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Test: AKG K712 Pro | Kopfhörer, Over-/On-Ears

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  1. 1 Test: AKG K712 Pro | Kopfhörer, Over-/On-Ears

Oktober 2015 / Nick Mavridis

fairaudio's favourite AwardAKG macht’s in beide Richtungen: Das Unternehmen aus Wien ist seit Jahrzehnten darauf spezialisiert, mit seinen Produkten Luftdruckänderungen in Spannungsänderungen zu verwandeln – das wären dann Mikrofone – und andersherum aus Spannungs- Luftdruckschwankungen zu zaubern. Dies bewerkstelligen die Kopfhörer im Programm der Österreicher, von denen das Modell K712 Pro (Vertrieb: www.audiopro.de) bei mir zum ausführlichen Test ansteht.

Bevor ich mich dem Musikgenuss-Apparatus selbst widme, möchte ich kurz einen kleinen Umweg gehen. Die drei Buchstaben AKG sind den meisten Lesern sicherlich bekannt, die generelle Qualität der Hörer bestimmt ebenfalls. Die drei Buchstaben A, K und G kürzten einst den nicht mehr verwendeten Firmennamen „Akustische- und Kinogeräte-Gesellschaft“ ab, der heute ungefähr so geläufig sein dürfte wie „Badische Anilin- und Soda-Fabrik“, der Ursprungsname des Unternehmens, von welchem einige unter uns ihre Magnetbänder bezogen haben. AKG gehört mittlerweile zu Harman International Industries, welche eine Vielzahl namhafter Audio-Brands unter ihren Fittichen hat. AKGs Logo ist jedoch geblieben und zeigt die eigene Historie auf die gleiche Art, wie es die drei Stimmgabeln im Yamaha-Logo auch tun: Es sind drei mit 120 Grad Abstand im Kreis angeordnete „Nieren“, also Richtcharakteristiken von Mikrofonen.

AKG K712 Pro

Und Mikrofone sind es auch, die AKG berühmt gemacht haben. Das legendäre und heute annähernd unbezahlbare AKG C12 ist ein Röhren-Kondensatormikrofon, welches vor allem ein Studiobetrieb in einer gewissen Abbey Road von Beginn an zu schätzen wusste und das bis heute tut. Es folgten weitere Mikros, die die Musik- und Klanglandschaft entscheidend mitgeprägt haben, darunter das C414, das Tonstudios wie Broadcast-Einrichtungen gleichermaßen besiedelte. Auch im Bereich dynamischer Mikrofone war man umtriebig und entwickelte Produkte, die heute jedem Tontechniker ein Begriff sind. D12, D19, vor allem aber das Bassdrum-Mikrofon D112 sind getrost und ohne Übertreibung als Meilensteine zu betrachten. Heutzutage ist man sich in Österreich der Tradition bewusst und bietet Weiterentwicklungen an, die von Formgebung, Funktion und Produktbezeichnung ganz klar an die Vorbilder erinnern.

Weit über die Aufnahmetechnik hinaus hat sich AKG über die Jahre mit der Herstellung grandioser Kopfhörer seinen Platz erarbeitet. Das gelang nicht nur bei High-End-HiFi-Enthusiasten, die sich am offenen K1000 erquicken konnten. Der K66 etwa bot viel Klangqualität für wenig Geld, in der Tontechnik ist unter anderem der K240 DF zu nennen. Dieser halboffene, diffusfeldentzerrte (und somit etwas mittige) Hörer wurde nach den Vorgaben des IRT (Institut für Rundfunktechnik) entwickelt. Er war meine erste Anschaffung für das in den Neunzigern aufgenommene Tontechnik-Studium und begleitet mich als verlässliche, aussagekräftige Abhöre bis zum heutigen Tag. Vor wenigen Wochen hat er neue Polster spendiert bekommen.

Nun, das hier soll ja keine Geschichtsstunde mit Onkel Mavridis werden, es geht um das Testprodukt, welches wie mein 240 die eindeutige Designsprache der AKG-Kopfhörer spricht. Wenn ein AKG-Träger von hinten in einem kopfhohen Sessel betrachtet wird oder sich hinter einer Kuppe dem Beobachter nähert, fallen zuerst die beiden lustigen umlaufenden Drahtbügel ins Auge.

Die lustigen Drahtbügel des AKG ...

Beim K712 sind sie orange, genau wie die Zierringe im Gehäuse, das die Topfmagneten trägt. Das kann man in Verbindung mit dem dunklen Anthrazit schön finden, ich persönlich finde die Farbgebung eher gewöhnungsbedürftig. Der 712 wird in der „Pro“-Abteilung des AKG-Portfolios geführt, ein Customizing gibt es daher natürlich nicht. Schade.

Besagte Bügel halten ein Konstrukt, welches über Züge das Leder-Kopfband automatisch an den Hörerschädel anpasst. Dadurch ist eine manuelle Größenverstellung unnötig. Ich weiß aus langer Erfahrung mit AKG-Kopfhörern, dass dies sehr gut funktioniert und sich bislang weder Menschen mit großen noch solche mit kleinen Köpfen beim Aufsetzen eines AKGs wegen dieser Technik beschwert hätten. Einzig bei kleinen Köpfen ragen die Bügel proportional enorm über den Träger hinaus, was durchaus etwas grotesk aussehen kann. Beim weltbekannten Pferderenn- und Hutmode-Event in Ascot würde man sicher anerkennende Blicke für das gewagte Design ernten. Vielleicht sollte man zu diesem Zweck noch irgendwo ein Blümchen drapieren.

