Inhaltsverzeichnis
Beginnen möchte ich mit einer Empfehlung: Als Tester neigt man dazu, neuem Equipment, das einem vor die Flinte kommt, mit der immer gleichen Musik auf den Zahn fühlen zu wollen. Schnell greift man in die Schatulle (oder den Netzwerkordner) mit Dire Straits, Donald Fagen und Konsorten. Und wie froh ist man, wenn es mal wieder neue, frische Musik gibt, mit der man eine Komponente in so ziemlich allen Disziplinen aus der Reserve locken kann. Vorhang auf für die Band Alt-J. Dieses Trio aus Leeds macht eine ziemlich wirre und sehr spannende Musik, in der sich komplexe Vokalpassagen mit einem ausgesprochen akzentuierten Schlagzeug, verrückten Synthesizersounds und weitflächigen Gitarrenpickings vermählen. Und das Ganze ist noch dazu sehr, sehr gut produziert.
Also gleich mal den Song „Fitzpleasure“ eingelegt. Dieser fördert sehr schnell das zutage, was sich später auch mit anderer Musik bestätigen wird: Der Abacus Dolifet kann zwei Dinge wirklich ganz besonders gut: Dynamik und Bühne. Der recht komplex arrangierte Song liefert ja im Grunde alles, was der Tester so braucht: dichte Vokalarrangements, zappeliges Schlagzeugspiel, sphärische Zwischenszenen, mikrofonierte, leicht klirrende Gitarrenamps und Haudraufphasen mit Synthibass. Und was über den Dolifet sofort richtig Spaß macht, das ist das pfeilschnelle, dynamische Ansprechen – zum Beispiel bei den recht unvermittelt heranrollenden, stakkatoartigen Gesangseinsätzen, aber auch beim Schlagzeug, das insgesamt sehr trocken und hoch gestimmt ist und sich durch schnelle Sechzehnteleinsätze auf der Hi-Hat und den Toms auszeichnet. Und die Bühnendarstellung: ausgezeichnet, weil breit und tief staffelnd und damit nicht nur sehr involvierend, sondern auch transparent. Die Hängetoms scheinen beim Hören millimetergenau im Raum – auch in dessen Tiefe! – positioniert beziehungsweise verteilt, die gedoppelten Gesangsstimmen ebenso. Ziemlich genau nach der ersten Minute werden Schlagzeug und flächig verhallte Gitarren miteinander kontrastiert – das Ergebnis ist eine Synthese aus dem zuvor Gesagten: Der Hall füllt den Raum aufs Herrlichste, das Schlagzeug ergänzt dies um präzise Nadelstiche, die das Gesamtbild erfreulich aufrauen.
Machen wir weiter mit „frischer“ Musik. Phillip Boa and the Voodoo-Club gehören meines Erachtens zu den wenigen Bands der 1980-er-Jahre-Indie-Szene, die diese Zeit nicht nur mit Würde überlebt haben, sondern sich bis heute stets neu erfinden und mit wirklich hörenswerten Alben auf sich aufmerksam machen. Die aktuelle CD Bleach House legt davon beeindruckend Zeugnis ab. „Ancedonia“ ist ein eher langsames, gravitätisches Lied, in dem synthetische und echte Drums aufeinandertreffen, aber auch allerlei flächige Synthesizer und eine schön verzerrte Gitarre. Nicht zuletzt wird Phillip Boas Gesang – wie so oft – durch eine weibliche Stimme ergänzt. Obwohl sich hier in mehreren Disziplinen die Instrumente und ihre Frequenzbereiche überlagern, gelingt es dem Abacus Dolifet, das Gesamtbild nicht nur aus der stereofonen Sicht sauber zu sortieren, sondern auch tonal: Zu jeder Zeit setzen sich echte und künstlich erzeugte Hi-Hat voneinander ab, ebenso verhält sich’s mit Keyboards und Gitarren, weiblicher und männlicher Gesangsstimme, obwohl diese unisono singen. Der Bass ist bei diesem Stück übrigens recht präsent gemischt, was trotz der ätherischen Melodieführung für ein ordentliches Maß an Erdung und Wucht sorgt – hier spielt der Dolifet ausgesprochen „amtlich“ mit, er verleiht dem Ganzen mit Mühelosigkeit eine richtig gute Grundierung, ein sattes Bassfundament, das aber stets auf der „sicheren“, also nicht überbetonten Seite steht.
Schauen wir bei der Tonalität mal ein bisschen genauer hin: Das geht recht gut mit dem Song „I of the Mourning“ der Smashing Pumpkins. Hier gibt’s gewissermaßen alles, was des Testers Herz begehrt. Flirrende Ride- und Crashbecken, abgrundtief pumpernden Bass, eher dumpf gemischte Bassdrums und Snare – und mal schreiende, mal säuselnde Gitarren. Der Dolifet spielt in allen Bereichen geradezu mustergültig neutral. Kein Frequenzbereich scheint bevorzugt, keiner ausgedünnt – und trotzdem klingt das alles eben nicht langweilig und glattgebügelt, weil wieder die wirklich gute Dynamik ins Spiel kommt. Das Ding packt zu und lässt den Song einerseits bei den lauten Passagen richtig in den Raum schallern, nimmt aber auch bei sanfteren Sequenzen den Druck wieder raus – eben so wie es gemischt, produziert und intendiert war. Und die Becken sind glasklar, supersauber, jedoch ohne zu zischeln oder zu „schmerzen“. Wir halten fest: Ordentlich Basspotenz, durchaus auch flink dargereicht, zu keiner Zeit jedoch angedickt. Unauffälliges Mittenband, klarer, offener, eher heller als abgedunkelter Obertonbereich.
Test: Abacus Electronics 60-120D Dolifet | Endstufe, Vollverstärker