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Beyerdynamic Amiron: Klangeindruck

Inhaltsverzeichnis

  1. 2 Beyerdynamic Amiron: Klangeindruck

Die einen schätzen die Heilbronner Klangwerkzeuge für ihren mikroskopischen Detaillierungsgrad, zuverlässige Bestwerte in Sachen Dynamik, Abbildungsschärfe und Impulstreue sowie ihre charakteristische klangliche Reinheit über ein breites Frequenzspektrum, während andere Hörer, vor allem solche aus der am harmonischen Gesamtklang orientieren „Groove“-Fraktion, bei jedem neuen Beyerdynamic immer wieder Abzüge in der B-Note geltend machen, da sie Wärme und Substanz im Klangbild vermissen. Und ja, das muss ich zugeben, zu dieser Einschätzung neigte ich bislang auch.

Beyerdynamic Amiron home

Bis jetzt. Bis zum Amiron. Denn was sich bei der jeweils zweiten Generation des offenen Heimflaggschiffs T 1 und seines geschlossenen, mobilen Halbbruders T 5 p bereits andeutete, nämlich eine Tendenz hin zu einem eher, nun ja: „analogen“ Klang mit mehr Wärme, Fluss, Fülle und Organik, wird vom Beyerdynamic Amiron konsequent auf die (vorläufige) Spitze getrieben. Was der Amiron anders macht als beispielsweise sein direkter Vorgänger T 90? Nun, vieles. Das meiste, eigentlich. Der Bass ist anders. Die Mitten sind anders. Der Hochton: anders. Räumlichkeit? Auch anders. Der Rest? Eigentlich auch. Aber der Reihe nach.

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Fangen wir der Einfachheit halber mit dem an, was als fester Klangbestandteil der Tesla-DNA den kompletten Beyerdynamic-Stammbaum eint und auch vom Amiron fortgeführt wird: Er ist schnell. Trommelattacken starten aus dem Nichts, Synthie-Bässe enden unvermittelt ebendort. Start- und Abbremsvorgänge gelingen dem Amiron ansatz- und anstrengungslos. Derlei sklavisch impulstreue Zackigkeit findet sich, von günstigen Magnetostaten einmal abgesehen, erst wieder bei dem deutlich teureren T 1 oder einem AKG K812. Der Amiron ist dementsprechend auch dynamisch. Feinste Lautstärkeabstufungen, etwa beim Anschlag von Klavier- oder Anzupfen von Gitarrensaiten, gibt er höchst differenziert wieder und zählt damit feinmotorisch zu den klassenbesten Hörern. Und: Der Amiron ist transparent. Vor allem Stimmen und natürliche Instrumente werden in glockenreiner Klarheit präsentiert, ohne jemals vom Oberbass zugesuppt oder von konkurrierenden Schallquellen im Mittelton übertüncht zu werden. Soweit, so Tesla.

Reizvoll machen den Amiron allerdings ganz andere Dinge. Dinge, die er gänzlich anders löst als seine Heilbronner Vorfahren und Geschwister. Als erstes zu nennen wäre die tonale Gesamtabstimmung. Der Amiron ist tatsächlich der erste Beyerdynamic, den ich ad hoc als „warm“ und „samtig“ einstufen würde. Und das ist bei einem Hörer, der gleichzeitig über die oben beschriebene klangliche Akkuratesse verfügt, schon mal per se ein Kompliment. Erreicht wird diese Wärme interessanterweise nicht wie bei den meisten durch eine Pegelanhebung im Grundtonbereich, sondern durch eine minimale Verschiebung des kompletten Frequenzbereichs nach links. Der Amiron wagt sich tiefer in den Basskeller als die allermeisten Beyerdynamicer und pegelt im Obergeschoss das Klanglicht just dort ganz sacht herunter, wo es im Gesamtbild noch ausreichend „strahlend“, jedoch niemals „gleißend“ wirkt.

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Dass es dem Amiron gleichzeitig gelingt, zu keiner Zeit muffig oder eingedunkelt zu klingen, liegt zum einen an der Tesla-typisch überdurchschnittlichen Auflösung, die dafür sorgt, dass selbst bei beyeruntypisch anhebungsfreiem Hochtonpegel bis in die Obertöne hinein noch ausreichend instrumentale Information und damit musikalische Spannung und klangliche Farbigkeit vermittelt wird. Zum anderen liegt es an der durchaus cleveren Entscheidung der Beyerdynamic-Ingenieure, die Pegelschwerpunkte im Frequenzband nonchalant auf den Subbass- sowie den (oberen) Mittenbereich zu legen. Die Ausdehnung des Bassbereichs nach unten hat allerdings zur Folge, dass es den Amiron in dieser Region eher auf die „gemütliche“ Seite verschlägt: Kickbässe beispielsweise kommen nicht mit maximalem Punch und allerletzter Präzision, dafür aber stets angenehm saftig und bei großem Orchester durchaus auch mal fundamental.

