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Canton muss man keinem vorstellen. Das Unternehmen wurde 1972 gegründet, hat seinen Sitz im hessischen Weilrod (Taunus), an dem man auch fertigt, und gehört zu den renommiertesten deutschen Herstellern von guten, sehr guten und hervorragenden Lautsprechern. Auch die Globalisierung ist den Klangtüftlern aus der nordhessischen Provinz geglückt; sie exportieren in die ganze Welt und haben die Fertigung intelligent diversifiziert – beispielsweise mit einer eigenen zusätzlichen Fabrik in Tschechien. Das gestattet Skaleneffekte und ein variantenreiches Produktportfolio. Die noch recht junge Townus-Linie, deren Name die Verbundenheit mit der Region signalisiert, verheißt audiophile Weihen zu einem günstigen Kurs. Das ist immer eine Gratwanderung. Ich habe jetzt das Flaggschiff dieser Linie, die Canton Townus 100 (ab 3.398 Euro | https://www.canton.de/), im Hörraum und kann mir ein Bild davon machen, ob die Gratwanderung glückt – oder ob es zu Abstürzen kommt …
The Craftsmen

Für schöne Oberflächen und wertige Verarbeitung hat Canton ein Händchen – da macht die Townus 100, die wir in der Nussbaumvariante begrüßen durften, keine Ausnahme
Der amerikanische Soziologe Richard Sennett beschrieb in seinem Buch „The Craftsman“ von 2008 die „handwerkliche Einstellung“: Mit diesem Begriff meint er eine Haltung zur Arbeit, die von Sorgfalt, Hingabe und einem Streben nach höchstmöglicher Qualität geprägt ist. Bei Canton hat man diese handwerkliche Einstellung offenbar. Ich kenne jedenfalls kaum einen anderen Hersteller – und das bezieht ausdrücklich sehr renommierte Namen ein –, der so saubere Schreinerei-Arbeit, so akkurate Oberflächen und so hohe Verarbeitungsqualität liefert wie Canton.
Die große Townus macht da keine Ausnahme, obwohl sie den preisbewussten Musik-Liebhaber ansprechen soll. Am äußeren Erscheinungsbild und an der Verarbeitungsqualität wird diese Ansprache aber nirgendwo ersichtlich: Dieser Lautsprecher muss sich optisch vor keinem Schallwandler der High-End-Liga verstecken. Sicher, es stehen nur drei Oberflächen-Varianten zur Verfügung, Schwarz-Hochglanz, Weiß-Seidenmatt und Nussbaum, aber das ist das einzige sichtbare Zugeständnis an die betriebswirtschaftliche Effizienz.
Die mir zur Verfügung gestellten Canton Townus 100 sind in Nussbaum ausgeführt. In Kombination mit den matt glänzenden Oberflächen der drei großen Treiber mutet die visuelle Anmutung edel und gediegen an. Die Chassis sind perfekt eingepasst, das schöne Furnier ist perfekt aufgetragen und auch die massiven, vergoldeten Lautsprecher-Terminals (Bi-Wiring-fähig) sind von erfreulicher Qualität. Da erweckt nichts, gar nichts den Eindruck einer auf Effizienz gebürsteten Produktion. Hinzu kommen die eindrucksvollen Abmessungen; die große Townus ist 110 Zentimeter hoch, 27 Zentimeter breit und 37 Zentimeter tief – ein amtlicher Standlautsprecher also.
Drei Wege, vier Treiber
Die Canton Townus 100 ist ein Drei-Wege-Lautsprecher mit vier Treibern: Hochtöner, Mitteltöner und zwei Tieftöner. Die Empfindlichkeit ist mit 88,5 dB (2,83 V/1 m) deklariert, die Nominalimpedanz mit 4 Ohm (Minimum: 3,7 Ohm @ 500 Hz) – und der Frequenzbereich liegt laut Herstellerangaben zwischen 20 und 40.000 Hz. Damit dürften die meisten Transistor-Verstärker zurechtkommen. Das Zusammenspiel mit Röhrenverstärkern sollte man stets im Einzelfall prüfen.
