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Juli 2016 / Michael Bruß
„Dragonfly“ (eng.) – Libelle, die. Eingeschworene Analogfans werden aber eine potenzielle Doppeldeutigkeit bemerken: Neben dem schillernd bunten Insekt könnte auch die runde Wasserwaage mit im Volksmund gleicher Benennung gemeint sein, mit der man elegant die Unterstellfläche seiner HiFi-Gerätschaften ins Lot bringen kann. Sollen die beiden Libellen also symbolisch auch für ein besonders ausbalanciertes Klangbild stehen?
Nun, AudioQuest (www.audioquest.com) lässt keinen Zweifel daran, dass man zumindest in erster Linie das Flugtier meint – in ähnlich wandelbaren Farben (abhängig von der im Audio-Setup des Rechners eingestellten Samplingrate, nämlich in Rot im Stand-by, Grün bei 44,1 kHz, Blau bei 48 kHz, Bernstein bei 88,2 kHz und Magenta bei 96 kHz) schimmert die Silhouette der „Odonata“ auf dem amerikanischen Kopfhörer-Verstärkerchen mit integrierten D/A-Wandler. Schön! Schön auch, dass wir nun mit gleich zwei neuen Modellen aus Kalifornien beglückt werden: Einmal wäre da der direkte Nachfolger des bekannten DragonFly in Schwarz – der Preis sinkt dabei von ehemals 199 Euro auf 99 Euro –, der sinnigerweise DragonFly Black getauft wurde (das ursprüngliche Modell nennt man nun zur Abgrenzung DragonFly 1.2). Und dann wäre da das zweite, neue, glänzend rote Modell namens DragonFly Red, das wie der Erstling 199 Euro kostet.
Kaum ein anderes Tool dieser Gattung dürfte solch einen Einfluss auf die hochwertige Computeraudiowiedergabe per Kopfhörer gehabt haben wie der originale AudioQuest DragonFly USB-DAC – ohne jetzt in Lobhudelei verfallen zu wollen. Der DragonFly war klein, relativ erschwinglich und einfach zu verwenden. Ein kleines Problem gibt es jedoch mit dem ersten DragonFly, und das ist der Strombedarf. Direkt am Smartphone lässt sich ein DragonFly 1.2 nicht betreiben, dazu saugt der verwendete Mikrocontroller-Chip Texas Instruments TAS1020B zu heftig an der Batterie des Telefons.
AudioQuests DragonFly Black und Red besitzen einen analogen 3,5-mm-Klinkenausgang
Die beiden USB-Stick-großen neuen Modelle können laut AudioQuest nun bedenkenlos an portablen Geräten wie Smartphones oder Tablets eingesetzt werden – dazu ist ein Adapter von Micro-/Nano-USB beziehungsweise dem jeweiligen Apple-iPhone-Anschluss auf USB-A (weiblich) erforderlich. Für die üblichen Android-Geräte gibt es den AudioQuest DragonTail, Besitzer eines iPhones mit Lightning-Anschluss finden im Apple-Sortiment eine entsprechende Lösung. Dank der Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Spezialisten Microchip Technology konnte man in beiden Modellen einen auf einer 32-Bit-Architektur aufbauenden Mikrocontroller namens PIC32MX einsetzen, der laut AudioQuest die Leistungsaufnahme um 77 % sinken lässt und gleichzeitig den Rauschabstand verbessert, so dass unabhängig von Samplingrate und Bittiefe ein deutlich höherer Wirkungsgrad erzielt werden kann.
Der DragonFly Black als neues Einstiegsmodell liefert mit 1,2 Volt übrigens etwas weniger Ausgangsspannung als der Erstling DragonFly 1.2, der 1,8 Volt in die Kopfhörerzuleitung schickte – der Red liefert mit 2,1 Volt dagegen mehr. Die digitale Lautstärkeregelung des Modells Red ist direkt in den DAC-Chip integriert, nennt sich „64-Bit Bit-Perfect“ und arbeitet laut AudioQuest mit etwa doppelt so vielen Lautstärkestufen wie die analoge Regelung im Black. Nativ können beide neuen Modelle PCM-Daten mit 24 Bit/96 kHz decodieren.
Audio-Manager von MacOS
Dateien mit einer höheren Samplingrate werden entsprechend heruntergerechnet. Dabei ist zu beachten, dass der jeweilige Quellrechner möglichst passend auf die Auflösung des Musikmaterials eingestellt wird (der Screenshot oben zeigt beispielhaft den Audio-Manager von MacOS), denn ansonsten müssen die Chips in den DragonFlys Extraarbeit leisten … Auf die Frage, warum man sich denn auf eine Auflösung von 96 kHz beschränkt, lautet die Antwort: „Obwohl die DAC-Chips, die wir ausgewählt haben, außergewöhnlich hoch entwickelt und leistungsfähig sind, haben wir die Signalverarbeitung im DragonFly Black und im DragonFly Red bewusst auf die Auflösung 24 Bit/96 kHz begrenzt. Das macht den Einsatz der DragonFlys so einfach: Sie sind voll PC-kompatibel, ohne dass neue Treiber heruntergeladen und installiert werden müssen.“ DSD-Dateien bleiben übrigens erst mal komplett außen vor.
Der 32-Bit-Wandlerchip ESS 9010 im AudioQuest DragonFly Black soll die Klangqualität des im Vorgänger eingesetzten ESS 9023 bereits deutlich übertreffen, da er mit einem Digitalfilter arbeitet, bei dem minimale Phasenfehler im Vordergrund stehen. Allgemein steht diese Filterauslegung im Vergleich zum strikt frequenzgangneutralen Filter, der dafür aber unweigerlich Phasendrehungen verursacht, im Ruf, sanftere, natürlichere und dynamisch feiner abgestufte Klänge zu erzielen. Wie dem auch sei, auch der im DragonFly Red eingesetzte ESS 9016-Wandlerchip bedient sich dieser Filtercharakteristik und soll eine nochmals bessere Performance als der ESS 9010 des DragonFly Black bieten.
AudioQuest verspricht, in absehbarer Zeit eine neu entwickelte, kostenlose Software für Windows- und Mac-OS-Desktops zu liefern, die zukünftig das Aufspielen von Software-Updates (Musikabspielprogramme, Streamingprotokolle) auf DragonFly Black und Red ermöglicht. Zum Zeitpunkt, an dem diese Zeilen in die Tastatur fließen, ist die App allerdings noch nicht verfügbar.
An der Verarbeitung der beiden Libellen gibt es übrigens nichts auszusetzen: Beide Modelle fühlen sich solide an und liegen gut in der Hand. Die mattschwarze Beschichtung des Black neigt ein wenig zum Zerkratzen. Die glänzend rote Lackierung des Red erscheint mir grundsätzlich widerstandsfähiger, rutscht aber auch leichter aus den Fingern. Die Kappen über den USB-Anschlüssen sitzen schön fest, das verhindert, dass sie versehentlich abgleiten und verloren gehen. Der Formfaktor passt eh, so dass man hier von einem insgesamt wertigen und intuitiv zu handhabenden Produkt sprechen kann.
Test: AudioQuest DragonFly Black & Red | D/A-Wandler