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Manchmal sollen Dinge einfach ihren Zweck erfüllen: Ein Regenschirm schützt vor Regen, eine Kaffeemaschine produziert Kaffee. Natürlich könnte man beide Gegenstände mit einer App bestücken und sie für Jungdynamiker „smart“ und teurer machen, aber mal ehrlich: Jeder mit ein bisschen Lebenserfahrung weiß, dass das oft sinnfreies Blendwerk ist. Womit wir beim Ampino 20 Dolifet (ab 790 Euro) von der Firma Abacus (https://www.abacus-electronics.de) sind: Der kleine, auch als Endstufe nutzbare Vollverstärker verstärkt. Sonst nichts. Keine App, kein Bussi-Bussi, kein Gedöns. Auf der Vorderseite: zwei Drehregler – Power und Volume. Klick, los geht’s, hier gibt’s kein Vertun.
Ich gebe zu: Ich mag puristische Sachen, die sich auf ihre Kernfunktion beschränken. Meine Zahnbürste braucht keine App, und ich muss meinen Schlaf nicht durch eine Datenkraken-Smartwatch überwachen lassen. Wenn ich selber nicht mehr weiß, wie ich geschlafen habe oder mich fühle, möge mich bitte jemand einschläfern oder einliefern lassen. Als ich vor einigen Jahren mal einen neuen AV-Receiver gekauft hatte, lag eine verstörende Bedienungsanleitung bei, die dicker war als ein altmodisches Telefonbuch. Beim Abacus Ampino 20 Dolifet ist sie nur acht kleine DIN-A5-Seiten lang: Das hast du gekauft, das kannst du damit machen, so funktioniert es. Fertig.
Deswegen befinden sich auf der Vorderseite des kleinen, 2 × 25 Watt starken Verstärkers auch nur zwei Drehknöpfe: Mit dem einen schaltet man den Amp an oder aus, mit dem anderen stellt man die Lautstärke ein. Ein blaues LED-Lämpchen signalisiert, dass der Amp betriebsbereit ist. So etwas wie eine Quellenwahl gibt es nicht, schließlich verfügt der Ampino 20 Dolifet nur über einen einzigen Hochpegeleingang in Form eines Cinch-Pärchens, der den Anschluss einer Quelle oder eines Vorverstärkers erlaubt. Auf diese Weise lässt sich eine puristische Stereoanlage aufbauen. Abacus bezeichnet das Kästchen als „Mini-Stereo-Endstufe“ beziehungsweise als „Stereo-Linearverstärker“, wobei Geschäftsführer Hanno Sonder auf meine Frage, warum nur ein Hochpegeleingang zur Verfügung steht, antwortet: „Beim Ampino war weder mechanisch noch elektronisch Platz für mehr. Außerdem ist er nach wie vor eine Endstufe mit vollwertiger Lautstärkeregelung als Bonus, kein Vollverstärker.“ Auf dem Preisschild stehen 790 Euro für die silberne Version. Die neuerdings lieferbare schwarze, ansonsten baugleiche Version liegt bei 840 Euro, da laut Sonder fast alle Teile nach dem Bearbeiten erneut eloxiert werden müssen.
Nichts für Angeber – Verstärkung mit Understatement
Wer angeben will, liegt allerdings mit beiden Farben falsch: Mit seinem nüchternen, puristischen Look setzt der kleine Abacus Ampino 20 Dolifet eher auf Understatement als auf dicke Hose. SUV-schwere Endstufen zum Preis einer Eigentumswohnung dürfen gern andere bauen. Wenn es ganz blöd läuft, werden Ampino-Besitzer von Besuchern gefragt, ob sie den Lütten selbst gebastelt haben, aber hey: Der Kenner schweigt und grinst innerlich (mehr zum Klang später). Die Verarbeitung ist im Großen und Ganzen in Ordnung, alles hinterlässt einen soliden und zweckdienlichen Eindruck. Lediglich die Kühlrippen auf der Rückseite erschweren etwas den Anschluss vor allem störrischer Lautsprecherkabel mit Winkelbananas, aber mit ein bisschen Fummelei klappt auch hier die Kontaktaufnahme.