Um weitere Details zu erfahren, habe ich mit dem Entwicklungsleiter von Canton, Frank Göbl, telefoniert. Der hat mir ausgesprochen freundlich und umfassend Auskunft zur großen Townus erteilt.

Die Canton Townus 100 ist als Dreiwegler konzipiert, die beiden Tieftöner erfahren von einem Downfiring-Bassreflexsystem zusätzliche Unterstützung
Mechanisches …
Demnach besteht das Gehäuse aus MDF (Mitteldichte Faserplatte) und ist so geformt, dass Kantenreflexionen – die wie interferierende Phantomschallquellen wirken – minimiert werden sollen. Im Inneren der Canton Townus 100 sorgen Kreuzversteifungen für Ruhe und Stabilität; nicht zuletzt sollen sie eine rigide Basskontrolle befördern. Auch vermeintliche Trivialitäten wie das Dämm-Material wirken entscheidend auf den Sound ein: Für die Dämmung des Mitteltöners kommt synthetische Wolle zum Tragen, für die Dämmung der beiden Tieftöner ein synthetisches Vlies.
Die goldene Mitte
Bei Canton legt man Wert auf einen möglichst breitbandigen Frequenzgang des Mitteltöners, da der die Hauptverantwortung bei der akustischen Lokalisierung trägt. Entsprechend ist der Mitteltöner ganz oben auf der Schallwand, also auf Ohrhöhe, montiert. Die besondere Wertschätzung für die Arbeit des Mitteltöners kommt auch im Design der Frequenzweiche zum Ausdruck, deren Hochpassfilter so abgestimmt sind, dass die Breitbandigkeit des Mitteltöners optimal ausgefahren wird und zudem die Pegellinearität profitiert. Dazu passen die von Frank Göbl mitgeteilten Daten zu den Übergangsfrequenzen: Die Übernahme zwischen Hochtöner und Mitteltöner erfolgt bei 3000 Hz, die zwischen Mitteltöner und Tieftöner bei 200 Hz.
Cantons Drang zur kontinuierlichen Optimierung hat selbstverständlich Auswirkungen auf die Treiber und die Frequenzweiche. Bei den Mittel- und Tieftönern kommen Aluminium-Verbundwerkstoffe zum Einsatz, die – so Frank Göbl – bei konstantem Gewicht nunmehr eine höhere Steifigkeit aufwiesen als frühere Canton-Membranen. Das gelte auch für den Hochtöner, bei dem die Hessen auf eine Aluminium-Kalotte mit per Elektrolyse keramisierter Oberfläche setzen. Gleiches Prinzip: Höhere Steifigkeit, konstantes Gewicht. Das soll zusätzliche Klarheit und Prägnanz in den Klang bringen.
Ein paar Worte zur Aufstellung
Bevor wir uns die Canton Townus 100 genau anhören, schon mal vorab: Sicherlich nicht zuletzt aufgrund genannter Konstruktionsmerkmale ist dieser stattliche Schallwandler eher unkritisch in der Aufstellung; er muss nicht stundenlang mit dem Sextanten auf den Hörer ausgerichtet werden; auch die Frage nach der Wandnähe ist nicht von höchster Priorität.

Das Bassreflexsystem ventiliert auf den dezenten Kunststoff-Sockel des Lautsprechers. Das ist pfiffig montiert, mit vier nach oben gewölbten Halbkugeln, die das Vagabundieren störender Resonanzen im Zaum halten sollen
Ich habe den Lautsprecher etwa einen Meter vor die Zimmerwand gestellt, aber auch ein wenig mit der Aufstellung experimentiert, den Abstand vergrößert, die Einwinkelung verändert usw. – signifikante Auswirkungen auf die Tonalität hatte das aber nicht. Wer diesen Lautsprecher indes eng zwischen Vitrine, Sideboard und Bücherregal einparkt, wird aufgrund des damit entstehenden Emissionsstaus vermutlich mit schwummrigem Tiefton „belohnt“.
