Demnächst im Test:

Billboard
Qualiton

Im Hörraum mit dem Bryston B-135 SST2

Inhaltsverzeichnis

  1. 2 Im Hörraum mit dem Bryston B-135 SST2

Im Hörraum bekommt der Bryston B-135 SST2 ein hübsches Plätzchen auf der oberen der beiden Ebenen eines Audio-Lignum-Racks zugewiesen. Spielpartner des kanadischen Integrierten auf Schallwandlerseite sind Progressive Audios passive Extreme 1, welche sich, quasi im Nachgang zum Test der aktiven Extreme 2, eine Zeitlang in meinem Hörraum austoben durften. Auch preistechnisch gesehen eine Paarung, die praxisgerecht erscheint.

Bryston B-135 SST2 im Rack

Zwei Tage Einspielzeit sind dem B-135 natürlich vergönnt, dann muss er beweisen, was in ihm steckt oder besser: aus ihm herauskommt. Kollege Martin Mertens hatte seinen ausführlichen Test der Progressive Audio Extreme 1 ja mit voller Absicht zunächst mit nicht allzu basslastigem Musikmaterial eingeläutet. Nun, das läuft bei mir jetzt mal völlig anders. Die erste Runde im CD-Laufwerk Ensemble Dirondo bestreitet nämlich Sister Drum von Dadawa. Die D/A-Wandlung obliegt dabei zunächst noch dem Wandler des Bladelius Gondul M. Ein Druck aufs Play-Knöpfchen der Fernbedienung und dadawaschon walken Synthiebässe die Membranen der Extreme 1 ordentlich durch.

Etwas Sorge um die kompakten Tief-Mitteltöner der Progressive Audios beschleicht mich allerdings schon, angesichts der sichtbar heftigen Membranauslenkungen, die Dadawas Kultscheibe da veranstaltet. Unbegründet, hoffe ich, schließlich sind die Extreme 1 auf eine untere Grenzfrequenz nahe 35 Hertz abgestimmt und können ganz ordentlich Hub vertragen. Die kürzlich besprochenen Extreme 2 Aktiv verfügen über dasselbe Koaxsystem und haben die Basseskapaden der chinesischen Künstlerin und ihrer Mitstreiter klaglos überstanden. Das gibt mir den Mut, den Lautstärkepegel noch weiter zu steigern. Eigentlich müsste der Bryston jetzt mal ins Schwitzen kommen. Tut er aber nicht, sondern schickt stattdessen noch heftiger grollendes Bassgewitter quer durch den Hörraum.

Und das ist keinesfalls konturloses Gewabere, wie ich erfreut zur Kenntnis nehme. Die Bassattacken tönen mal richtig fett, mal etwas schlanker, eben gerade so, wie sie auf der CD vorhanden sind. Schwärze ist auch in einwandfreiem Maße da. Was mit Monitorlautsprechern wie den Extreme 1 in dieser Beziehung machbar ist, scheint der Bryston B-135 SST2 ausreizen zu wollen – überraschenderweise sind nur wenige Unterschiede zu dem auszumachen, was ich höre, wenn die nominell mit 2 x 250 Watt stärkere Endstufe Audionet AMP 1 das Heft in der Hand hält.

Bryston B-135 SST2 Lautsprecheranschlüsse

Wenn es ans kühle Analysieren geht, muss lediglich konstatiert werden, dass der Kanadier im direkten Vergleich zu der Bochumer Endstufe die Zügel in den unteren Lagen etwas lockerer führt und sich dadurch einen Hauch undefinierter gibt. Auch der Dervialet D-Premier kann bei großen Lautstärken mit dem festeren Bassfundament aufwarten. Doch abgesehen davon, dass es unten rum einen Tick weicher und runder zugehen mag als bei der teureren Konkurrenz, bewahrt der Bryston dennoch stets die Kontrolle auch über die ganz tiefen Töne. Angesichts der preislichen und leistungsmäßigen Differenz zu meinen beiden anderen Amps besteht daher ganz gewiss kein Grund zu jammern.

Erfreulich auch, dass der Bryston B-135 SST2 im so empfindlichen Mitteltonbereich eine wirklich großzügige Palette an Klangfarben bereithält. Die verleiht dem Kanadier einerseits etwas Angenehmes, entfernt sich andererseits aber nicht zu weit von der neutralen Eichmarke, denn im Gegensatz zu manchen gerne als besonders musikalisch charakterisierten Verstärkern, erliegt er nicht der Versuchung, seinen Klangfarbenreichtum mit besonders dickem Pinsel aufzutragen.