Der optionale Kompagnon: Abacus Prepino 20
Es existiert auch eine passende Vorstufe aus dem Hause Abacus, die Prepino 20, die wesentlich mehr Andockmöglichkeiten bietet und ebenfalls bei 790 beziehungsweise 840 Euro liegt. Abacus hat sie zum Testen mitgeschickt, der Hauptschwerpunkt dieses Testberichts soll jedoch auf dem Ampino 20 Dolifet liegen. Die 20 im Namen bezieht sich übrigens auf das Erscheinungsjahr (2020), folglich erschien der Vorgänger, der Ampino 15 Dolifet, fünf Jahre davor. Wer möchte, kann sich für einen Unkostenbeitrag von 40 Euro Ampino 20 und Prepino 20 gemeinsam als Testpaket nach Hause schicken lassen. Abacus setzt über die eigene Website auf den Direktvertrieb, die Produkte sind aber auch bei einigen ausgesuchten Fachhändlern zu hören.
Die Dolifet-Technik des Abacus Ampino
Die gerade mal 25,0 × 21,2 × 5,3 cm (B x T x H) große Endstufe wiegt nur rund zwei Kilogramm und lässt sich locker mit einer Hand tragen. Laut Hersteller eignet sie sich nicht nur für kleine Regallautsprecher, sondern auch für Standboxen. Bei dem Begriff „Dolifet“ handelt es sich übrigens um eine Abkürzung, die für „Drain Output Load Independent Field Effect Transistor“-Technologie steht. „Das Dolifet-Prinzip, wie es auch im Ampino zum Einsatz kommt, nutzt den Drain-Output der MOSFETs“, erklärt Sonder die Technik auf meine Nachfrage, „in der Weise wie bei früheren Abacus-Schaltungen den Kollektor der bipolaren Transistoren. Damit ist der Ausgang mitsamt der Last nicht in der Steuerstrecke des Transistors einbezogen, und der Verstärker wird dadurch lastunabhängig.“ Wir bekommen es mit einer analogen Gegentakt-Verstärkerschaltung mit moderatem Ruhestrom zu tun, die wie eine Mischung aus Röhren und Transistoren klingen soll. Abacus spricht von einer „nahezu unendlich großen Dämpfung“ und einem „extrem hohen Wirkungsgrad“ dieser Verstärkertechnologie.
Im Vergleich zum 15er-Vorgänger verfügt der Abacus Ampino 20 Dolifet nun über „richtige“ Lautsprecherkabelanschlüsse auf der Rückseite, zuvor mussten sich Käufer mit wenig attraktiven Klemmanschlüssen begnügen. „Wir haben uns dann doch dem Druck der häufigeren Nachfragen gebeugt und den Ampino mit ,richtigen‘ Polklemmen ausgestattet“, erklärt Hanno Sonder. „Dafür musste allerdings die komplette Leiterplatte recht ausgiebig redesignt werden.“ Außerdem wurden die Lüftungsschlitze nach seitlich oben versetzt. Der Preis hat sich im Zuge der allgemeinen Teuerungen ebenfalls verändert: Kostete der silberne Abacus Ampino 15 Dolifet noch 590 Euro, liegt der Nachfolger nun 200 Euro darüber.
Abacus Ampino 20 Dolifet: Klangtest & Vergleiche
Pegelfestigkeit & Dynamik
Ich gebe zu, dass ich anfangs etwas skeptisch war, einen 790-Euro-Verstärker an meine 13.400-Euro-Standboxen (Sonus Faber Olympica Nova 3) anzuschließen. Als Zuspieler fungiert übrigens der McIntosh-CD-Player MCD 301, der per Cinchkabel (Goldkabel Executive) angeschlossen ist. Hat das kleine Kästchen überhaupt genug Power, um den beiden Sonus Faber Töne zu entlocken, die neben den Audio Note AX-One (2.500 Euro pro Paar, Testbericht demnächst) für diesen Hörtest zum Einsatz kommen? Aus der Chefredaktion in Berlin kommt der Hinweis: Probier’s aus, es lohnt sich! Gesagt, getan. Und was soll ich sagen: Ich bin baff, als die ersten Klänge ertönen – ich begreife in Sekundenbruchteilen, warum der Vorgänger des Abacus Ampino 20 Dolifet vor ein paar Jahren hier den „fairaudio’s favourite Award“ bekam. Die Vermutung, den Lautstärkeregler weit aufreißen zu müssen, um Zimmerlautstärke zu erreichen, ist so was von falsch, dass ich mich nachträglich fast für den Gedanken schäme. Schon bei einem winzigen Dreh am Pegelregler legt der Abacus los wie ein FDPler, der vor einem Grünen flüchtet.