Igor StravinskyInsbesondere klassisches Voll-Stoff-Orchester wie Gergievs Aufführung von Igor Stravinskys Rite Of Spring (auf Amazon anhören) machen mit dem Beyerdynamic Amiron einfach nur Spaß. Wenn beim Part „Dances Of The Young Girls“, der an HiFi-Systeme naturgemäß höchste Ansprüche stellt, die Streichersalven in Höchstfrequenz aus dem Orchestergraben fiedeln und gleichzeitig die Kontrabässe ihren Tiefton wabernd im Raum zu verteilen haben, ächzt so mancher Kopfhörer unter der Verschiedenartigkeit der simultan zu meisternden klanglichen Anforderungen. Nicht so der Amiron: Der nach unten erweiterte Bass verleiht dem Orchester die notwendige sakrale Substanz, während das Tesla-reine Mittenband ungestört von suppenden Oberbässen oder allzu funkelnden Höhen vorbildlich akkurat die einzelnen Streicherimpulse präsentiert. Sein spezifischer tonaler Charakter – leichte Linksverschiebung des Frequenzverlaufs mit dezenter Anhebung der oberen Mitten – dürfte den Amiron daher zu einem interessanten Kandidaten für Klassikhörer machen. Da die Möglichkeit, einen Bass hinreichend zu kontrollieren, jedoch naturgemäß mit dessen Tiefe abnimmt, ist der Amiron hingegen für Fans elektronischer Tiefbass-Attacken oder Black-Metal-typischer Bassdrum-Infernos, die auch im Frequenzkeller noch auf maximale Sportlichkeit bestehen, freilich nicht die allererste Wahl.

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Die oberen Bässe bis unteren Mitten sind beim Amiron – im Relation zum Tiefstbass und den oberen Mitten – minimal zurückgenommen. Und das bedeutet: viel Freiraum für das „Zentrum der Musik“, nämlich die mittleren und oberen Mitten. Und was der Amiron aus diesem Freiraum macht, hätte ich Beyerdynamic, ganz ehrlich, nicht zugetraut.

Der Amiron „kann“ Klangfarben. Machten bisherige Beyerdynamic-Kopfhörer primär durch ein hochaufgelöstes Klangbild mit neutraler bis hellerer Diktion von sich reden, so überzeugt der Amiron durch Farbigkeit, Zartheit und, nun ja „Eleganz“ des Tones selbst. Wo seine Vorfahren T 1, DT 90 oder T 5 p ihren Hörern Dinge wie „hier: nasales Hüsteln in Reihe acht, links“ oder „ha! Da kam bei Miss Krall aber grad ein bisschen Spucke mit“ mitkommunizierten und so dafür sorgten, dass Glitzer-Allergiker und Verfechter musikalischer Ganzheitlichkeit die Lautstärke dimmten oder den Hörer mit dem Fazit „too much information“ zur Joni MitchellSeite legten, glänzt Beyerdynamics Amiron im Detail durch wohltuende Bescheidenheit. Keine Sorge, die Auflösungsfähigkeit bleibt dem Preis mehr als angemessen, nur: Das Silbertablett darunter gehört halt diesmal nicht zum Lieferumfang. Die Folge: Der Amiron bringt Geigen, Oboen und Klaviere, befreit von überschüssigem Hochton-Klimbim, derart zum „Singen“, dass es für einen mittenverliebten Harbeth-Fan wie mich eine wahre Freude ist. „Gute Auflösung“ übersetzt der Amiron daher auch nicht mit „maximale Anzahl an Hochtondetails“, sondern mit „maximale Intimität einer weiblichen Gesangsstimme“. Bei Joni Mitchells Ballade „You’ve Changed“ vom Klassiker Both Sides Now (auf Amazon anhören) etwa legt der Amiron in den Mitten just jene Detailverliebtheit an den Tag, die andere Beyers eher im mittleren Hochton investieren und verleiht Mitchells Stimme dadurch ein frisches und farbiges Timbre, das selbst so manchem Magnetostaten gut zu Membran stehen würde.

Allerdings, das sei auch nicht verschwiegen, sehen Verliebte manche Dinge eben etwas weniger klar umrissen als kühlköpfige Realisten. Entsprechend wirken Stimmführung und Abbildung einzelner Schallquellen über den Amiron stets etwas weniger randscharf als etwa beim großen, offenen Bruder T 1. Einen akustischen „Weichspüler“ würde Beyerdynamic zwar nie vom Band lassen, allerdings klingen gerade Stimmen über den Amiron doch hörbar weicher gezeichnet als über alle bisherigen Tesla-Modelle des Hauses, die ich kenne.

