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Auch wenn die Geräte von Accustic Arts bereits werkseitig gründlich eingespielt werden, von 200 Stunden ist die Rede, kann ein Wochenende zum weiteren Einspielen ja nicht schaden. Danach darf der Tube Preamp II meine etwas ältere, aber immer noch klaglos ihren Dienst verrichtende Gryphon Elektra, eine ehemalige Referenzvorstufe des dänischen Edelherstellers und ehemals immerhin für 18.000 D-Mark im Angebot, ersetzen.
Zum Aufwärmen ist kein konzentriertes „Testhören“ angesagt – es steht einfach nur stressfreies Musikhören auf dem Programm. Häufig liegt derzeit die CD Lento von Youn Sun Nah in meinem Ensemble-Laufwerk. Klasse Aufnahme, eher ruhige bis sehr ruhige Stücke.
Der Accustic Arts verhält sich zunächst recht unauffällig. Die mir bekannten Stücke scheint er nicht wesentlich anders als gewohnt wiederzugeben. Gut, das Klangbild mag etwas weiter nach hinten gerückt sein, es tönt nicht ganz so unmittelbar wie mit der Elektra. Und vielleicht klang Frau Nahs Stimme bei Nine-Inch-Nails‘ „Hurt“ zuvor minimal härter und dafür jetzt etwas weiblicher, auch die Zischlaute verlieren ein wenig von ihrer Direktheit. An Johnny Cashs erschütternde Coverversion des Songs hätte sie wohl auch nach einer komplett durchzechten Nacht nicht herangereicht. Wenn sie es nun einfach mal mit „nur schön“ versucht, soll es mir recht sein. Tonal sind jedenfalls keine Auffälligkeiten zu registrieren. Alles stimmig soweit.
Eine weitere Frauenstimme, aber diesmal nicht mehr ganz so glatt geföhnt wie auf der ACT-Aufnahme. Sollte Kerstin Asbjornsens charakteristisch rauer Tonfall auf ihrem neuesten Album I’ll met you in the morning auf den vermutlich hohen Lebertrankonsum im nördlichen Norwegen zurückzuführen sein? Wirklich beantworten kann mir der Accustic-Arts-Vorverstärker diese Frage auch nicht. Dafür bringt er Asbjornsens leicht kratzigen Einschlag beim Operner „Take my mother home“ ohne Abstriche zu Gehör und meine Sorge, dass der Tube Preamp mit seinen „Tubes“ allzu sehr auf Wohlklang ausgerichtet ist, verflüchtigt sich umgehend. Entweder man mag die Art, wie Asbjornsen artikuliert, oder eben nicht. Der Tube Preamp II ist kein Weichzeichner. In der Tat dürfte der Terminus Natürlichkeit, gepaart mit einer guten Portion Unaufgeregtheit, den Accustic Arts recht treffend beschreiben.
Unaufgeregt? Das klingt jetzt ein wenig nach gepflegter Langeweile, womit man im Falle des Preamp II aber todsicher und meilenweit daneben liegen würde. Es hat überhaupt nichts Langweiliges an sich, wenn der Accustic Arts stoische Gelassenheit demonstriert und – dank ausgeprägter Ortungschärfe zu präziser Abbildung fähig – den Hörer auch noch im größten Klanggetümmel in die Lage versetzt, die beteiligten Akteure eindeutig identifizieren zu können. Wieder ist es die Stimme Kerstin Asbjornsens, die in „Dreaming of the North“ auf Ketil Bjornstads Opus Seafarer’s song mit einer ekstatisch aufspielenden E-Gitarre und der Solotrompete von Nils Petter Molvaer konkurrieren muss. Kein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen, weil der Accustic Arts dabei sehr gekonnt die Kontrolle behält. Alle drei Linien – Gesang, Gitarre und Trompete – lassen sich mühelos bis zuletzt verfolgen. Das ist die Souveränität, mit der große Vorverstärker beeindrucken können, während so manchem Vorstufenheißsporn im Ernstfall allzu schnell die Übersicht verloren geht.
