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Ich bin ja sehr zufrieden mit dem Klang meiner Kette (siehe Equipmentliste am Ende des Testberichtes), so im Großen und Ganzen. Sie liefert mir ein ums andere Mal emotional ergreifende Erlebnisse mit einem absolut langzeittauglichen Klangbild, das nie auch nur im Ansatz nervig oder spitz klingt. Ich denke, man könnte von einer insgesamt eher leicht warmen Tönung des Gesamtklangs sprechen. Das mag ich, so höre ich gerne. Und dann kommt da dieser Schönling namens AVM CS 8.2 und stellt diese Welt zumindest in Teilaspekten auf den Kopf.
Lassen wir uns da, also oben beim „Kopf“ des Frequenzbereichs, anfangen. Übrigens wurden alle Klangeindrücke über den eingebauten LAN-Streaming-Port sowie den Cinch-Eingang, gefüttert vom VPI Scout 2 mit ZYX R100 Fuji und dem Neukomm-Phono-Pre MCA112S, gewonnen. Einen signifikanten Klangunterschied zwischen beiden Eingängen konnte ich im Vergleich nicht feststellen, auch kann der Auralic Aries am Digitaleingang des AVM sich nicht nennenswert von der integrierten Streaminglösung absetzen – bis auf einen minimalen Vorteil bei der räumlichen Ausdehnung. Eine kurze Differenzierung zum Klang des CD-Laufwerks sowie des USB-Anschlusses finden Sie dann weiter unten.
Dass die Lansche Audio 3.1 mit ihren Corona-Plasma-Hochtönern im Hochton in Sachen Sauberkeit, Schnelligkeit und Detailauflösung in ihrer Preisklasse kaum zu schlagen sind, konnte ich in diversen Hörsitzungen mit konventionell bestückten Lautsprechern immer wieder erfahren. Allerdings fehlt den Lautsprechern vom Bodensee im Zusammenspiel mit den Norma Audio REVO-Verstärkern (und auch anderen obenrum eher zurückhaltend ausgelegten Verstärkern) ein winzig kleines bisschen dieses Funkeln, das einige andere Lautsprecher ihrer Liga draufhaben.
Das mag – so die These von Hersteller und Vertrieb – auf das Fehlen von Verzerrungen zurückzuführen sein, die bei der Wiedergabe über konventionelle Hochtöner entstehen können, und die wir unterschwellig als Glanz interpretieren – doch der AVM CS 8.2 zeigt, dass auch die Plasma-Hochtöner der Lansche 3.1 zu einem etwas markanterem Hochton in der Lage sind. Und zwar, ohne diesem Umstand Verzerrungen zuschreiben zu müssen. Jamie Cullums Schlagzeuger scheint auf Catching Tales (auf Amazon anhören) eine Extraportion Energie auf die Blecharbeit zu verwenden, und die Blasinstrumentefraktion von Quincy Jones Big Band The Birth of a Band strahlt noch tiefer in den Gehörgang des Hörers hinein.
„Ha, aber das geht doch bestimmt zu Lasten der Langzeittauglichkeit, oder man kann dann sicher nicht so laut hören, oder?“ Mitnichten. Nach einigen Tagen Einspielzeit, innerhalb derer diese Vermutung sich in der Tat beinahe als Tatsache gefestigt hätte, zeigt offensichtlich die Röhren-Line-Stage ihre besänftigende Wirkung – der CS 8.2 ist, nachdem er ausreichend lange am Netz hat nuckeln dürfen, einfach nur ein sehr gut auflösender Amp, der seine Energie auch im Hochton ohne Scheu verzerrungsarm umzusetzen weiß …
Minimale Abstriche in der Aufdröselung winzigster Hochton-Klangdetails und bei der schieren Ausdehnung nach ganz oben – zumindest im Vergleich zu meiner Referenz-Kombi von Norma Audio – kann man dem Baden-Württemberger zwar attestieren, darf man ihm aber auch nicht wirklich ankreiden, schließlich stehen, wenn wir alle Funktionen und Kosten für Kabel zusammenzählen, hier 9.990 Euro inklusive UKW-Radio und CD-Spieler den gut 25.000 Euro meines korrespondierenden Gerätefuhrparks gegenüber. Insgesamt erinnert mich die Hochton-Charakteristik des AVM CS 8.2 dann doch ein wenig an die AVM Evolution MA 3.2 (ohne s), die eine Zeit lang in meiner Kette ihren Dienst taten, auch wenn die technischen Gemeinsamkeiten mit dem Class-D-Konzept erschöpft sind. Diese leichte Glättung von klanglichen Texturen konnte ich auch den MA 3.2 nicht absprechen – vielleicht trifft es der Vergleich mit einer 4K-Aufnahme und einem computergenerierten Bild am besten: Egal, wie hoch Rechner die menschliche Haut oder menschliches Haar in der Auflösung interpolieren können, die Grafik wirkt auch heute noch minimal glatter und Spuren weniger nuanciert als die echte Aufnahme. So ähnlich geht’s mir auch hier, wenn auch auf weniger stark wahrnehmbarem Niveau: Es ist gefühlt eigentlich alles da (und in Sachen Pegel wie gesagt sogar ein bisschen frischer als mit den Norma-Audio-Geräten), nur die allerletzten Nuancierungen einer sehr guten Aufnahme, die mit absoluten Über-Komponenten wahrnehmbar sind, die reizt der deutsche Alleskönner nicht aus.
