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„Alles Leben strebt nach Verbesserung“, stellte Karl Popper einmal fest. Logo, das gilt natürlich auch für uns Musikvielhörer und unsere Anlagen. Bei mir poppte aus verschiedenen Gründen das Thema „Netzkabel“ mal wieder auf, nachdem in jüngerer Zeit neue Lautsprecher (Wilson, Sehring) und Lautsprecherkabel (Kimber) sowie eine neue Server-Streamer-Kombi (Melco) in meinen Hörraum einzogen. Von Verbesserungen nicht ausschließlich die eigenen Ohren profitieren zu lassen, sondern die gewonnenen Eindrücke bei ausgewählten Geräten per Testbericht weitergeben zu können, ist eine schöne Synergie: In diesem Sinne kam bei mir gleich doppeltes Interesse auf, als ich erfuhr, dass Firmenchef und Entwickler Thomas Kühn nach dem Ampère S nun endlich sein „großes“ Netzkabel Audioplan Ampère L (1.300 Euro | https://www.audioplan.de) an den Start bringt.
Kabelklang und der Beipackzettel …
Auch wenn wir Gefahr laufen, uns in den entsprechenden Testberichten zu wiederholen: Audiokabel üben auf den Sound natürlich weniger Einfluss aus als etwa Lautsprecher oder Verstärker, auch wenn das in den Klangbeschreibungen nicht jedes Mal extra Erwähnung findet. Nichtsdestotrotz empfinde ich die klangliche Signatur des Audioplan Ampère L für ein Netzkabel als überdurchschnittlich signifikant.
Grundsätzlich gibt‘s für jedes halbwegs sauber konfigurierte Audiosystem einen Geldbetrag X, den es eher lohnt in hochwertige Kabel zu investieren als beispielsweise in nochmal etwas bessere Lautsprecher. Und ja: Eine insgesamt nachlässige Verkabelung („… und noch mehr gilt das für Raumakustik“, höre ich Sie murmeln. Stimmt.) kann den Sound selbst (oder gerade) bester Komponenten regelrecht zusammenbrechen lassen.
Die Frage nach dem letzten Meter: das Audioplan Ampère L als Leiter und Filter
Jede vernünftige Audiokomponente arbeitet netzseitig mit gewisser Filtertechnik, denn das Ur-Signal jeglichen Sounds, die Basis jeder weiteren Signalgenerierung und -verarbeitung kommt schließlich aus der Steckdose. Durch die Einflüsse der heutigen Technikdichte (vom Schaltnetzteil bis zur E-Autoladestation) ist unser Steckdosenstrom selten „naturbelassen“. Und freilich kommt es darüber hinaus zwischen den Audiogeräten selbst zu ungewollten, wechselseitigen Beeinflussungen.
Den Umstand, dass jedes Kabel – ähnlich wie ein Netzfilter – ohmsche, induktive und kapazitive Eigenschaften aufweist, will sich Audioplan mit seinen Ampère-Netzkabeln gezielt zunutze machen. Darüber hinaus sollen sie von außen per HF/RFI einwirkende Störungen in Schach halten. Die Filterwirkung des Ampère L rührt dabei ausschließlich von der Leiter-Schachtelung und den verwendeten Materialien, beispielsweise der Dielektrika, in Kombination mit leitfähigen Dämpfungsfasern her. Thomas Kühn betont, dass kein Ferrit (induktiv wirkende Ferrit-Ringe haben viele bestimmt schon mal an Kabeln gesehen) eingesetzt wird: „Ferrit hat meines Erachtens eine extreme klangliche Signatur: Sauber, aber kleine Abbildung, farb- und leblos sowie dynamikarm, was vermutlich auch mit dem stark frequenzabhängigen Dämpfungsverhalten zusammenhängt.“
Wobei der verlustarmen Übertragung gerade von impulsförmigen Ladeströmen (Stichwort: Dynamik) generell hohe Priorität zukommen muss. Eine hohe Induktivität ist daher – Filterwirkung hin oder her – insbesondere bei Netzkabeln klanglich kontraproduktiv. Ein offenkundiger Aspekt, dem beispielsweise auch Hans Martin Strassner von HMS (siehe Test HMS Energia Suprema, inklusive weiterer Erläuterungen zu den sogenannten „Ausgleichströmen“) mit seinen bewusst niederinduktiv gehaltenen Netzkabeln hohe Bedeutung beimisst. Eine besonders niedrige Induktivität ist für Audioplan, anders als für HMS, allerdings kein Entwicklungsziel, vielmehr gelte es, das Zieldilemma aus guter Dynamik und Filterwirkung optimal auszuloten.
