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März 2015 / Michael Bruß
Ich höre seit über zwei Jahren keine CDs mehr – weder zu Hause noch im Auto. Warum auch? Im Auto sind iPod und Bluetooth-Handy immer dabei, und daheim führen mir mein Linn Majik DSM (immer wieder) und (ganz aktuell) die Testneulinge Evolution SD 3.2 und SD 5.2 von AVM (www.avm-audio.com) vor Augen, wie einfach und komfortabel ein gut funktionierendes Streaming-/Computer-Audio-Setup spielen kann – von der Möglichkeit, High-Resolution-Dateien abzuspielen, mal ganz zu schweigen.
Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich ja bereits den AVM Inspiration CS 2.2 als Testgerät bei mir zu Gast. Dieser All-In-One-Streamer-CD-DAC-Vollverstärker hat es trotz seines fast schon unscheinbaren Äußeren faustdick hinter den Ohren – und das nicht nur wegen seiner angesichts der Größe beeindruckenden Leistung von 2 x 165 Watt an 8 Ohm. Auch klanglich kann der CS 2.2 selbst teureren getrennten Lösungen locker das Wasser reichen; meinen Linn Majik DSM disqualifizierte er in den meisten Bereichen ebenfalls. Nun ist der CS 2.2, wenn man ehrlich ist, schon eher ein Gerät für Musikliebhaber mit Sinn für Ästhetik oder die Zweitanlage im Schlafzimmer, wo sinnvolles Platzsparen vor ultimativer Performance kommt, als für Vollzeit-HiFi-Fans und absolute Klangperfektionisten. Denn bei aller Achtung, die ich dem kleinen Kraftzwerg ob seiner klassenbezogen famosen Leistungen entgegenbringe, kann man bei Überwindung eines höheren Anschaffungswiderstandes und mit etwas mehr räumlichem Aufopferungswillen eben auch mehr Performance bekommen.
Minimalistisches Design: AVM Evolution SD 5.2
Deshalb – und weil die AVM (Audio Video Manufaktur) mitnichten das deutsche Bang & Olufsen ist oder sein will – haben die Malscher auch richtig ausgewachsenes „Potenz“-HiFi im Programm. Bis hin zu den gewaltigen Monos Ovation MA 8.2, mit deren 1,2 kW Leistung pro Kanal man zur Not auch ein Krad anzutreiben vermag, kann man den Spieltrieb befriedigen und die Rückenmuskulatur belasten. Hier bleibt selbstverständlich auch in Sachen Klang kaum noch ein Wunsch offen, wie Kollege Jörg Dames in seinem Test der vom Formfaktor her mit halbem Aufwand einhergehenden Stereoendstufe SA 8.2 bereits feststellen konnte.
Mit den Modellen der Evolution-Reihe geht AVM-Chef Udo Besser einen Mittelweg und offeriert im schicken, ebenfalls bombensicher verarbeiteten Minimalisten-Design Geräte, die in Sachen Leistung, Funktionsumfang und Klang ganz vorne mitspielen und dabei noch einigermaßen bezahlbar bleiben sollen. Diese Rechnung scheint auch aufzugehen, denn wo sonst bekommt man zum Beispiel für knapp 5.000 Euro sehr gut klingende Monoblöcke mit 420 Watt Dauerleistung pro Kanal? Als aufmerksamer Leser mag Ihnen auch nicht entgangen sein, dass ebendiese Monoblöcke (Evolution MA 3.2) bei mir seit geraumer Zeit ihren Dienst tun, und zwar klaglos und zu meiner größten Zufriedenheit.
Links der AVM Evolution SD 5.2, rechts der SD 3.2
Nun aber zu unseren beiden Testprobanden. Die als Streaming-DACs deklarierten Evolution SD 3.2 und SD 5.2 (ich persönlich würde ja eher die Gattung „Vorverstärker“ in den Vordergrund rücken, aber gut) dienen als universelle Schaltzentralen für so gut wie jede moderne Stereoanlage. Will heißen: Computer-Audio und Streaming aus dem Internet, dem lokalen Netzwerk oder von USB-Datenträgern ist ebenso möglich wie die Wiedergabe von klassischen analogen Quellen. Die beiden Geräte aus der Evolution-Familie sind weitgehend baugleich; dass der SD 5.2 etwas höher und tiefer ist als das Brüderchen SD 3.2, liegt am wichtigsten Unterscheidungsmerkmal der beiden: Nummer 5.2 bringt nämlich eine Röhrenverstärkerstufe mit, während der Evolution SD 3.2 als reine Transistorvorstufe ausgelegt ist.