Trockener Humor
Den Bassbereich des AVM kann man insgesamt auf der eher trockenen und straffen Seite einordnen, und das scheint meinen Lansche 3.1 recht gut zu tun. Nicht nur bei sowieso schon auf der Mix- und Masteringseite gut durchorganisiertem Klangmaterial wie Yellos Toy (auf Amazon anhören), sondern insbesondere mit chaotischerem, noisigerem Material wie EMAs Exile In The Outer Ring. Nicht, dass man mit meiner Referenzkette aus Norma Amps und Auralic Aries Streamingbridge weniger Struktur hörte – diese Kombi schafft es vielmehr trotz ihres massiveren Tiefbass-Fundaments noch durchhörbarer und differenzierter zu tönen –, doch die Qualität, mit der der AVM CS 8.2 dieses Kunststück fast perfekt nachmacht, ist schon erstaunlich.
Im Oberbass allerdings zeigt sich der AVM vergleichsweise präsent, lässt den E-Bass von Geoff Gascoyne in Jamie Cullums „London Skies“ und den Elektro-Bass in „Colomb“ von Nicolas Jaars Album Space Is Only Noise dort vielleicht sogar einen Tick dominanter klingen als ich es gewöhnt bin. Aber noch mal: Generell zeigt sich das Gerät aus Malsch auf der straffen, druckvoll-kontrollierten, aber keineswegs mageren Seite.
Dabei gelingt es ihm, Klangfarben glaubwürdig, sachlich und ohne Übertreibungen zu pinseln. Ein reiner Röhrenverstärker wie zum Beispiel ein Jadis Orchestra Reference (um 3.400 Euro) oder auch ein McIntosh-Transistor agieren vielleicht mit noch vollerer Palette beziehungsweise „tragen dicker auf“, werden andererseits aber nicht nur in Sachen Kontrolle, sondern auch in puncto Tiefgang vom AVM übertroffen. Das genannte „Colomb“ von Nicolas Jaar oder Yellos „The Race“ (Album: Flag) legen beredtes Zeugnis davon ab.
Dass ein Quasi-Vollverstärker einen Tiefbass dieser Qualität selbst bei nachbarschaftsfeindlichen Pegeln mal eben so locker aus den Ärmeln schütteln kann, ist nicht selbstverständlich und habe ich so eigentlich nur vom seligen Mark Levinson ML383 in Erinnerung (ehemals um 8.000 Euro, wenn ich mich recht erinnere). Dass dann im Vergleich zu den Norma-Monos feinste Strukturen in diesem allertiefsten Frequenzbereich etwas diffuser anmuten, fällt beim machtvollen und mitreißenden Antritt des AVM nicht wirklich ins Gewicht und sei dem ungleich günstigeren Gerät verziehen.