Canton Townus 100: Hörtest & Vergleiche
„Vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt.“ Also erst einmal die jeweils gut 25 Kilogramm schweren Säulen in den Hörraum gewuchtet, platziert und mit der Elektronik verbunden: meiner M6-Elektronik von Musical Fidelity (Verstärker, DAC und CD-Player) sowie zwei Vintage-Geräten in Gestalt des Sansui AU 919 (1980) und des Sony CDP XA 7 ES (1994).
Um schon mal einen Sachverhalt vorwegzunehmen: Die Qualitäten der Canton Townus 100 sind nicht allesamt im ersten Hördurchgang erkennbar; man muss sich mit ihnen beschäftigen, denn sie halten Überraschungen bereit.
Feinkost – der Hochton

Typisch Canton: Die schwarze Linse vor der Kalotte der Canton Townus 100 erhöht die Effizienz des Hochtöners und bedämpft das Aufbrechen der Membran
Das beginnt beim Hochton. Der ist exzellent, von audiophiler Finesse. Angesichts eines wuchtigen Standlautsprechers dieser Preisklasse für mich überraschend. Die Detailtreue, Klangklarheit oder Präzision in den oberen Frequenzen erinnert mich an AMT-Hochtöner in dezidierten High-End-Wandlern. Isoliert betrachtet, ist die Performance der großen Townus bei der Reproduktion hoher Frequenzen schlicht überragend – und deutlich über ihrer Preisklasse zu verorten.
Freilich, das hört nicht, wer wuchtige Sinfonien oder lärmenden Rock hört. Da gehen diese Transparenz, Klarheit und Frische zuverlässig unter. Also braucht es Hochton-Passagen, die etwas länger sind als kurze Intros und konzentriertes Zuhören ermöglichen. Fündig wurde ich in Jean-Michel Jarres Équinoxe von 1978, der frühen Sinfonie für das digitale Zeitalter.
Mit dem Beginn von Part 3 wird klar, was dieser Lautsprecher im Hochtonbereich zu leisten vermag. Man muss diese Tonlage szenisch isolieren, dann werden die Regentropfen im synthetisch erzeugten Gewitter von Jarre mit beeindruckender Detailtreue und klarer Durchzeichnung wiedergegeben. Die Regentropfen im Gewittereffekt von Jarre muten bemerkenswert realistisch und definiert an, sie werden klar vom Raum getrennt und in ihrer dynamischen Abstufung sauber abgebildet.
Aber auch generell offenbart sich bei Jean-Michel Jarre die Hochtonqualität der Lautsprecher: Synthetische Klangeffekte und hochfrequente Elemente werden ohne Verfärbungen oder Überbetonungen wiedergegeben, wodurch sich nicht nur eine akkurate, sondern zudem angenehme Klangcharakteristik ergibt – die Canton Townus 100 schert nie ins Spitze oder Scharfe aus. Selbst bei komplexen Passagen bleibt die Wiedergabe hörbar frei von Verzerrungen und gerät vollständig durchhörbar.
Gentle on my mind – Stimmen und Mittelton
Schönes Testmaterial für die Stimmen- und Mitteltonwiedergabe der Canton Townus 100 ist Alison Krauss‘ Cover von „Gentle on my Mind“, enthalten auf ihrem Album Windy City aus dem Jahr 2017.
Das helle Timbre von Alison Krauss‘ Stimme sowie die dezente Instrumentierung schaffen eine unkomplizierte, natürliche klangliche Basis. Die Canton Townus 100 gibt dieses unaufgeregte Klangbild, das auf den mittleren Tonlagen ruht, mit hoher Präzision – das überrascht nach den obigen Ausführungen nicht – und tonal ausgewogener Frische wieder. Sowohl das feine Vibrato in Krauss‘ Stimme als auch die Details des Zupfens der Gitarrensaiten und der präzise abgegrenzte Pianoanschlag werden unverfälscht und authentisch reproduziert. Die Wiedergabe von Stimmen würde ich sogar zu den besonderen Stärken der Townus 100 zählen: Die hessischen Säulen verleihen Gesang ebenso Volumen wie eine angenehme Präsenz mit einem schönen seidigen Glanz.