AKG K712 Pro

Dem fragil und luftig wirkenden Haltesystem stehen die beiden bulligen Muscheln entgegen, die zwar ohrumschließend genannt werden, doch fast schon „kopfumschließend“ wirken: Sie sind riesig! Für kleine Menschen mit kurzem Hals kann der schiere Umfang der Teller durchaus zum Problem werden, vor allem durch den herausgeführten Kabelstutzen mit dem Stecker. Allerdings wird so mancher ausladende Ohrring vom K712 Pro als Teil des Ohres betrachtet und schlichtweg mit umschlossen.

Ein weiterer bewährter Trageautomatismus ist die Verbindung der zweiteiligen Hörmuschelteile. Der äußere Teller ist nicht fest mit dem inneren verbunden, sondern kann sich rundum frei anwinkeln und so auf die individuelle Physis einstellen. Ich darf feststellen: Auch diese Kugelgelenkverbindung funktioniert tadellos.

Der AKG K712 Pro mit Drum und Dran

Der Hersteller liefert den Kopfhörer mit zwei verschiedenen Kabeln aus, einem Spiralkabel und einem geraden, die beide auf 3,5-mm-Stereoklinke ihre Signale aus dem Verstärker erhalten. Die goldbeschichtete Steckverbindung zum Hörer ist Mini-XLR, also ein Dreipol-Verbinder mit Rastmechanismus. Zum Beiwerk des Schallwandlers gehören ferner ein Adapter von der „kleinen Klinke“ der Kabel auf 6,3-mm-Stereoklinke sowie ein Transportbeutel, aber natürlich kein Airline-Adapter. Schließlich ist der offene K712 etwas für ruhige Umgebungen.

Auf der Suche nach dem Kapseltyp (also der Einheit aus Membran, Schwingspule und Magnet) bin ich wie zufällig an etwas vorbeispaziert, das ganz deutlich die Profi-Attitude des Hörers belegt: AKG liefert Explosionszeichnung mit zugehörigen Teilenummern – es lässt sich also alles nachbestellen. Das erinnert an die „guten alten Zeiten“, in denen Handbücher für Automobile noch die Anleitung zum Ölwechsel beinhalteten. Heute muss man für das Wechseln einer popeligen Birne in die Werkstatt, in der jemand grinsend die Hand aufhält.

Die DKK45-Treibereinheit des K712 Pro
Die DKK45-Treibereinheit des K712 Pro

Im K712 wird eine DKK45-Treibereinheit verwendet. Diese kommt in ähnlicher Form auch im K612 zum Einsatz. Mit einer zweischichtigen Membran, die im breiten Sickenbereich deutlich dünner und somit elastischer und schneller ist, mittig hingegen verstärkt und steifer – so dass sie sich weniger anfällig für Partialschwingungen zeigt -, schubst der K712 Luftmoleküle hin und her. Ein starkes Magnetfeld hilft beim Wandeln von Spannung in Bewegung, daher ist ein Neodym-Magnet verbaut, der auf die Flachdrahtspule einwirkt. Den Übertragungsbereich gibt AKG mit 10 Hz bis knapp 40 kHz an, ohne dabei spezifischer zu werden. Der weit über den menschlichen Hörbereich hinausgehende Frequenzgang soll der möglichst natürlichen Übertragung von Impulsen zuträglich sein.

Bezüglich der Impedanz ist AKG offenbar einen Kompromiss eingegangen. Auch wenn dieser Begriff negativ behaftet scheint, es gibt klare Vorteile: Mit 62 Ohm ist der frequenzabhängige Widerstand deutlich geringer als bei üblichen Studio- und HiFi-Kopfhörern, gleichzeitig aber höher als bei den für mobile Geräte ausgelegten Schallwandlern. Dort liegt die Impedanz ja mit 32 oder 16 Ohm gerne „kurz vor Kurzschluss“. Die bei ansonsten gleichen Voraussetzungen höheren möglichen Pegel werden aber oft durch eine gewisse Trägheit erkauft. Mit 105 dB/V liegt der K712 Pro im mittleren Empfindlichkeitsbereich. Zum Vergleich: Im Datenblatt des 120-ohmigen K612 stehen 101, in jenem des AKG K812 (36 Ohm) 110 dB/V.

AKG K712 ProGroße „L“- und „R“-Kennzeichnungen vermeiden ärgerliches Herumsuchen, so dass der Hörer sofort ausgerichtet und aufgepflanzt werden kann. Und das lohnt sich: Den AKG K712 aufzusetzen bedeutet, von seinen flauschigen Velourspolstern in Ohrnähe gestreichelt zu werden. Hmmm, ist das schön. „Ohrschmeichler“ sagt man ja sonst eher zu Musikproduktionen, vielleicht auch zu Kopfhörern – aber üblicherweise erst, wenn man sie angeschlossen hat. Ich freue mich schon, während der Stecker am Spiralkabel noch vor meinem Bein Bungeesprünge veranstaltet. Tatsächlich: Der Tragekomfort ist hervorragend. Mit 235 Gramm wirkt der AKG gerade aufgrund seiner Größe besonders luftig. Das Kopfband moduliert nur großflächig die Frisur (falls vorhanden) und sorgt an keiner Stelle für einen zu großen Druck. Ich hatte den K712 mehrfach mehrere Stunden ohne Unterbrechungen auf dem Kopf, ohne mich gestört, gezwackt oder sonst wie gepiesackt zu fühlen. Allzu ruckartige Bewegungen beim ekstatischen Zucken zum Lieblingslied können jedoch dafür sorgen, dass der Hörer verrutscht. Der glücklicherweise nicht allzu starke Anpressdruck kann empfindlichen Benutzern eventuell das Gefühl geben, dass die Hörermuscheln auf der Oberseite des Außenohres aufliegen. Für mich war das aber kein Problem.

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