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Nichtsdestotrotz gehört der Amiron in Sachen Raum immer noch zu den akkurat abbildenden Hörern. Seine weder übermäßig weite noch tiefe Bühne bildet Stimmen und Instrumente vergleichsweise klein ab, schafft es auf diese Art allerdings prima, jeder Schallquelle ausreichend Platz zum Atmen zu lassen, sodass es trotz herabgesetzter Konturenschärfe im Vergleich zu anderen Modellen des Hauses niemals zu einem Ineinanderlaufen verschiedener Schallquellen kommt und jede Einzelstimme anstrengungslos verfolgt werden kann. Insbesondere Jazz-Ensembles in kleiner Besetzung wie Fred Herschs musikalische Wiederauferstehung Alive at the Vanguard (auf Amazon anhören) gelingen dem Amiron daher ausgesprochen (Phrasenschwein dankt!) livehaftig. Über den Amiron klingt die Performance der drei Musiker luftig, ohne körperlos zu wirken, zart, ohne diffus Fred Herschoder gläsern zu werden und im Ganzen von einer Wärme getragen, die dank der Tesla-typischen feindynamischen Präzision und des dennoch informativen Hochtons niemals ins Verkuschelte, Stumpfe oder schlicht Langweilige abdriftet. Die luftige Bühne sorgt angenehmerweise auch dafür, dass die Stereomitte weniger deutlich „im Kopf“ verortet wird als mit vielen anderen Hörern.

Vergleich des Amiron mit Shure- und AKG-Kopfhörern

Alles in allem könnte der Amiron damit letztlich für ein nicht unbeträchtliches Anwachsen der Beyer-Fangemeinde sorgen. Alternativlos oder gar als Blindkaufkandidat im offen-dynamischen Mittelpreissegment zwischen 250 und 700 Euro steht er aufgrund seines Klangcharakters jedoch nicht da.

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Mit im Ring stünde hier beispielsweile Shures offenes Spitzenmodell SHR1840 (circa 550 Euro). Ein Hörer, der Verfechtern gesamttonaler Schlüssigkeit mit seinem ebenmäßigen Frequenzverlauf stärker zusagen dürfte. Gegen den perfekt angebundenen Bass des Shure kann der zwar tiefer reichende, aber eben nicht linealgerade Tieftonbereich des Amiron im direkten Vergleich – wenngleich wuchtiger – etwas weniger stimmig und effektfrei anmuten. Dafür blühen Raum und Klangfarben förmlich auf, wenn man vom Shure auf den Amiron zurückwechselt. Gegen die natürliche Farbigkeit des Amiron wirken akustische Instrumente über den Shure vergleichsweise dünn und fahl, die Abbildung erscheint zwar einen Tick präziser umrissen, gerät aber insgesamt deutlich kompakter und wirkt im direkten Vergleich sogar etwas beengt. Da sich beide Hörer in Sachen Auflösung, Dynamik und Impulstreue kaum etwas nehmen, dürfte vor dem Kauf erst ein Direktvergleich beider Hörer zu einer klaren Entscheidung (und zwar einer nach Geschmack, nicht nach Qualität) führen.

Etwas deutlicher setzt sich der Amiron meinem Empfinden nach vom AKG K712 (UVP um 530 Euro) ab. Der Wiener Lauscher fällt zwar ebenfalls unter die Mischkategorie „akribischer Genießer“, opfert seinem weitläufigen, langzeittauglichen und ebenfalls hochmusikalischen Gesamtklang allerdings mehr an Feindynamik, Transparenz und Hochtoninformation als der Amiron. Der K712 dürfte somit für Anhänger eines im doppelten Sinne runden Klangs (will heißen: tonal schlüssig und bassstark) den Vorzug vorm Amiron erhalten. Wirklich alles besser als der Amiron macht dann erst wieder AKGs offenes Spitzenmodell K812 (UVP bei knapp 1.600 Euro), das allerdings trotz seines aktuellen Kampfpreises immer noch deutlich über dem Amiron liegt und damit fairerweise aus dem Konkurrenzrahmen fällt.

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Vor einem etwaigen Probehören des Amiron gäbe es da aber noch „one more thing“, das interessierte Audiophile unbedingt in Betracht ziehen müssten. Der Beyerdynamic hegt nämlich nicht nur eine Vorliebe für große Oper, er zeigt sich auch in der Wahl seiner Mitspieler als „Diva“. Ich kenne tatsächlich keinen anderen Hörer, der dermaßen verschnupft auf ein nicht standesgemäßes Umfeld reagiert hätte. Der Amiron am Mac? Dosig, farblos, träge. Der Amiron am ähnlich bepreisten externen DAC/Verstärker Chord Mojo mit dem Mac als Quelle: leidlich befreit, klangfarblich nett, überdurchschnittlich dynamisch. Der Amiron am Kopfhörerverstärker SPL Phonitor mini: wie aus dem Dornröschenschlaf erwacht – explosiv dynamisch, klangfarblich intensiv timbriert, dazu weitläufig, luftig und vollkommen entspannt. Potenzielle Käufer werden also ums Experimentieren kaum herumkommen.

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Test: Beyerdynamic Amiron home | Kopfhörer

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