Der AVM Evolution SD 3.2 ist durchgängig transistorisiert …
Ansonsten trifft man hier wie dort auf das Streamingmodul, das uns schon aus dem Inspiration CS 2.2 bekannt ist und das auch im Evolution-Bruder CS 5.2 eingesetzt wird. Es bezieht seine Signale entweder per Ethernetkabel oder drahtlos über WLAN, wobei das Datenblatt für die Datenrate bei unkomprimierten Formaten nur in der verkabelten Variante 192 kHz/32 Bit spezifiziert – ALAC (Apple Lossless Audio Codec) wird „nur“ bis 96 kHz/24 Bit unterstützt. Auch wenn es mittlerweile Standard bei so gut wie allen Streamern ist, muss man doch erwähnen, dass die Malscher Netzwerkplayer sich in Bezug auf Formate mit allem füttern lassen, was man normalerweise so an Audiodateien auf der Festplatte findet: MP3, WMA, AAC, OGG Vorbis, FLAC, WAV, AIFF und eben ALAC werden akzeptiert. Selbstredend unterstützen beide Geräte UPnP 1.1 und UPnP-AV und sind DNLA-kompatibel.
… der größere Bruder Evolution SD 5.2 hingegen besitzt eine Röhrenausgangsstufe
AVM bietet natürlich über den Netzwerkzugang einen sehr komfortablen, sich selbst konfigurierenden Webradio-Service via vTuner an. Die Sender lassen sich über die optionale Fernbedienung RC 9 oder die kostenlose App AVM RC S (für iOS und Android) unter anderem nach Ländern oder Genres geordnet auswählen, und die Stationslisten bringen sich selbst regelmäßig per Auto-Update auf den neuesten Stand. Die App macht überhaupt einen guten Eindruck: Die durchdachte und hübsch anzusehende Benutzerführung sowie die relativ schnellen Reaktionszeiten machen sie zu einer der besseren Kontroll-Alternativen für Streamer, die ich bisher ausprobiert habe. Gerade beim Browsen in meiner auf dem NAS (Network-Attached Storage, Netzwerkfestplatte) abgelegten Musikdatenbank möchte ich sie bei der Beschäftigung mit den beiden AVM-Geräten nicht mehr missen.
Auch hinsichtlich der Konnektivität mit externen Zuspielern lassen sich SD 3.2 und 5.2 nicht lumpen. Für die Analogwelt stehen zwei Paar unsymmetrische Cinch-Eingänge zur Verfügung, zum Beispiel für den Anschluss einer externen Phonovorstufe oder eines UKW-Radios. Ebenfalls zwei Paar Analogbuchsen können Kontakt mit der/den Endstufe(n) aufnehmen, und zwar jeweils einmal unsymmetrisch (Cinch) und einmal symmetrisch (XLR). Dass die Domäne beider Geräte eher die digitale ist, das macht die Vielzahl der entsprechenden Anschlüsse schnell deutlich. Insgesamt stehen beim AVM Evolution SD 5.2 sieben Buchsen für die Ankunft von Einsen und Nullen bereit, beim Evolution SD 3.2 sind es derer sechs – ihm fehlt der AES/EBU-Port des SD 5.2. Beide Geräte besitzen aber je zwei optische und koaxiale S/PDIF-Buchsen sowie je einen synchronen und asynchronen USB-Port. Letzterer versteht auch DSD64 mit bis zu 2,8 MHz Taktfrequenz, doch DSD128 und DXD bleiben erst mal außen vor.
