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Juni 2016 / Jörg Dames
Alte Freunde – von solchen war auf fairaudio erst vor kurzem die Rede. Und wenn ich in gewisser Weise auch die Einleitung von Tobias Zoporowskis Test über den Technics SU-G30 plagiiere, kann ich einen Anflug von Wiedersehensfreude einfach nicht leugnen, als Udo Besser, der Inhaber von AVM (www.avm.audio), den Ovation SA 6.2 aus dem Flightcase hievt und auf eine freie Ebene meines Racks bugsiert. Ja, stimmt, Herr Besser ist auch nett. Aber ich meine den SA 6.2 – obwohl ich ihn zuvor noch nie persönlich zu Gesicht bekommen, geschweige denn gehört hatte. Aber die Ähnlichkeit – optisch wie konzeptionell – zu seinem großen Bruder Ovation SA 8.2 ist einfach zu offensichtlich. Okay, bisweilen siegt die eigene Verklärtheit dann eben doch über die Abgeklärtheit – der Ovation SA 8.2 gehört nämlich zu den Endstufen, an die ich mich besonders gerne erinnere, mithin zu den besten, die bisher bei mir aufschlugen.
Aber bevor hier der Verdacht aufkeimt, ich würde schon vorab mit einem dicken Bündel Vorschusslorbeerkraut wild in meinem Hörraum herumwedeln: Lassen wir die Vergangenheit ruhen und setzen uns im Folgenden gänzlich unbefangen mit der Gegenwart beziehungsweise dem Stereoendverstärker AVM Ovation SA 6.2 auseinander.
AVM-Chef Udo Besser bei der Anlieferung des Ovation SA 6.2. Sicher ist sicher: AVM liefert seine großen Amps serienmäßig in robusten Flightcases aus
Das Innenleben des AVM Ovation SA 6.2
Den Schwergewichtler SA 8.2 hatte ich als „großen Bruder“ bezeichnet – deklarierte man den SA 6.2 entsprechend als „kleinen Bruder“, könnte dies zu Fehlschlüssen führen: Denn 21 Kilogramm Kampfgewicht und 2 x 200 Watt/8 Ohm Ausgangsleistung zählen im Verstärkerbau wohl eher zur Cruisergewichtsklasse als zum Bantam. Je nach anhängiger Lautsprecherlast fährt der im Class-AB-Schaltungsdesign gehaltene SA 6.2 ungefähr die ersten 15 Watt im besonders verzerrungsarmen Class-A-Betrieb, um erst bei höheren Leistungsanforderungen in den energieeffizienteren B-Bereich zu wechseln. Gewuppt wird das alles von zweimal zwölf Ausgangstransistoren (MOSFETs, die AVM u.a. als „schneller“ und temperaturunabhängiger erachtet als ihre bipolaren Pendants), die pro Kanal maximal 180 Ampere fließen lassen können – und unter einer Spannung von bis zu 63 Volt arbeiten. Das voll auszureizen würde allerdings selbst den pfundigen 1000-VA-Ringkerntrafo gänzlich überfordern, der höchstens kurzfristig über seine (Schein-)Leistungsgrenzen getrieben werden darf, bei Impulsen zur Not aber auch mal auf 120000 μF Siebkapazität zurückgreifen kann.
Die auf die Kühlkörper montierten MOSFETs der Ausgangsstufe des AVM SA 6.2
Bei aller Potenz gibt sich unser Proband steckdosenseitig vergleichsweise bescheiden, um 60 Watt Leerlaufleistung nuckelt er aus der Wand heraus – sehr löblich für ein solches Gerätekonzept, wie ich finde.
