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Der AKG K872 darf seine Talente unter anderem an meinem SPL Phonitor mini Kopfhörerverstärker beweisen.
Nach einer ausgiebigen Einspielphase beginne ich den Hörcheck mit Lianne La Havas Album Blood (auf Amazon anhören). Eine gute Wahl, wie mir gleich der erste Track, „Unstoppable“, bestätigt. Die fetten Bass-Beats bringt der K872 so satt, präzise und druckvoll rüber, dass ich fast meine, die tiefen Töne auch körperlich zu spüren – was ja eigentlich nur bei raumfüllender Musik möglich ist. Wobei – vielleicht tragen die sehr großen Gehäuse und der weite Bereich, mit dem der Kopfhörer auf dem Kopf aufliegt, ja wirklich zu einem zumindest am Kopf fühlbaren Bass bei. Die Stimme von Frau La Havas schwebt dabei frei und ungemein detailreich über den fetten Beats, während die Begleitinstrumente sich perfekt ins musikalische Geschehen einfügen und sich an den „Rändern“ des Geschehens noch ein paar witzige elektronische Details bemerkbar machen. Je länger ich höre, desto mehr Details, Einfälle und Ideen fallen mir bei diesem Stück auf, das zunächst den Eindruck macht, eher gefälliger Mainstream zu sein. Das ist schon mal absolut überzeugend.
Außergewöhnlich ist die vergleichsweise weiträumige Abbildung des K872. Geschlossene Konstruktionen bringen Musik meist relativ nah an die Ohren; dem geschlossenen AKG K872 gelingt allerdings das Kunststück, vergleichsweise weiträumig und dabei extrem hoch auflösend zu klingen. Ok, sein Bruder, der offene K812, klingt räumlich nochmals größer, aber im Vergleich zu anderen geschlossenen Kopfhörern macht der AKG K872 eben schon eine üppige Bühne auf.
Das muss ich gleich mal mit einem meiner geschlossenen Lieblings-Kopfhörer, dem (dreimal günstigeren) Beyerdynamic DT 1770 Pro, querchecken. Und in der Tat – der bildet im Vergleich zum AKG deutlich kompakter ab. Der Beyerdynamic klingt nicht nur räumlich enger, sondern auch zwischen den einzelnen Tönen scheint der DT 1770 Pro weniger „Platz“ zu lassen, was im Endeffekt heißt, er bietet weniger „Raum“ für Feinheiten und Details. Markus Millers Album Afrodeezia (auf Amazon anhören) kommt über den AKG jedenfalls entspannter und gleichzeitig einen Hauch präziser rüber. Der Beyerdynamic klingt etwas anspringender, unmittelbarer und näher am Geschehen, der AKG dagegen stärker laidback, und diese Entspanntheit nutzt er, um sich stärker um Details zu kümmern.
Zur Beurteilung der stimmlichen Lagen ziehe ich Amy Winehouse heran, Back to black (auf Amazon anhören). Die Stimme der verstorbenen Sängerin entpuppt sich bei genauem Hinhören als sehr komplex. Hier spielt der AKG sein hohes Differenzierungsvermögen gnadenlos aus. Jedes Detail, die seltsame Brüchigkeit der Stimme, die der Sängerin eigene Artikulation und Modulation – alles arbeitet der geschlossene AKG phänomenal heraus. Bei alledem stellt er Ms Winehouse vergleichsweise frei dar und schafft Raum zwischen Sängerin und den Begleitinstrumenten, sodass ich der Stimme sehr klar folgen kann. Der Beyerdynamic klingt dagegen etwas geschmeidiger und bildet das Klanggeschehen vor allem dichter ab. Das hat durchaus seinen Reiz, schafft es doch eine größere Intimität, „richtiger“ (und breitbandiger) klingt hier aber der AKG.
Der AKG K872 am Opera Consonance Cyber 20 mk2
Tonal gibt sich der K872 neutral. Das heißt meiner Meinung nach vor allem, dass die Entwickler in Österreich ihre Hausaufgaben gemacht und ihren Studio-Kopfhörer mustergültig abgestimmt haben. Der K872 spielt dabei breitbandig, geht, wie schon gesagt, in den Bässen sehr tief herunter und in den Höhen weit hinauf. Ok, tiefe Bässe und luftige Höhen können andere Kopfhörer wie etwa der eingangs angeführte Fostex TH-900 (circa 1.700 Euro) auch, aber der Japaner gönnt sich dabei explizit einen Wohlfühl-Frequenzgang, der schon eine gewisse Badewannenqualität mit sich bringt. Der MrSpeaker Ether C (circa 1.900 Euro) dagegen ist ebenfalls vergleichsweise neutral, kommt im Hochton aber nicht ganz an die Offenheit des AKGs heran.
Nach Checkliste ist der AKG K872 klar einer der besten geschlossenen Kopfhörer, die man für Geld kaufen kann. Selbst Symphonisches lässt sich genussvoll über ihn hören, denn selbst für ein großes Orchester reicht seine weite Abbildung aus. Das ist bei geschlossenen Kopfhörern eine seltene Qualität. Wobei ich speziell für solche Musik den offenen AKG K812 trotzdem bevorzugen würde.
Dire Straits, Brothers in Arms, „Your latest Trick“ – zum Schluss muss es das mal wieder sein. Das Stück bestätigt meine bisherigen Eindrücke: Der AKG spielt vergleichsweise weiträumig, sehr detailliert und breitbandig – und kommt einem sehr bewussten, „analytischen“ Hören entgegen. Auf den Hochton des K872 bin ich dabei noch gar nicht detailliert eingegangen: Ich würde ihn als analytisch-korrekt bezeichnen wollen. Denn auch hier spielt dieser geschlossene Hörer sein wunderbares Auflösungsvermögen aus, verschmiert oder verzischelt nichts, sodass man seine klare Diktion auch in den obersten Lagen sehr gerne hört.
Test: AKG K872 | Kopfhörer