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AVM Ovation SA 6.2: Süß, sauer oder scharf?

Inhaltsverzeichnis

  1. 2 AVM Ovation SA 6.2: Süß, sauer oder scharf?

AVM Ovation SA 6.2 | Endverstärker

„Aah, ich habe einfach nichts zum Anziehen!“ Vielleicht haben Sie den Satz ja auch schon vor einem nahezu überquellend vollen Kleiderschrank vernommen. „Aah, ich habe nichts zum Hören!“, schießt mir mal wieder durch den Kopf, als ich mich durch die gut gefüllte 1-TB-Festplatte meines JRiver-bewehrten Laptops pflüge primusund letztlich aus meiner Not eine Tugend mache und auf Primus beziehungsweise das Album Pork Soda (auf Amazon anhören) doppelklicke. Keine aktuelle Mode, aber die 90er sind ja durchaus wieder tragbar. In jedem Fall ist dieser aus San Francisco stammende Fummel aus schrägem, virtuosem und absolut hörenswertem Stoff genäht, die Band selbst bezeichnet ihren Stil als „psychedelische Polka“ – na ja, auf jeden Fall lassen sich Jazz-, Metal- und Funk-Einflüsse heraushören.

Insbesondere den Titel „My Name is Mud“ habe ich früher sehr häufig gehört – auffallend sind ein gar nicht mal so komplexer, aber eigentümlicher Slap- und Pop-Basslauf (Les Claypool gehört zu den anerkannt Großen seines Fachs), ein recht vordergründig eingefangenes Becken und der typisch nölige Gesang Les Claypools. Keine audiophile Perle, aber dennoch (oder genau deswegen) ein für Audiogerätschaften alles andere als leicht zu bewerkstelligender Song: So steht der Bass nach meinem Gefühl stets auf der Klippe und droht entweder auf die zu weich-warme oder hart-spröde Seite zu kippen. Das etwas garstig-vordergründig aufgenommene Becken läuft einerseits Gefahr, zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und zu nerven (mit meiner ehemaligen Kette aus Audionet AMP und Thiel CS 3.7 war der Song fast ungenießbar), anderseits verleiht eine gewisse Hochton-Penetranz dem Titel auch einen Teil seiner Energie, die man vermisst, wenn die Übertragung zu dunkel oder matt gerät. Gleiches gilt im Grunde auch für den Gesang. Ergo: Ein Titel, mit dem sich Schlagseiten im Über-alles-Klangbild recht leicht ausmachen lassen und an dem nach meinem Empfinden auch viele hochwertige Anlagen scheitern.

AVM Ovation SA 6.2 | Leistungsanzeige

Unser Proband gibt sich bei diesem Titel auffallend unauffällig – was als sehr erfreulich durchgeht, denn eingeklemmt zwischen meinem Funk MTX Vorverstärker und den Sehring 902 (siehe auch Test Sehring 903) balanciert er den Song derart gekonnt, wie ich das eben auch mit meinen fairaudio’s-favourite-Award prämierten NuForce Reference 20-Monos erlebe. Was zudem offenbar wird, wir aber im Folgenden noch weiter überprüfen werden: Der AVM Ovation SA 6.2 zeigt keinerlei Tendenzen, dem Klangbild eine harsche oder zu helle Note oktroyieren zu wollen. Und ist zweifelsohne in der Lage, ordentlich Energie in den Hörraum zu schleudern …

celebrationOb ein Verstärker tonal auch mal gerne ins Helle oder Harsche driftet, steht und fällt ja mit der Hochtonwiedergabe: Nun, die in Celebrations „Evergreen“ (Album: The Modern Tribe, auf Amazon anhören, gewinnt stark nach mehrmaligem Hören) auf dem rechten Kanal eher unterschwellig zu vernehmenden Hi-Hat-Viertel werden ebenso wie das feine Chimes-Glitzern sauber herausgearbeitet, was schon mal für ein akkurates Auflösungsvermögen spricht. Dennoch betonen meine NuForce Reference 20 die oberen Lagen etwas deutlicher und bringen feindynamisch eine homöopathische Prise mehr Attack ins Spiel, was das Klangbild etwas offensiver anmuten lässt. Feinheiten bringen die beiden Monoblöcke zwar keinesfalls akribischer aufgedröselt zu Gehör, aber etwas deutlicher, weil etwas lauter abgesetzt. Was ich als neutraler einstufen würde – beispielsweise brachten auch meine ehemaligen Audionet AMP mehr Energie in die oberen Lagen als der AVM Ovation SA 6.2.