Am wichtigsten aber: Diese Vorstufe klingt wie bereits angedeutet außergewöhnlich natürlich! Das kann man von einem Spitzenprodukt dieser Gattung wohl auch erwarten, meinen sie? Einhundert Prozent Zustimmung meinerseits. Ist unser Proband deshalb auch außergewöhnlich neutral abgestimmt? Hm, jetzt wird es etwas diffizil. Legen wir die gnadenlose Neutralität eines klassischen Studiopreamps, wie etwa die eines Funk MTX Monitor zugrunde, könnten ein paar Pünktchen fehlen.
Aber wie neutral kann ein Röhrenamp sein, ohne seine Gattung gleich komplett zu verleugnen? Der Accustic Arts Preamp II M2 exerziert es vor. Grundsätzlich der Wahrheit verpflichtet, denn schließlich hat die Firma Accustic Arts ihre Wurzeln auch in der Studiotechnik, rundet ein Hauch von Wärme das Ganze ab. Und zwar gerade so viel, wie es braucht, um Stimmen und Instrumente den entscheidenden Tick fließender, lebendiger, einfach mitreißender zu reproduzieren. Was das bringt? Im Verbund mit den kanadischen OTL-Verstärkern von Tenor Audio zum Beispiel einen Klarinettenklang, der dem echten Konzerterlebnis gespenstisch nahe kommt (Antonio Casimir Cartellieri „Concert für zwei Clarineten in B-Dur“ auf Audio-DVD, Dabringhaus & Grimm). Wirklich nahe.
Dabei reicht es freilich
nicht aus, nur den Klang der Blasinstrumente so genau wie möglich
reproduzieren zu können, denn im Konzert
erhalte ich zusätzlich ja auch ganz selbstverständlich Informationen über
die Größe der Instrumente, sowie deren Position und Beziehung im Raum
geliefert. Und zuhause?
Luftig und randscharf bildet der Tube Preamp II die Klangkörper ab. Dreidimensionalität? Absolut gesehen ja, wobei er sich der hyperrealistischen Plastizität mancher Kollegen aus der ersten Liga vornehm enthält.
Inwieweit es überhaupt Sinn macht, gehörmäßig um ein Schallereignis herum laufen zu können, möge jeder für sich entscheiden. Im Abonnementkonzert auf meinem Platz in der achten Reihe, die Augen geschlossen, entspricht die hörbare Perspektive allerdings ziemlich genau dem, was der Accustic Arts abliefert.
Da ist offenbar recht viel von der schwäbisch bodenständigen Art seiner Erbauer in den Preamp eingeflossen. Es kommt daher nicht überraschend, dass er selbst ausgesprochen kritische Ohren mit korrekten Dimensionen verwöhnen kann. Zoomeffekte, denen sich meine Gryphon Elektra zuweilen bedient und die dazu führen, dass Solisten deutlich größer als in natura abgebildet werden, kennt er nicht. So bewahren die Instrumente beider Klarinettisten auch während der superben Kadenz im dritten Satz ihre natürliche Statur und Größe.
Wo genau Dabringhaus & Grimm das Konzert mit dem Czech Philharmonic Chamber Orchestra aufgenommen haben, entzieht sich zwar meiner Kenntnis, laut Accustic Arts Tube Preamp II handelt es sich aber um eine ausgedehnte, wenn auch nicht exorbitant riesige Bühne. Darauf platziert er das nicht allzu große Orchester, präzise in Tiefe und Breite gestaffelt. Mit meiner Gryphon Elektra gerät die Projektion des Raumes flacher, breiter und größenmäßig weniger eindeutig umrissen. Einer röhrenbestückten Nagra PL-L wäre es, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, ebenfalls nicht gelungen, in dieser Hinsicht am Preamp II vorbeizuziehen. Auch wenn mir derzeit keine preislich adäquate Konkurrenz aus aktueller Produktion zum Vergleich zur Verfügung steht, hege ich keinen Zweifel, dass der Accustic Arts mit seiner verbindlichen Art der Raumdarstellung auch in seiner doch schon ambitionierten Preislasse Glanzpunkte setzen kann.
Test: Accustic Arts Tube Preamp II Mk2 | Vorstufe