Bryston B-135 SST2 Front seitlich

So gelingt es ihm, das komplexe Spiel des Akkordeonisten Teodoro Anzellotti (Leos Janacek / Music Edition Winter&Winter) facettenreich und klangfarblich gut differenziert wiederzugeben. Mit gleichem Musikmaterial kann etwa ein Trigon Energy – in der Preisklasse um 3.000 Euro zuhause – einen feinen Grauschleier im Mittel-Hochtonbereich nicht ganz verleugnen. Auch hat der Trigon ein wenig mehr Mühe, die Einzeltöne der schnellen Melodieläufe auf dem Akkordeon präzise zu trennen und wirkt im Vergleich zum B-135 SST2 fast ein wenig „nuschelig“. Mit tadellosem Auflösungsvermögen im Mittenband unterbindet Teodoro Anzellottidagegen der Kanadier jeglichen Anflug rustikaler Schifferklavierromantik und wird dem tonalen Reichtum des Instrumentes dadurch zweifelsohne gerechter als der eher auf energischen Durchzug und Basspunch gebürstete Trigon.

In den hohen Lagen scheint sich der Bryston B-135 SST2 dann etwas zurückzunehmen. Ohne dabei wirklich bedeckt zu wirken, geht ihm die funkelnde Hochtonenergie des Dervialet D-Premier ein wenig ab. Die Hochtonkaskaden, welche Anzelotti mit seinem Akkordeon auftürmt, glitzern beim Franzosen wie die Meeresoberfläche in der Mittagssonne, wohingegen es mit dem Bryston schon Nachmittag zu sein scheint. Feine Hochtondetails unterschlägt der B-135 SST2 deshalb aber keineswegs, taucht sie gleichwohl in ein dezent milderes Licht, was kratzbürstigeren Aufnahmen und der Langzeithörtauglichkeit generell zugutekommt.

Bryston B-135 SST2 Innendetail

Die junge Österreicherin Soe Tolloy bewegt sich im Dreieck Rock, Pop, Folk und klingt ein wenig nach Sophie Zelmani. Allerdings befleißigt sie sich einer optimistischeren Grundhaltung als die nicht selten zur Melancholie neigende Schwedin. Auf ihrem zweiten Album Come on scheint dem Tonverantwortlichen unglücklicherweise die Idee gekommen zu sein, Tolloys Stimme mit künstlichem Hall etwas „aufzupeppen“. Natürlich mindert so eine „Badezimmerakustik“ das Hörvergnügen nicht unerheblich. Dank der Abstimmung des Bryston tritt der dröge Hall nun angenehmerweise stärker in den Hintergrund, während die StimmeSoe Tolloy an Fülle und Esprit gewinnt. Wetten, dass sie Soe Tolloy nicht nur wegen ihres guten Aussehens ins Herz schließen werden, wenn sie meinen Lieblingstitel, die Ballade „Don´t give up“ solcherart zu hören bekommen …?

Schützenhilfe, egal welcher Art, benötigen die Veröffentlichungen des Labels Dabringhaus und Grimm in aller Regel nicht, denn deren Produktionen stechen meist durch eine außergewöhnliche Aufnahmequalität hervor. Arnold Schönbergs Orchestral Works macht da keine Ausnahme. Die Tonmeister des Labels legen Wert auf eine akkurate Abbildung der Aufnahmeumgebung, in diesem Fall der Beethovenhalle in Bonn. Reproduziert der Bryston, staffelt sich das Beethoven Orchester Bonn über die gesamte Breite meines Hörraums, dafür stehen in der Tiefe weniger Sitzplätze für die Musiker zu Verfügung. Also ein großzügiges Breitenpanorama, mit nicht übermäßig ausgeprägter Tiefenstaffelung.

Bei alledem geraten Instrumente und Stimmen mit dem Bryston B-135 SST2 ausgesprochen dreidimensional und griffig. Plastischer als mit dem Trigon Energy materialisiert sich Soe Tolloy zwischen den beiden Progressive-Audio-Schallwandlern. Und auch Manuela Uhl, die Sopranistin der sechs Lieder Schönbergs, besteht jetzt nicht mehr nur aus ihrem Mund, sondern bekommt dank des Bryston den passenden Körper dazu spendiert. Selbst Audionets Amp1 samt passiver Vorstufe Music First Audio in der Copper-Version muss sich da schon strecken, um zumindest ein Patt auf diesem Gebiet zu bewerkstelligen, was wiederum einem ordentlichen Lob für den Integrierten gleichkommt.