Apropos „akribisch“ – neben der quantitativen Hochtoneinordnung, wenn man das genaugenommen auch nie ganz trennen kann, ist ja auch die qualitative nicht zu vergessen. Und interessanterweise sehe ich hier gegenüber beiden genannten Monolösungen wiederum Vorteile beim AVM Ovation SA 6.2: Sein Hochton wirkt, tonale Dezenz hin oder her, nämlich ungemein locker, feinpixelig und auffallend frei von jeglicher Körnigkeit – ein echtes Asset. Das NuForce-Duo, übrigens auch bar jeglicher künstlicher Schärfe im Hochton, erreicht diese Feinzerstäubtheit in den allerobersten Lagen nicht. Und auch meine ehemaligen Audionet-Blöcke, ihrerseits mit einer tollen Hochtonoffenheit gesegnet, tönten etwas strenger, nicht ganz so feinrasternd-geschmeidig.

AVM Ovation SA 6.2 | Lautsprecherterminal

Richten wir unseren Blick auf die südlichen Frequenzgefilde und ziehen hierfür Downloads „Outafter“ (Album: The Eyes Of Stanley Pain, progressiver, bisweilen düster-harscher Elektrostoff, auf Amazon anhören) in die Playlist. Erst über meine Sehring 902 (meine verflossenen Thiel downloadCS 3.7 oder Spendor SP100R² gruben nicht so tief, die Sehring 703 SE schon gar nicht) vermochte ich wahrzunehmen, was für erstaunliche Infraschallanteile diesem Track innewohnen, mithin Töne, die man tatsächlich eher fühlt als hört. Aber klar ist das nicht nur eine Frage der Lautsprecher, auch die Elektronik muss so tief bohren können. Was dem AVM Ovation SA 6.2 so mühelos gelingt wie meinen NuForce Reference 20 – wir haben es in beiden Fällen halt mit absolut amtlichen Leistungsverstärkern zu tun.

grassy knollAuch dynamisch und in Sachen Präzision gibt sich der Bass so, wie man es von einem Transistorboliden dieser Preisklasse erwartet. Bei „Down in the Happy Zone“ von The Grassy Knoll (Album III, auf Amazon anhören, noch empfehlenswerter ist aber das 95er-Album: vielschichtig, sperrig, rhythmisch teils treibend, teils schwer-schleppend und mit einer guten Prise Jazz versehen) treten ein mächtiger Bassteppich sowie druckvolle Bassdrumschläge auf den Plan: Die Kunst, das einerseits mit genügend „Lunge“ in den Hörraum zu pusten – der AVM Ovation SA 6.2 schiebt unten rum tatsächlich sogar ein Miniquäntchen mehr als meine etwas sachlicher wirkenden NuForce – und andererseits diese tiefschwarzen Gemengelage sauber zu differenzieren, dabei insbesondere die einzelnen Beats zackig und definiert auf den Punkt zu servieren, beherrscht der AVM Ovation SA 6.2 vorbildlich. Dass hier eine große Transistorendstufe die Zügel hält, ist ganz klar zu vernehmen. Wer in Sachen Bassdurchzeichnung noch mehr will, müsste schon zu Spezialisten wie dem Krell Duo 300 greifen – in Sachen Tiefton sicherlich eine Benchmark in seiner Preisklasse.

AVM Ovation SA 6.2 | On/off

Kommen wir zum Thema Räumlichkeit: Was die Ortungsschärfe (präzise, aber nicht unnatürlich hart gerastert) betrifft, fasse ich mich mal kurz – und zwar, weil man diese einfach durchwinken kann, der AVM Ovation SA 6.2 ist hier – auch mit Blick auf die hohen Ansprüche, die man an ein Gerät seines Kalibers stellen darf –, ohne Fehl und Tadel. Auch meine Monos, die ja aufgrund der 100%-igen Kanaltrennung prinzipbedingt im Vorteil sein sollten, machen das nicht besser. Dass sich das Klangbild dabei schön von den Boxen löst und sich offensiv in Richtung Hörer öffnet, eine Eigenschaft, die ich persönlich sehr schätze, ist eine weitere Stärke des SA 6.2. Bisweilen kam es mir fast so vor, als würde der AVM-Block – möglicherweise durch den kleinen Tick mehr Bassdruck bedingt – sogar eine noch etwas größere, weitgefasstere Bühne suggerieren.