Gestatten? Bond, James Bond.
Die Stärken in der Stimmenreproduktion lassen sich auch an Jaimee Pauls Album Bonded aus dem Jahr 2013 gut nachvollziehen. Die US-Amerikanerin hat sich mit dieser Produktion um das kulturelle Erbe des britischen Agentenfilms verdient gemacht, denn wie der Titel andeutet, geht es um die musikalischen Kassenschlager aus dem James-Bond-Universum. Wer sich ein wenig damit auskennt, weiß, dass die erst in den letzten Jahren klanglich eine nennenswerte Qualität angenommen haben. Alle Titel auf Bonded sind exzellent produziert, und die schöne, etwas dunkel timbrierte und elegant modulierte Stimme von Jaimee Paul verleiht ihnen neue Vitalität. – Ein Muss für Bond-Fans!
Die Canton Townus 100 performt bei der Wiedergabe dieses Materials außergewöhnlich gut, wie ich finde. Sie verleiht der Stimme von Paul Schmelz ein klares und körperhaftes Profil und vermeidet ein überzogenes Timbre oder künstliche Tönung. S-Laute und Konsonanten sind präzise, drängen sich jedoch nicht unangenehm in den Vordergrund. Gleichzeitig meistert die Canton eine Schwierigkeit, an der viele Schallwandler scheitern: Dunkel timbrierte Stimmen – wie die von Jaimee Paul – klingen an weniger achtsamen Schallwandlern schnell belegt oder gaumig. Die Canton indes bleibt schön transparent und offen in der Stimmenwiedergabe, mögen Stimmen auch bisweilen etwas voller klingen als an anderen Schallwandlern, ich komme noch drauf zurück.
Die Jazz-basierte Orchestrierung, die sich durch klare Linien und rhythmische Prägnanz auszeichnet, kommt den Stärken der Townus 100 entgegen. Die Lautsprecher schaffen es, die klangliche Balance zwischen Stimme, Instrumentierung und räumlicher Tiefe beizubehalten, ohne dass es zu Überlagerungen oder tonalen Irregularitäten kommt. Dies unterstreicht die Vielseitigkeit und die Qualität der Townus 100 in der Reproduktion kleiner bis mittelgroßer Ensembles.
Diese Eigenschaften positionieren die Canton Townus 100 klar in der Oberklasse und insofern über ihrer eigentlichen Preisklasse. Ich kenne etwa die ähnlich bepreiste JBL HDI 3600 ganz gut. Im direkten Preisklassenvergleich zieht der deutsche Lautsprecher klar und deutlich an der hübschen Amerikanerin vorbei: Letztere wirkt weniger luftig, offen und klar – sowie im Vergleich irgendwie etwas statischer und flacher. Unterm Strich setzt die HDI 3600 auf mehr Fülle, Grundton und Wärme, während die Townus 100 mehr Kontrast, Durchzeichnung und Kontur in die Waagschale wirft.
Grüß Gott, Körperschall! Der Tiefton

Die Canton Townus 100 kommt mit zwei 192-mm-Basstreibern und entsprechend Wumms untenrum – in gewissen Berliner Kreisen wäre bestimmt von einem Doppel-Wumms die Rede
Auch mit Blick auf die tiefen Register ist dieser Lautsprecher eine Bank. Belege? Martin Grubingers Album Drums ‚n‘ Chant von 2010 zum Beispiel. Diese bizarre Mixtur aus frühen Kirchengesängen und Perkussion führt tonal hinab in die ganz tiefen, ganz schwarzen Keller. Die Canton Townus 100 folgt. Recht ungerührt reproduziert sie die spontanen, bisweilen eruptiven Bass-Entladungen und die massiv aufeinandergestapelten Tiefton-Artefakte.