Dafür, dass der AVM Ovation SA 6.2 seine Lasten im Griff haben wird, spricht nicht zuletzt auch die sehr geringe Ausgangsimpedanz von nur acht Milliohm, die AVM als weitgehend linear über den Frequenzverlauf deklariert. Damit ist klar, dass die Entwickler auf ein nicht gerade geringes Maß an Gegenkopplung in der Verstärkerschaltung setzen, ohne die aller anderslautenden Gerüchte zum Trotz im Grunde auch keine Verstärkerschaltung auskommt, die aber dennoch häufig mit harschem oder hartem Klang in Verbindung gebracht wird. Meiner Erfahrung nach kommt es allerdings eh weniger auf die schiere Dosis an, sondern darauf, wie und in welchem Kontext (zum Beispiel Bandbreite der Schaltung und damit Geschwindigkeit) das Ganze umgesetzt wird: Entsprechend war auch von AVM zu vernehmen, dass man „die oft kolportierte ‚Keine-Gegenkopplung‘-Geschichte für Mumpitz“ halte. „Nichtsdestotrotz“, so AVM weiter, „gibt es bei alledem entscheidende Stellen in der Schaltungsarchitektur, die für die ‚Sweetness‘ der Endstufe entscheidend sind.“ Nun, ob ein „Süßer die Endstufen nie klingen“ tatsächlich auch mitten im Frühjahr gilt, werden wir weiter unten natürlich noch abklopfen.
Die Siebkapazität ist mit 60000 μF pro Kanal dimensioniert
Der 1000-VA-Trafo weist separate Wicklungen für die lastunabhängige Versorgung der Treiberstufen auf. Die Eingangsstufen haben eigene Netzteile, woher auch das halbe Watt Stand-by-Leistung herrührt
Die beiden Netzteile der Eingangsstufen
Nach so viel Innenschau aber noch ein paar Worte zu Verarbeitung und Usability, bevor es in den Hörraum geht: Der am Firmenstandort im baden-württembergischen Malsch gefertigte, unspektakulär zeitlos designte Ovation SA 6.2 ist – was man in dieser Preisklasse aber auch erwarten darf – piekfein verarbeitet: Zu erwähnen wären hier etwa das auffallend akkurate Oberflächenfinish des Aluminiumgehäuses, die geringen Spaltmaße, die Beschaffenheit der Kanten und Kühlrippen, die solide Deckelkonstruktion, aber auch die Abwesenheit von sichtbaren (nur heckseitig befindlichen) Schrauben.
Als sehr löblich – schade, dass so viele Hersteller selbst hochpreisiger Geräte hierauf verzichten – empfinde ich die Phasenanzeige, die im Display „warnt“, wenn der Netzstecker besser noch einmal um 180° gedreht in die Wand gesteckt werden sollte (was im Idealfall klangförderliche Auswirkungen zeitigt, auf die Betriebssicherheit hat das natürlich keinerlei Einfluss). Last but not least sollen Schutzschaltungen vor Schäden durch Anschlussfehler, Überhitzung, lautsprecherschädigendem DC oder Überlast sorgen – und dabei während des normalen Musikbetriebs in klangschonender Weise ausschließlich außerhalb des Signalwegs agieren. Den Überlastschutz habe ich übrigens einfach mal auf die Probe gestellt, indem ich das Poti des einspeisenden Funk MTX auf 12 Uhr stellte (was für schon ganz ordentlich Pegel sorgt) und den linken Ausgang des AVM Ovation SA 6.2 kurzschloss (was Maximallast bedeutet): Ein leises, unaufgeregtes „Klack“ und eine Warnmeldung im Display mit der Aufforderung zum Neustart waren die Folge. Den ich umgehend vorgenommen habe – ebenso umgehend ward der AVM wieder unbeschadet aus seinem Koma erwacht und spielte munter vor sich hin … genau so soll das sein.
Der AVM Ovation SA 6.2 verfügt über ein Menü, in dem die Displayhelligkeit geregelt sowie auf die Lautsprecherlast optimiert werden kann (4 oder 8 Ohm, bei meinen Lautsprechern war klanglich kein Unterschied festzustellen). Die abgegebene Leistung kann man sich zudem als Zahl und/oder per Balken anzeigen lassen. Wer den SA 6.2 mittels seiner AVM-Vorstufe einschalten will, kann das ebenfalls einstellen
Test: AVM Ovation SA 6.2 | Endstufe