Ich hätte nicht gedacht, dass so wenige und preiswerte Watt an einem fast 20-fach teureren Standlautsprecher so spektakulär klingen können. Der Ampino erweist sich vom ersten Ton als äußerst dynamischer, nach vorne preschender In-your-face-Verstärker, der nicht lange fackelt. Er offenbart grobdynamische Fähigkeiten, die klar über seine Preisklasse hinausreichen. Die allererste CD, die ich einlege, ist Electric Sun, das neue Album der Future-Pop-Institution VNV Nation. Ronan Harris macht damit die beiden schwächeren Vorgängeralben vergessen und findet zurück zu alter Stärke. Bestes Beispiel: „Run“, eine äußerst bewegende, opulente Nummer, die sich nach einem atmosphärischen, sehr ruhigen Mittelteil wie eine überlebensgroße Kinoleinwand vor dem Hörer aufbaut und Verstärkern wie auch Lautsprechern viel abverlangt. Der Abacus Ampino 20 Dolifet vollzieht den Dynamiksprung mühelos – und es geht richtig laut!
Die Bedienungsanleitung empfiehlt, den Abacus Ampino 20 Dolifet im Alleinbetrieb ohne die Prepino-Vorstufe maximal auf 12-Uhr-Stellung aufzudrehen und „nicht auf Rechtsanschlag“, so die unterstrichene Warnung. Ich halte mich dran, obwohl das Gerät über eine Überlastschutzschaltung (LSP) verfügt und im Notfall abschaltet. Macht aber nix, denn es geht auch so ohrenbetäubend laut.
Im Keller schön agil – der Bass
Der Bass bleibt selbst bei höheren Pegeln auf der sauberen und definierten Seite, auch das hätte ich in dieser Form nicht erwartet. Ultraweit steigt der kleine Verstärker allerdings nicht in den Basskeller hinab, deutlich teurere und größere Geräte wie der Streaming-Vollverstärker NAD M33 (mittlerweile 6.800 Euro) oder gar der Krell K-300i (ab 12.700 Euro) bieten hörbar mehr Tiefgang. So bleiben mit dem Abacus Ampino beim VNV-Nation-Album die allertiefsten Schläge in die Magengrube um 35 Hertz auf der Strecke. Aber hey, die anderen Amps kosten auch mindestens das Achtfache und schielen auf eine ganz andere Zielgruppe. Anders ausgedrückt: Der Bass bleibt beim Abacus Ampino 20 Dolifet stets auf der knackigen, knorrigen, trockenen Seite, wie etwa „Sunset Burrial“ von den avantgardistischen US-Rockern Spotlights (neues Album: Alchemy For The Dead) unterstreicht. Es ist ein Genuss, dem pumpenden, agilen Bass zu Beginn des Stücks zu folgen, hier bleibt kein Detail verborgen, und das Tempo der Darstellung fasziniert.
Frische Brise: Feindynamik und Hochton
Auch feindynamisch ist der kleine Amp aus Norddeutschland eher auf Sportlichkeit als auf Betulichkeit trainiert und liefert hier mehr als das Preisschild vermuten lässt – obwohl es ja auch immer Geschmackssache ist, ob man es eher fluide oder zackig mag. Nehmen wir zum Beispiel Vestige & Vigil, das gerade erst erschienene Debütalbum von The Bellweather Syndicate. Hier ist Gothic-Rock-Altmeister William Faith (u. a. Christian Death, Mephisto Walz oder Shadow Project) mit seiner Frau am Werk und beleuchtet alle finsteren Soundwinkel von gemäßigtem Dreampop bis hin zu raubeinigem Dunkelrock. Im atmosphärischen, eher zart hingehauchten „Golden Age“ gelingt es dem Ampino 20 Dolifet, feinste Pegelsprünge fein und trennscharf herauszuarbeiten. Das fällt gerade bei den sanften Gesangslinien von Faith und seiner Frau auf, denen er dennoch keinerlei Schärfe hinzufügt.
Das Klangbild des Abacus Ampino 20 Dolifet neigt sich insgesamt leicht auf die helle, schnelle, anspringende Seite – Geschmacksache, Freunden wohlig-warmer Klangbäder dient sich der Amp weniger an. Das erinnert mich aus dem Gedächtnis heraus entfernt an das All-in-one-Gerät AVM Inspiration CS 2.3 (mittlerweile 5.790 Euro), das in den Höhen etwas frischer aufspielt und ein insgesamt leichteres Klangbild aufweist. Der Abacus liefert zwar nicht ganz so viel Auflösung wie der viel, viel teurere AVM, preisklassenbezogen macht er in dieser Sache dennoch einen sehr guten Job. Lediglich in Kombination mit deutlich teureren, sehr hochauflösenden Lautsprechern, die in praxi wohl eher selten mit dem Ampino kombiniert werden, könnte man ihm beim genauen Hinhören seine Limits anmerken. Mit preisklassenbezogen sinnvoll kombinierten Boxen wird hingegen nicht auffallen, dass die kleine Endstufe beispielsweise beim feingliedrigen Beginn des Tool-Songs „Eulogy“ kleinste Percussion-Details nicht ganz so präzise und deutlich hörbar darstellt wie wesentlich teurere Verstärker.