Der AVM Evolution SD 3.2 von hinten
Hat man einen Mac oder PC an den USB-B-Eingang angeschlossen, kann man treiberlos mit bis zu 96 kHz Samplefrequenz Musik hören, wenn man die Betriebsart „Class 1 USB“ auswählt. Mit dem Mac und der Betriebsart „Class 2 USB“ geht es auch bis 192 kHz ohne Treiber gut – der Windoof-PC braucht dann allerdings Unterstützung, die sich in Form eines Treibers von der AVM-Webseite herunterladen lässt. Egal jedoch, in welcher Taktfrequenz und Auflösung die Musikdaten ankommen, der Nutzer hat immer die Möglichkeit, sie zu jeder beliebigen Samplefrequenz aus der Reihe 44,1, 48, 88, 96, 176 oder 192 kHz hochzurechnen (bei dem Wort „upzusampeln“ stellen sich mir die Nackenhaare auf). Die digitalen Signale kommen pro Kanal in den Genuss einer Behandlung mit gleich zwei DAC-Chips – auch in der digitale Domäne wird symmetrisch gearbeitet. Außerdem lässt sich das Digitalfilter zwischen „Steep“ und „Smooth“ umschalten: „Steep“ wartet mit einer steilen Filterung auf, was einen flachen Amplitudengang, aber leider auch Phasendrehungen mit sich bringt, während „Smooth“ weniger steil filtert und so zwar einen kleinen Amplitudenabfall am Bandende, aber eben geringere Phasendrehungen produziert.
AVM erlaubt es seinen Kunden bei beiden Geräten, die tonale Balance mit Hilfe von Bass- und Hochtonreglern zu beeinflussen. Das war sehr lange verpönt, jedoch kann diese Maßnahme in einigen Kontexten durchaus hilfreich sein. Beim Evolution SD 3.2 und SD 5.2 können die Einstellungen für Bässe und Höhen sogar für individuelle Eingänge oder aber global vorgenommen und gespeichert werden.
AVM ist stolz darauf, dass alle Geräte nicht nur in Malsch, Deutschland, erdacht, sondern auch gefertigt werden. Auch die Zulieferer wählt AVM möglichst lokal aus, sodass man immer die höchstmögliche Einflussmöglichkeit auf die Teile nehmen kann. Diese räumliche Nähe ist ein unschätzbarer Vorteil, den jeder, der sich schon mal über Ozeane und Kontinente hinweg mit Geschäftspartner herumschlagen musste, mit Sicherheit bestätigen kann. Die Qualität der Gehäuse ist entsprechend fein: Keine sichtbaren Schrauben stören die klare Kante des Designs, das in wirklich alle Umgebungen passen dürfte, und die Geräte wirken und fühlen sich so an, als ob sie für lange, lange Zeit ohne Ermüdungserscheinungen ihren Dienst verrichten werden. Um das sicherzustellen, werden laut Hersteller schon während des Produktionsprozesses mehrere Tests zur Qualitätssicherung vorgenommen. Nach dem finalen Zusammenbauen müssen alle Geräte dann in einem Dauertest ihre Zuverlässigkeit unter Beweis stellen, bevor sie einer finalen Inspektion unterzogen und schließlich in den AVM-typischen weichen weißen Stofftüchern eingehüllt verpackt werden. Nicht nur die machen das Auspacken übrigens zur Freude – auch die Haptik der Geräte finde ich gelungen.
Ein Wort noch zur für 490 Euro optional erhältlichen, aufwändig gemachten Fernbedienung: Die RC 9 ist keine rein optische Fernbedienung, sondern funktioniert auch über Funk. Es muss also keine Sichtverbindung zum Gerät bestehen, sodass selbiges theoretisch auch hinter verschlossenen Türen stehen könnte – wenn man das denn wollte. Die Fernbedienung liegt satt in der Hand und erlaubt die komplette Bedienung der Geräte, inklusive des Browsens durch den Musikkatalog per grafischem User Interface auf dem kleinen Farbdisplay. Zur RC 9 gehören auch eine Ladestation und ein USB-Kabel zum Aufladen am Rechner – beziehungsweise mit dem Netzteil an der Steckdose. Je nach Einsatzhäufigkeit ist die RC 9 nach etwa vier bis fünf Tagen reif für eine neue Ladung. Natürlich ist sie auch frei programmierbar.
Test: AVM Evolution SD 3.2 und Evolution SD 5.2 | D/A-Wandler, Netzwerk-Player