Martin Grubinger hat dieses Album mit seinem Vater produziert. Wie sein Sohn ist dieser ein begnadeter Perkussionist. Und gerade die von ihm eingespielten Partien auf diesem Album liefern einen fundamentalen und brachialen Bass: Grüß Gott, Körperschall! Den übermittelt die Canton souverän und lässig, fast beiläufig; sie exponiert einen voluminösen und mächtigen Tiefton. Dabei gerät sie weder ins Kippeln noch ins Dröhnen.
Die Tieftonwiedergabe der Canton Townus 100 beeindruckt durch ihre Fähigkeit, auch wirklich tiefe Frequenzen mühelos zu erreichen, ohne dabei an klanglicher Ruhe zu verlieren. Dies sorgt für ein harmonisches Klangbild, bei dem die tiefen Frequenzen nahtlos in das Gesamtgeschehen integriert werden.
Dabei ist der Lautsprecher im Bereich der tiefen Frequenzen eher etwas voll und rund als knackig und scharf abgestimmt – liefert dabei aber einen enormen grobdynamischen Hub, wie er auch großen Lautsprechern aus höheren Preisklassen gut zu Gesicht stünde. Das hat den angenehmen Nebeneffekt, dass man selbst bei kleinen Pegeln nicht die gebotenen musikalischen Impressionen vermisst. Andererseits lässt sich der Lautsprecher bis zu extrem hohen Pegeln treiben, ohne an Präzision oder Kontrolle einzubüßen; leise und laute Signale werden glaubhaft differenziert, so dass ein echtes Live-Gefühl entsteht.
Heavy Metal Thunder: Grobdynamik
Ein Griff in die Kiste mit dem Schwermetall untermauert das grobdynamische Talent der Canton: Die Kompilation Heavy Metal Thunder (2002) versammelt alle Saxon-Gassenhauer in Re-Recorded-Versionen. „Crusader“ beginnt mit harmlos erscheinendem Gitarren-Geklimper, bevor der Schwermetall-Donner losbricht. Nichts für Zartbesaitete. Aber exakt der richtige Stoff für die Klangsäule aus dem Taunus.
Brachiale Grobdynamik ist ihr Metier. Klar, das ist ein stattlicher Lautsprecher, gut bestückt. Da darf man Schmackes erwarten, aber die Canton ist tatsächlich besonders „lieferfähig“. Das Schwermetall wird mit kräftigen Unterarmen entgegengenommen; die Townus 100 verfügt über reichliche Dynamikreserven und bleibt selbst bei explosiven Lautstärkesprüngen souverän. Die große Townus musiziert impulsstark und kraftvoll, ohne bei höheren Pegeln Anzeichen von Leistungseinbußen oder Verzerrungen aufzuweisen.
Das macht Spaß! Also gleich noch einmal: Ronnie James Dios „Don’t talk to Strangers“ vom Album Holy Diver (1983) beginnt mit zart säuselndem Gesang; fast scheint es, als sei der Ex-Frontmann von Black Sabbath oder Rainbow ins Mädchenpensionat geflohen – aber auch hier setzt unvermittelt und mit disruptiver Energie das Klang-Gewitter ein.
Beide Beispiele beginnen säuselnd, klimpernd, eher im Reich des übersichtlich dimensionierten Hochtons; die anschließenden Schwermetall-Attacken, krachend, impulsiv und mächtig, skalieren physisch in ganz andere Größenordnungen. Die Canton Townus 100 misst diese Abstände klanglich tadellos ab und vermittelt einen sehr plastischen Eindruck davon, wie groß und heftig grobdynamische Sprünge sein können. Auch hier zeigen die Talente und Ambitionen klar in Richtung Oberklasse.
Für mich ein wenig überraschend lässt sie dabei sogar die Konkurrentin von der kalifornischen Lautsprecherschmiede JBL, die besagte HDI 3600, stehen. Obwohl die Amerikaner ein Faible für Bumms und Grobdynamik haben und ihre Lautsprecher oft entsprechend abstimmen, ist das grobdynamische Spektrum der Canton Townus 100 hörbar weitläufiger als das der JBL.