Gleichwohl stellt die Kapazität von Netzkabeln einen geeigneteren Hebel dar, um hochfrequenten Störungen den Garaus zu machen. Unter den äußeren Mantel- und Isolationsschichten des Audioplan Ampère L finden sich zu diesem Zweck mit leitfähigen Beschichtungen versehene Dämpfungsfasern, die wie dünne, schwarze Borsten aussehen und das kapazitiv im Kabel aufgebaute Potential ableiten. Das Feintuning der Filterwirkung erfolgt über verschiedene Dielektrika und deren Beschichtungen, was eine zusätzliche Kontrolle über die Ausbreitung hochfrequenter Ströme ermöglichen soll. All das erfordere, so Audioplan, viel Handarbeit „die es erst ermöglicht, bestimmte Dämpfungseigenschaften zu erzielen, weil Maschinen bei diesem Prozess nur ‚Kabelsalat‘ produzieren würden“.
Sogar Selbstinduktionseffekte durch mechanische Eigenschwingungen brachte Audioplan bei der Entwicklung seiner Ampère-Netzkabel aufs Tapet. Bei 230-Volt-Netzkabeln theoretisch weit weniger plausibel als bei NF- und Lautsprecherkabeln, verheißt Thomas Kühn mit Blick auf die gezielte mechanische Beruhigung (Audioplan-CRC-Technik) dennoch „bessere Dynamik, Klarheit, Feinzeichnung und Sauberkeit“.
Von typischen Schirmungen, die nicht zuletzt Störeinflüsse des Netzkabels auf benachbarte Kabel oder Komponenten unterbinden, hält Thomas Kühn, wie durchaus eine ganze Reihe anderer Entwickler auch, wenig. Die Reduzierung des Streufeldes geschieht beim Audioplan Ampère L über die Aufteilung und spezielle Verschachtelung der Leiter. Der Gesamtleiterquerschnitt des Ampère beträgt fünf Quadratmillimeter, aufgeteilt auf insgesamt vier Leiterlitzenbündel à 1,25 Quadratmillimeter – hinzu kommt noch ein PE-Leiter.
Die Leiter bestehen übrigens allesamt aus Reinkupfer – von einer Versilberung sieht Audioplan mittlerweile ab, allein schon der Filterwirkung wegen, da Silber gerade auch für Hochfrequenzstörungen ein besonders guter Leiter und mithin großes Einfallstor ist. Viel interessanter sind aber die verwendeten ATL-Stecker mit ihrem Reinkupferleitermaterial, das zudem ohne jegliche Beschichtung (häufig ja Goldlegierungen, Silber, Platin/Palladium, Rhodium …) auskommt: „Alle Edelmetalle haben für mich klar hörbare Signaturen, die ich nicht haben möchte“, sagt Thomas Kühn. Durch einen eigens entwickelten Bearbeitungsprozess erreiche man dennoch die für die mechanischen Belastungen von Netzsteckern notwendige Härte.
Ich habe die Audioplan Ampère L während des mehrmonatigen Hörzeitraums zigmal mit meiner HMS Energia MkII -Filternetzleiste verbunden und getrennt. Größere mechanische Spuren lassen sich tatsächlich nicht entdecken, da sehen goldbeschichte Kontakte häufig schlechter aus. Empfindlicher ist da schon der schicke blaue Außenmantel des Kabels, der bei den Fotoarbeiten erste kleine Fäden gezogen bekam. Eine Entwarnung kann ich mit Blick auf die Flexibilität der Ampère L geben: Frühere Audioplan-Netzkabel waren durchaus für ihr störrisch-steifes Verhalten berüchtigt; der Biegeradius des Ampère L liegt hingegen klar unter zehn Zentimetern.
Audioplan Ampère L: Klangtest & Vergleiche
Geräte und Zubehör aus dem Hause Audioplan sind Eines gewiss niemals: tonal hell, silbrig, harsch, hart oder in irgendeiner anderen Art und Weise klanglich anstrengend. Wer sich mit Thomas Kühn länger unterhält, erfährt dann auch, dass ein neutrales Klangbild zwar stets das Ziel sei, es aber insbesondere jedwede Form von „Hörstress“ tunlichst zu vermeiden gilt.