Lassen wir so grobstoffliche Meriten wie Ortungsschärfe oder schnöde Bühnendimensionierung nun mal beiseite und wenden uns höheren Künsten zu: Kohärenz und Plastizität. Neben exakt austarierten Kanälen ist hier nach meiner Erfahrung insbesondere das Zeit- beziehungsweise Phasenverhalten von Komponenten Oh No Onomaßgeblich, wobei auch mit Blick auf diese Kriterien meist Lautsprecher die Schwachstellen einer Audio-Kette abgeben. Meine Sehring 902 gehen in diesem Zusammenhang aber als echte Referenzen durch und sind mithin ideal, um der anhängigen Elektronik intensiver auf den Zahn zu fühlen: Nun, das in „Swim” der dänischen Oh No Ono (Album: Eggs, mutet bisweilen ein bisschen wie Abba auf LSD an, auf Amazon anhören) bei zirka 3:00 zu hörende Geräusch einer kreiselnden Münze wird so irritierend schlüssig-konsistent und greifbar echt über die Funk-AVM-Sehring-Kette transportiert, dass man fast meint, die Münze würde unabhängig von jeglicher Musik „live“ in meinem Hörraum herumrollen. Stark …

Schon klar, für den Musikgenuss spielen rollende Münzen im allgemeinen keine allzu große Rolle, aber das Beherrschen solcher Tricks liefert gleichzeitig eine Erklärung dafür ab, warum der AVM Ovation SA 6.2 nicht zuletzt Stimmen so wunderbar eingängig und klar „fassbar“ überträgt. Eine Stärke, die er sich mit seinem großen Bruder Ovation SA8.2 teilt.

Zum Stichwort „Stimmen“: Die Mittenwiedergabe steht, wobei da sicherlich auch die beschriebene Hochtonabstimmung ein Wörtchen mitredet, im Zweifelsfall eher auf der sonoren denn hellen Seite von neutral. Und besticht durch eine vorbildlich natürlich anmutende Klangfarbentreue sowie ein – ohne jeglichen unangenehm analytischen Anflug – ausnehmend hohes Differenzierungsvermögen. In Sachen Klangfarben empfand ich beispielsweise meine ehemaligen Audionet AMP stets etwas, na ja, „pastellig“, fast so, als würden die Bochumer ihre Klangbilder eher mit Wasserfarben statt kräftigem Ölauftrag kreieren. Wobei man freilich eher von bei längerem Musikhören unterschwellig bemerkbaren Tendenzen denn sofort ins Ohr springenden Auffälligkeiten sprechen muss, ich halte die Audionet AMP nach wie vor für tolle Verstärker. Aber zurück zum AVM Ovation SA 6.2: Seine gehaltvolle, deckkräftige und wie schon erwähnt sehr kohärente Mittenperformance gibt sich nicht nur bar jeglichen artifiziellen Anklangs, sondern ebenso bar jeder übertriebener Schönfärberei/Romantisierung: Ja, im Mittenbereich empfinde ich den SA 6.2 als echten Bringer.

AVM Ovation SA 6.2 | Deckelplatte

Was – das habe ich noch gar nicht explizit erwähnt, obwohl er hierbei allen im Text erwähnten Endstufen eine kleine Nasenlänge voraus ist – auch daran liegt, dass er wie sein großer Bruder SA 8.2 ein sehr rein anmutendes Klangbild inszeniert. Und weil ich mich fast schon im Sommerurlaub auf Zakynthos im Ionischen Meer wähne: Mit dem AVM Ovation SA 6.2 ist es ein bisschen so, als würde man beim Schwimmen den Kopf unter Wasser halten, den Meeresgrund mit all seinen Details und den darüber schwimmenden farbenfrohen Fischen betrachten und sich darüber freuen, dass das Wasser heute irgendwie besonders klar anmutet, obwohl es gestern im Grunde auch nicht trüb gewirkt hatte.

Womöglich wird dieses subtile Plus an Reinheit auch durch die etwas dezentere Hochtonabstimmung des AVM begünstigt – die oberen Lagen gelten ja auch aus technischer Sicht als besonderes störungssensitiv. Meine NuForce-Monos leuchten beispielsweise Stimmen einen Deut heller aus, definieren sie an deren oberen tonalen Rändern etwas markanter (woraus ein bisserl mehr Anmachfaktor resultiert), lassen sie dabei aber räumlich nicht ganz so sauber fokussiert, ja, in ihren Umgrenzungen fast wie weniger akkurat entgratet erscheinen.

AVM Ovation SA 6.2 | Kühlrippen

Billboard
Vincent

Test: AVM Ovation SA 6.2 | Endstufe

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