Robert Suchy dann auch, den Absolute Phono möglichst symmetrisch zu betreiben. Da zwei entsprechend unterschiedlich konfektionierte, ansonsten aber identische Phonokabel zur Hand sind, gehört ein Vergleich zwischen den beiden Anschlussarten natürlich zum Pflichtprogramm. Und tatsächlich ergeben sich Unterschiede, die jenseits reiner Geschmacksdiskussionen zu liegen scheinen. Unsymmetrisch verliert das Klangbild ein wenig von seiner stupenden Natürlichkeit. Alan Taylors griffige, sonore Stimme (In the groove, Stockfisch Records) erklingt nun um Nuancen nüchterner, weniger mitreißend. Auch der Raum, in dem der Sänger aufgenommen wurde, scheint um einen fingerbreit geschrumpft. Keine Welten, aber hörbar. Switcht man wieder in den symmetrischen Betrieb, ist dieser kleine Einschlag im Nu verschwunden. Man sollte den Rat Suchys also beherzigen. Symmetrisch ist hier wirklich zu empfehlen, will man alles hören, was der Entzerrer zu bieten hat.
Test: Clearaudio Absolut Phono Inside | Phono-Vorstufe