Die Höhen präsentiert der Ampino 20 mit einer gewissen Frische, die ein Stück weit sein leicht helles Timbre erklärt. Frisch bitte nicht mit offensiv oder überbetont verwechseln, sondern eher im Sinne von voll da, kontrolliert-sauber und nicht übers Ziel hinausschießend. Bei der Hardrock-Hymne „Surrender“ vom aktuellen Godsmack-Album Lighting Up The Sky fühle ich mich obenrum qualitativ bestens informiert, aber nicht überfordert. Mit verbundenen Augen hätte ich auf einen teureren Amp getippt. Lediglich bei längeren Hörsessions mit arg grell aufgenommener Rockmusik (gutes Beispiel: „Rise To The Bait“ von den schwedischen Gothic-Rockern Then Comes Silence) kann’s auf Dauer etwas zu viel des Guten werden. Aber das gilt in diesem Fall für die allermeisten Verstärker, sofern sie nicht eher auf der dunklen, warmen Seite spielen.
Schön mittig
Bei den Mitten wird niemand das Wort Geschmackssache in den Mund nehmen, da der Abacus Ampino 20 Dolifet in diesem Bereich äußerst neutral aufspielt. Kein süßlicher Kleister, aber auch nicht stocknüchtern oder gar blutleer. Ein Beispiel: Beim melancholischen „Pariah“ von Steven Wilson (vom 2017er-Album To The Bone) schälen sich sowohl Wilsons Gesang als auch der von Gastsängerin Ninet Tayeb hervorragend aus dem Klangbild heraus, so transparent und hochaufgelöst bildet sie der Winzling ab. Stimmen mangelt es nicht an Emotionalität, sie wirken stets natürlich und vom Bauchgefühl her – sofern man Gesang nicht „extrawarm“ serviert bekommen möchte – einfach richtig.
Ab nach vorne – die Bühnenabbildung
Schreiten wir weiter zur Bühnendarstellung. Doch was heißt schon schreiten, wenn das Kerlchen einem so lebhaft ins Gesicht springt: Die Bühne baut sich schön weit nach vorn aus, das Geschehen beginnt dabei auf Höhe der Lautsprecherbasislinie, dehnt sich also nicht nach hinten aus. Lediglich die Bühnenbreite dürfte für meinen Geschmack schon noch etwas ausladender ausfallen. Aufgrund der sich weit nach vorne streckenden Bühne entsteht viel Tiefe im Klangbild, manche Instrumente erscheinen ein Stück weiter vorne, andere lassen sich weiter hinten verorten. Die einzelnen Akteure sind also gut lokalisierbar, es resultiert eine dreidimensionale Greifbarkeit der beteiligten Instrumente und Stimmen, die mich angesichts der Preisklasse mehr als zufrieden stimmt.
Kombination mit der Vorstufe Prepino 20
Doch wie spielt der Ampino 20 eigentlich mit der Vorstufe Prepino zusammen, die Abacus als Zugabe für diesen Testbericht mitschickte? Rein optisch passen die beiden perfekt zusammen, mit ihrer Größe finden sie zum Beispiel auch auf kleineren Schreibtischen genügend Platz. Nur aufeinanderstellen würde ich sie aufgrund der Kühlschlitze nicht. Und aus klanglichen Gründen sowieso nicht. Der Abacus Prepino 20 kommt mit fünf Line-Eingängen (nur Cinch, kein XLR), einmal Phono-MM, edler Vollmetall-Fernbedienung, Kopfhörerausgang, LED-Display und ALPS-Motorpoti. So lässt sich eine größere Stereoanlage mit verschiedenen Quellen etablieren, und die Steuerung klappt dank Fernbedienung und Display handelsüblich bequem.
Klanglich passen die beiden Norddeutschen prima zusammen, wie auch nicht anders zu erwarten war. An der Grundausrichtung ändert sich nichts, in Kombination mit dem Prepino 20 erfährt der Abacus Ampino 20 Dolifet in manchen Teilbereichen gleichwohl noch eine kleine Steigerung. So wirkt das Klangbild im Verbund einen Hauch lebhafter, die Bühne dehnt sich horizontal weiter aus, die Instrumente scheinen dadurch noch etwas greifbarer im Raum zu schweben.
Test: Abacus Ampino 20 Dolifet | Endstufe, Vollverstärker