Legen wir die Messlatte für den Bryston B135 SST2 im Hinblick auf seine dynamische Kompetenz noch etwas höher – und verabreichen ein paar Takte der Liszt’schen Klavierkonzerte, die von Robert Fine für das Kultlabel Mercury zwecks besonders lebensechter Dynamikentfaltung auf 35-mm-Filmband Pianist Byron Janis und das Moscow Philharmonic Orchestra unter Kyril Kondrashinaufgenommen wurden. Zudem legten sich der amerikanische Pianist Byron Janis und das Moscow Philharmonic Orchestra unter Kyril Kondrashin hier ganz besonders energisch ins Zeug, schließlich befand man sich 1962, als die Konzerte in Moskau vom Team des amerikanischen Labels mitgeschnitten wurden, mitten im Kalten Krieg. Vielleicht gingen die beteiligten Musiker an ihre künstlerischen Grenzen, um das jeweilige System besonders vorteilhaft erscheinen zu lassen. Vielleicht taten sie es aber auch, um gerade diese Systeme zu überwinden. Das Moskauer Publikum jedenfalls schenkte Byron Janis, nach anfänglicher Skepsis, einen langen und überaus herzlichen Beifall.

Auf CD konnte immerhin ein Großteil der unbändigen Spielfreude, die auf dem originalen Vinyl festgehalten wurde, konserviert werden und das beschert uns nun eine Tour de Force durch die beiden Lisztkonzerte, wie ich sie in meiner Sammlung kaum ein zweites Mal finde. Mittelprächtige Elektronik sortiert sich in der Regel schon mit den einleitenden Akkorden des ersten Konzerts aus. Zu zaghaft, zu wenig entschlossen tönt es dann. Der Bryston B-135 SST2 macht es besser, lässt die Wucht der ersten Töne spüren und knickt nicht ein, wenn das Orchester einsteigt. Oha, der kann ja richtig mit den Muskeln spielen!

Aber auch die leiseren Töne wollen liebevoll umsorgt sein. Wegen der enorm vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten bieten gerade Konzertflügel der verstärkenden Elektronik reichlich Gelegenheit, die Sache vor die Wand zu fahren. Doch auch diesem Fallstrick weiß der Kanadier zu entgehen. Selbst wenn Janis im Quasi Adagio des ersten Konzerts die Tasten mit den Fingern nur ganz sacht zu berühren scheint, vermeldet der Bryston nuanciert, mit wie viel Druck genau das gerade geschieht. So bleiben auch im bedächtigeren Teil die aufgezogenen Spannungsbögen vollkommen intakt. Haarspalterei? Gewiss, aber auch an solchen Kriterien muss sich ein Verstärker der 6.000-Euro-Liga messen lassen. Mit dem Bryston B-135 SST2 darf man diese Punkte getrost abhaken.

Die optionale Phonostufe
Nun wird es Zeit, die Zusatzoptionen, welche unser Testgerät intus hat, mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Als erstes muss die MM-Phonostufe den Beweis antreten, dass der knappe Tausender, den es für sie anzulegen gilt, gut investiert ist. Mir ist natürlich bewusst, dass es durchaus eine Fangemeinde für David Roths PearldiverMM-Systeme gibt, ich selber habe aber nie den Drang verspürt, meine MCs gegen Vertreter mit bewegten Magneten einzutauschen. Was also tun, um der mit SMD-Bauteilen bestückten, diskret aufgebauten Platine auf den Zahn zu fühlen? An meinem Tonarm vom Spezialisten Analog-Tools ist seit einigen Monaten ein modifiziertes Denon DL-103R montiert. Eine Paarung, die ihren Job so gut macht, dass sich selbst Tonabnehmer für einige Tausend Euro in Geduld üben müssen, ob und wann das Denon endlich den Platz unter der Headshell räumt. Da ist es naheliegend, die vertraute Kombination, mit einem Übertrager versehen, mal an den Phonoeingang des Bryston anzuschließen.