Auch deshalb, weil er es schafft, seine Qualitäten im Frequenzkeller mit einer Stimmperformance zu toppen, die ich so wirklich nicht erwartet hätte und bisher nur mit deutlich teureren Geräten erlebt habe. Auch im Mittelton stellt sich eine eher schlanke Tendenz ein, die Stimmen wunderbar frei und offen aus dem Mix heraustreten lässt. Wie man so schön sagt: Der AVM betont eher den Kopf als die Brust des Sängers. In Nine Horses „Wonderful World“ (Album: Snow Borne Sorrow, auf Amazon anhören) steht Frontmann David Sylvian deutlich von seiner Band abgesetzt ziemlich genau auf der Position der Lautsprecherebene und artikuliert mit bezaubernder Klarheit, zudem überzeugt der AVM CS 8.2 mit einer meiner Norma-Kombi fast ebenbürtigen Analyse der Rauigkeit der Stimme – genial! Ebenso detailreich gerät dem AVM die Darstellung der elektrischen Spielereien im folgenden „Darkest Birds“. Ich muss sagen: Bei aller Freude über die Macht und Präzision des Bassbereichs – die überraschendste Faszination des CS 8.2 finde ich hier, im Mittelton, der extrem sauber ausgearbeitet, schnell und schlackenfrei rüberkommt. Er dürfte ein wahres Fest für Stimm-Analytiker sein, die bei alledem keine Härten im Hochton in Kauf nehmen wollen.
Zimmer frei
Die Räumlichkeit des AVM ordnet sich ein wenig der pflichtgetreuen Analyse und Detailfreudigkeit unter. Wie schon mit Nine Horses festgestellt, spielen sich die meisten akustischen Ereignisse auf einer nicht extrem tiefen Bühne ab, die auf Höhe der Lautsprecher beginnt und sich eher nach hinten denn nach vorne Richtung Hörer hin erstreckt. Das, was dort geschieht, ist klar voneinander abgegrenzt und sehr deutlich nachvollziehbar in den Maßstäben – die Größe von Instrumenten und ihre Positionierung kann ich ohne Probleme erhören, auch die Relationen „passen“. Den virtuellen akustischen Schritt in die Tiefe vollzieht der CS 8.2 mit den Lansche 3.1 nicht ganz so überzeugend wie die Norma-Kombi.
Vollkommen ohne Einschränkungen zu begeistern vermag der AVM Ovation CS 8.2 dann wieder mit seiner Schnelligkeit und seinen extraordinären dynamischen Fähigkeiten – egal, ob es sich um fein- oder grobdynamische Attacken handelt. Selten hat mir ein Gerät so viel Spaß bereitet, wenn ich ein großes Orchester, zum Beispiel Beethovens Neunte, oder unzivilisierte elektronische Gemeinheiten à la DVBBS’ „Tsunami“ mit brachialer Lautstärke habe streamen lassen.
Der physisch spürbare Kick des AVM CS 8.2 ist gnadenlos punchig und präzise, die Energie, mit der er membranquälende Bässe ebenso wie explosionsartige Synthiesounds oder sich zum Crescendo aufschwingende Orchesterkörper samt großer Pauke aus den Lautsprechern peitschen kann, scheinbar unerschöpflich – und die Geschwindigkeit, mit der er das tut, irrwitzig. Die Tom-Toms in „Private Investigations“ von den Dire Straits (Album: Love Over Gold) blitzen so plötzlich und ohne Vor- oder Nachschwinger aus der Mitte des Raums auf, dass ich meine, die Lansches hätten sich zu Hornlautsprechern transformiert.
Ganz ehrlich: So geschossartig machen die Normas das nicht ganz, runden den Impuls minimal mehr ab. Dieser Eindruck könnte aber durchaus auch von der insgesamt eher “fettfreieren“ tonalen Charakteristik des AVM im Vergleich zu den Normas (oder auch anderen Amps aus der Test-Vergangenheit, wie den SAC Igeln) herrühren – Psychoakustik, ick hör dir trapsen: Wo keine Pölsterchen sind, bewegt sich alles etwas schneller – wenn auch vielleicht nur auf der perzeptorischen Seite, also beim Hörer so wahrgenommen.
Wie versprochen möchte ich abschließend auf das CD-Laufwerk des AVM CS 8.2 und seine USB-Fähigkeiten zu sprechen kommen. Dass dieser Part etwas kürzer ausfällt, hat einen Grund: Es gibt keine grundsätzlichen Unterschiede zum Streaming-Klang zu vermelden, denn das CD-Laufwerk addiert höchstens eine Nuance mehr tonale Sonorität ins Klangbild und wirkt vielleicht einen Hauch plastischer in der räumlichen Darstellung; der USB-Eingang schließlich lässt zumindest in der Kombination mit meinem MacBook Pro kaum noch Differenzierungen gegenüber der NAS-Wiedergabe zu. Der Unterschied zwischen Qobuz-Streaming und Festplatte (beides über USB an den DAC des AVM CS 8.2 geliefert) ist jedenfalls definitiv größer.
Test: AVM Ovation CS 8.2 | All-In-One-Lösung