Genießerisch statt sachlich!
Freilich, bei höheren Lautstärken werden Tiefton und Grobdynamik der Canton Townus 100 weniger die Hörer beeindrucken, die auf strenge Neutralität achten, als jene, die genießerisch in ein voluminöses, warmes Klangbad abtauchen wollen. Und das, obwohl dieser Schallwandler etwa bei solistischen Partien oder bei kammermusikalischen Ensembles bravourös feinsinnig klingt. Verfärbungen kann man der Canton wahrlich nicht anlasten, auch wenn Stimmen durch die warme Tieftonabstimmung bisweilen etwas voller klingen als an anderen Schallwandlern. Aber das ist und bleibt Geschmackssache.
Einzig bei größeren Besetzungen und einem gesteigerten Tieftonanteil durch komplexere Instrumentierungen kann es für meinen Hörgeschmack zu einer leichten Überbetonung im unteren Frequenzbereich kommen, die die Mitten und Höhen einen Tick überlagert. Anders ausgedrückt: Die Detailtreue und Präzision der Townus 100 kommen in kleineren Besetzungen stärker zum Tragen.
Johann Sebastian Bach und vier Marimbas – Räumlichkeit
Wer zur Räumlichkeit auf hohem Niveau Klangvergleiche anstellen möchte, muss ein wenig suchen. Und die Canton bewegt sich auf hohem Niveau. Fündig geworden bin ich beim Wave-Quartett und den gemeinsam mit dem Orfeo-Barockorchester aufgenommenen Bach-Konzerten (2017). Klingt erst einmal nicht spektakulär. Aber es handelt sich um Transkriptionen für vier Marimbas! Und die brauchen Platz, viel Platz! Gute Voraussetzungen für einen Check der Räumlichkeit.

Der Mitteltöner wurde auch wegen der Räumlichkeit des Sounds ans obere Ende der Schwallwand der Canton Townus 100 positioniert
Die Canton Townus 100 überzeugt mit einer präzisen und konsistenten räumlichen Darstellung, die auch anspruchsvollen Aufnahmen gerecht wird. Die Positionierungen der Instrumentengruppen werden exakt abgebildet: Die Marimbas sind klar zentriert und von den orchestralen Begleitinstrumenten links und rechts eingerahmt. Die Bühne wirkt dabei stimmig und ausgewogen, wobei Tiefe und Breite des musikalischen Raumes realistisch und nachvollziehbar bleiben, es herrscht eine klare Staffelung zwischen Vorder- und Hintergrund. Auch bei größeren Hörabständen – und ich rede da von mehr als vier Metern im gleichseitigen Stereo-Dreieck! – bleibt das Klangbild stabil und gut aufgelöst, was den Lautsprecher recht flexibel macht.
Hier lohnt noch einmal der Vergleich mit JBL HDI 3600, denn die zieht eine nahezu exakt gleich große Bühne auf. Sicher, die füllt keine Sporthallen und erreicht dort auch keine Deckenhöhe, aber ganz offensichtlich sind wohnraumtypische Bühnenabbildungen üblich in dieser Preisklasse. Hüben wie drüben, im Taunus wie in Northridge, wird eine akkurate Bühne abgemessen – und zwar vertikal wie horizontal –, die mit der Tiefenstaffelung gut harmoniert. Sicher, Klangwandler, die doppelt so viel kosten, oder kleine Spezialisten wie meine Dynaudio Contour 20 lösen die Signale noch stärker vom Gehäuse ab, imaginieren mehr Raum und Tiefe, aber in dieser Standlautsprecherklasse geht es ganz offenkundig darum, den handelsüblichen Hörraum mit einem stimmigen Klangbild zu füllen – und da liefern beide Lautsprecher quasi im Gleichschritt ab.
Test: Canton Townus 100 | Standlautsprecher