Ein Ansinnen, das sicherlich mit ursächlich dafür ist, dass sich um Audioplan herum seit der Gründung vor über 40 Jahren eine stetig wachsende Fangemeinde entwickelte, zu der – so jedenfalls meine Einschätzung – nicht selten erfahrene und intensiv hörende Musikliebhaber zählen. Und dieses Ansinnen ist bestimmt auch der Grund dafür, dass unsere bisherigen Audioplan-Testberichte tendenziell eher von „verzeihenderen“ oder „wärmeren“ Klangeindrücken als von „kompromisslos harter highfideler Lehre“ zeugen.
Ich spoiler mal ein wenig: Allein schon vor diesem Hintergrund – aber nicht ausschließlich – geht das Audioplan Ampère L als etwas Besonderes durch. Doch der Reihe nach:
Ganz offensichtlich: die Tonalität
Starten wir mit den Pflichtübungen und gleichzeitig dem Offensichtlichsten: In Sachen Tonalität ist von wärmerer Abstimmung oder zurückgenommenen Höhen überraschenderweise nicht die Bohne zu spüren. Von schlanker Abstimmung oder offensiven oberen Lagen – schon weniger überraschend für ein Audioplan-Kabel – ebenso wenig.
Das kürzlich getestete HMS Energia Suprema mutet nicht zuletzt aufgrund seiner dezenteren Hochtonabstimmung wärmer an, das (eigentlich ebenfalls sehr neutrale) Kondo KSL-ACc Persimmon weist hingegen einen etwas funkelnderen Hochton auf. Und das Audioplan Ampère L mimt mittenmang quasi die Rolle des unbestechlichen Studiomonitors. Aber halt, das neutrale Kondo-Netzkabel ist funkelnder und der Audioplan-Binder im Grunde noch unbestechlicher – wie geht denn das? Wir kommen drauf zu sprechen, wenn es in diesem Bericht an die Kür geht …
Energie und Raum
Zunächst noch ein paar Worte zur Räumlichkeit: Ja, vielleicht ist es technisch platt zu erwarten, dass sich durch eine „barrierefreiere Energiezuleitung“ zu einem Verstärker (ich hatte das Audioplan Ampère L sowohl an meinem Funk MTX als auch die Endstufe Norma Norma Revo PA 150 geklemmt) dessen räumliche Abbildung stärker aufpumpen kann. Dennoch nehme ich über hochwertige Netzkabel häufig eine ausgedehntere, größere Bühne wahr. So auch beim Audioplan Ampère L, das in dieser Sache mit dem HMS und Kondo auf Augenhöhe spielt – mein preiswerteres (und dafür ganz hervorragendes) Quantum Powerchord beispielsweise engt die Bühnenbreite hingegen etwas ein.
Schwarzhören und der Bass
Pari sind die verschiedenen Netzkabel auch mit Blick auf den Basstiefgang, wenn man davon absieht, dass das HMS Energia Suprema untenrum schon eine tolle Schwärze entwickelt – eh eine Schokoladenseite des Suprema – und sich dafür das Timing des Audioplan Ampère L noch leichtfüßiger anfühlt. Eine der weiteren Paradedisziplinen des HMS-Netzkabels ist der gefühlt „schwarze Hintergrund“, sprich die Abnahme unterschwelligen Grissels im Vergleich zu vielen anderen Kabeln. Woraus nicht zuletzt eine klarere, eindeutigere Raumabgrenzung zwischen Instrumenten resultiert. Hier spielt natürlich das Thema Immunität gegenüber Störeinflüssen eine Rolle. Im Hinblick auf diese Qualitäten hält das Audioplan Ampère L ebenfalls voll mit – und setzt im Zweifelsfall auch gegenüber dem HMS-Netzkabel sogar noch einen drauf:
Einen drauf gesetzt: Transparenz + Fokus
Denn in Sachen Transparenz, der Offenlegung selbst feinster Klangstrukturen ist das Ampère L nicht zu toppen – und das, wie gesagt, ohne jegliche Tricksereien wie etwa einen besonders frischen Hochton. Die Definition und die räumliche Abgrenzung von Instrumenten werden dadurch weiter befördert. Die Präzision des Audioplan Ampère L kommt allerdings nicht von ungefähr, sondern rührt meinem Empfinden nach aus drei besonderen Qualitäten: Die Reinheit erwähnte ich ja bereits, die beim Ampère L vielleicht noch bemerkenswerter ist als beim Energia Suprema, da es hochtonseitig eben nicht abmildert.