Den Übertrager steuert der englische Hersteller Music First Audio bei. Über die gut beleumundeten Trafos von Stevens & Billington, die im Classic MC-Step Up Verwendung finden, lassen vertraute Scheiben wie David Roths Pearldiver oder Satchmo plays King Oliver von Louis Armstrong das Bouquet feiner Klangfarben, Satchmo plays King Oliver von Louis Armstrong welches mir sonst die The Turntables Choice von Einstein liefert, nicht missen. Im Vergleich zur TTC und zur phantastischen, allerdings nochmals teureren Clearaudio Absolut Phono Inside sind Einbußen in dynamischen Belangen und bei der Raumabbildung zu verzeichnen. Natürlich ist es ein wenig unfair, wenn sich ein MM-Phonoeinschub mit MC-Vorstufen der Top-Klasse messen lassen muss. Und so fällt letzten Endes eine Empfehlung für die 996 Euro teure Phonoplatine nicht wirklich schwer. Allein schon, weil sie sich den nervigen „Grauschleier“ verkneift, mit dem Phonostufen bis in mittlere Preisregionen nicht selten das Klanggeschehen überziehen.

Wer sicher ist, nur MM-Systeme oder Moving Irons „fahren“ zu wollen, kann hier also beherzt zugreifen. Anderweitig würde man zu ähnlichem Kurs wahrscheinlich nur mit Mühe eine Lösung finden, die in Sachen Klangfarbenreinheit mitzuhalten vermag. Dem MC-Liebhaber stellt sich die Frage eigentlich nicht, da gute MC-Übertrager in aller Regel ihren Preis haben (Music First Audio um 2.500 Euro) und vergleichbar teure, externe Phonolösungen die vermutlich überlegene Performance bieten dürften. Ob man sich bei Bryston insgeheim schon überlegt, die Phonoplatine mit eigenen Übertragern auszustatten und damit MC-Tauglichkeit herzustellen? Das wäre mal eine spannende Frage.

Der optionale DAC
Nun wird das Ensemble CD-Laufwerk Dirondo via 75-Ohm-Digitalkabel von Steinmusic mit einem der beiden SPDIF-Eingangsbuchsen verbunden. Dadawas „Sister Drum“ lässt aufhorchen. Schnell wird klar, dass sich die Bryston’sche DAC-Platine, welche Asahi Kaseis 32-Bit-Hochleistungschip AKM 4490 beinhaltet, in puncto „Bass“ vor dem eingebauten Wandler meines Bladelius Gondul M einzugruppieren gedenkt: Sowohl mit Blick aufs absolute Tieftonvermögen als auch in Sachen Präzision und Schwärze übertrifft sie den Schweden-Wandler.

Ähnliches gilt, wenn Stimmliches angesagt ist. Noch etwas körperhafter gelangen Soe Tolloy und Manuela Uhl zur Darstellung. Ein Quäntchen mehr Geschmeidigkeit im Gesang der beiden lässt abermals das Pendel in Richtung Bryston-DAC ausschlagen. Klangfarblich herrscht Gleichstand, was mich aufgrund des vom Bladelius bereits bekannten hohen Niveaus nicht erstaunt. Beide Wandler liefern überdies eine dynamisch vollkommen glaubhafte Performance ab.

Bryston B-135 SST2

Bei der Raumwiedergabe scheinen sie dagegen unterschiedlichen Präferenzen zu folgen. Etwas kompakter zeichnend, sorgt der Wandler des Bryston dennoch für eine nochmals gesteigerte Plastizität. Mit dem Bladelius sind die Räume etwas großzügiger und luftiger bemessen, doch werden die darin befindlichen Akteure weniger randscharf definiert.

Ja, die klanglichen Leistungen der DAC-Platine können ohne Frage überzeugen. Im Besonderen trifft dies auf die geradezu organisch anmutende Stimmwiedergabe und das Handling tiefer Frequenzen zu. Für den Rest des Testzeitraums jedenfalls verbleibt das Ensemblelaufwerk am S/PDIF-Eingang des Bryston B135 SST2. Schade nur, dass USB-Konnektivität und die Fähigkeit, Dateien jenseits der 96-kHz-Grenze wiederzugeben, durch Abwesenheit glänzen.

Bryston B-135 SST2

Billboard
Nordost

Test: Bryston B-135 SST2 | Vollverstärker

  1. 2 Im Hörraum mit dem Bryston B-135 SST2