Nicht ohne Grund präzise …
Okay, mein Kondo KSL-ACc Persimmon funkelt – siehe oben – in den oberen Lagen schon noch stärker als das Audioplan-Netzkabel. Aber: Der eigentliche Unterschied und für mich die zweite Qualität, die auf die Präzision des Audioplan Ampère L einzahlt, ist etwas, das man nicht zuletzt sehr gut an Hi-Hats festmachen kann:
Während sich mit dem japanischen Binder eine subtile, diffuse Aura um und über die feinen Impulse legt, die man als Nebel, aber ebenso als vermehrte angenehme Luftigkeit oder eben Funkeln interpretieren kann, muten Hi-Hat-Sounds über das Audioplan Ampère L eindeutiger umrissen, weniger ausgefranst und wie von weniger, dafür klarerer Luft umgeben an. Es treten dadurch auch mehr Feinstinformation über die Texturen dieser (nur scheinbar simplen) Töne zutage. Die etwas luftigere, offenere Note umweht mithin das Kondo. Ich empfinde die Wiedergabe über das Audioplan Ampère L dennoch als definierter, fokussierter und schlussendlich authentischer.
Einflussfaktor Nummer drei auf die Präzision und ein besonderes Highlight des Audioplan-Netzkabels ist die Unverschliffenheit, die Linientreue, die Unverzerrtheit bei der Wiedergabe sowohl fein- als auch grobdynamischer Impulse. Ein Charakterzug, den man – siehe oben – sowohl beim analytischen Hören bemerkt (schnelle Hi-Hat-Transienten „verwackeln“ über das Audioplan Ampère L nicht, würde man in der Fotografie sagen) als auch beim ganzheitlichen Einfach-nur-Musik-genießen: Das Gebote mutet schlichtweg einen Tick energetischer, anspringender an.
Entspannt gebannt
Unterm Strich folge ich der Musik mit den Audioplan Ampère L ebenso gebannter wie müheloser. Lediglich ausgemachte „laid back“-Hörer, denen ein wenig Schönfärberei durchaus zupasskommt, mögen das vielleicht anders empfinden. Ich selbst habe an meiner Norma-Endstufe über die Wochen immer wieder mal spontan die verschiedensten Netzkabel durchgewechselt, ohne dabei gleich im Arbeitsmodus angestrengt die Ohren zu spitzen: Die Ampère L brachten unterschwellig jedes Mal diesen speziellen Drive ins Musikgeschehen, der sich involvierender und schlüssiger anfühlte.
Test-Fazit: Audioplan Ampère L
Um es vorweg zu nehmen: „Das“ perfekte Netzkabel gibt es nicht. Allein schon, weil ich finde – trotz häufig zu hörender gegenteiliger Meinung –, dass hochwertige Kabel dem Klang durchaus eine individuelle Würze geben oder den Sound der Anlage in eine gewisse, gewünschte Richtung „biegen“ dürfen. Dass es für solch Ansinnen geeignetere Netzkabel als das Audioplan Ampère L gibt, machen die obigen Ausführungen ja deutlich.
Obwohl: Das Ampère L wird regelmäßig für stärkeres dynamisches Profil, nebelfreiere Definition von Konturen und Texturen sowie letzten Endes für vermehrte Spannung sowie Facettenreichtum sorgen – und damit bestimmt so etwas wie eine „offensivere“ Musikwiedergabe suggerieren. Was insbesondere perfekt ausgewogen oder milder abgestimmten – und nicht von Haus aus zu hart tönenden – Anlagen weiteren Rückenwind verleihen wird. So oder so gilt: Das Audioplan Ampère L ist das gefühlt durchlässigste, verzerrungsärmste Netzkabel, das ich bis hier und heute testen, wenn nicht sogar hören durfte.
Fakten:
- Modell: Audioplan Ampère L
- Konzept: ungeschirmtes Netzkabel mit gezielter Filterwirkung
- Preis (1,5 m): 1.300 Euro inkl. Schuko-Stecker Audioplan APM16Cu (Einzelpreis: 130 Euro), Kaltgerätestecker AP320Cu (Einzelpreis: 80 Euro), optional mit 20-A-Kaltgerätestecker APF20Cu (Einzelpreis: 100 Euro), 50 Euro zzgl. für jede zusätzliche 10 Zentimeter Länge
- Geometrie/Leiterquerschnitt: vier verschachtelte Leiterbündel à 1,25 Quadratmillimeter plus PE-Leiter
- Sonstiges: potenzialableitende, leitfähige Dämpfungsfasern, unbeschichtete Reinkupferstecker
- Garantie: 2 Jahre
Hersteller & Vertrieb:
Audioplan Thomas Kühn e.K.
Goethestr. 27 | D-76316 Malsch
Telefon: +49 (0)7246-1751
E-Mail: info@audioplan.de
Web: https://www.audioplan.de/home.html
Test: Audioplan Ampère L | Netzkabel