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Wax Chattels – Clot

Bei Wax Chattels treffen Noise und Punk aufeinander. Gleichwohl kommt das neuseeländische Trio auf ihrem neuen Album Clot ohne Gitarren aus. Die Platte beweist, dass man auch in minimaler Besetzung aus Keyboards, Bass und einem zweiteiligen Snare- und Becken-Drumkit ordentlich Lärm machen kann. Das bedeutet aber nicht, dass die Songs lose Krach-Werke sind. Dafür strukturieren die drei MusikerInnen der Band, die sich an der Jazz-Schule der Universität Auckland kennengelernt haben, ihre Songs zu sehr.

Wax Chattels - Clot

Der erste Song Glue beginnt mit verzerrten Sounds, zu denen sich der Gesang von Peter Ruddell und die Snare des Schlagzeugs gesellen. Anfangs erkennt man in dem Song noch klare Strophen und Instrumental-Parts, die sich wiederholen. Der instrumentale Break mit den hohen Keyboard-Sounds nach der zweiten Strophe klingt ganz schön drastisch – und leitet zu einem jähen Math-Rock-Part über. Hier stocken die Sounds und zwischen den noisigen Momenten lassen Wax Chattels die HörerInnen in leere Soundlücken fallen. Durch Ruddells eingeworfene Worte erkennt man jedoch die Motive des Anfangs wieder. Doch das hört zur Hälfte des Stücks endgültig auf. Mit harten Snare-Wirbeln geht die Band hier in einen instrumentalen, stockenden und für die Ohren fordernden Noise-Teil über. Durch die Keyboard-Sounds klingt das Ganze nach dunklem Industrial.

Der Wechsel von Rock-Song zu Noise-Werk innerhalb eines Stückes ist typisch für das neue Album. Zu Höhepunkten kommt es, wenn Ruddells Gesang von Bassistin Amanda Cheng begleitet oder übernommen wird. Um Chengs impulsive, oft geschriene Stimme zu erleben, lohnt es sich, den wirbelnden Song Cede anzusteuern, der, ausgehend von einem minimalistischen Bass-Riff, in eine Achterbahnfahrt aus dunklen Noise-Klangmauern und exzessivem Schlagzeug übergeht.

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No Home – fucking hell

No Home fucking hell

Das Debut Album von No Home hat es in sich. Das Musikprojekt der in London lebenden Charlie Valentine vertont den Kapitalismus-Frust einer jungen Generation auf brutale und rohe Art und Weise. Mit minimalistischen, bis aufs äußerste verzerrten Songs, die am Computer in DIY-Manier programmiert wurden, trifft No Home dabei den Zeitgeist. Ihre Musik klingt in ihrer dumpfen Verzerrung dystopisch – das kann natürlich eine Herausforderung für die HörerInnen sein.

In A B- in This Economy ist es lediglich ein fuzziges Bass-Riff aus einem Ton, über das No Home rappt, spricht und in ironisches Gelächter ausbricht. Der monotone musikalische Hintergrund untermalt No Homes Worte aber nicht nur, er spiegelt brachial und ohne Gnade die Härte und Unmenschlichkeit, die die Arbeitswelt mit sich bringen kann. Darauf geht No Home im Text ein – sie spricht von der „Post-Graduate Anxiety“, die die alles beeinflussende Wirtschaft auslöst. „I could also be a failure“, sagt sie im Song und stellt damit auf die Situation als Graduierende ab, die sich nach der Uni gezwungen sieht, irgendwie Fuß zu fassen. Sie sieht sich lediglich als eine B- (also als Note 2-) an der Universität. Damit hat sie am Markt keine guten Chancen.

In anderen Songs wie Catholic School Never Taught Me How to Talk to Men benutzt No Home ihre Stimme ganz anders. Sie singt und ihr Gesang schwankt, geht in vibrierende Höhen und wird immer wieder mit donnerartigen Einwürfen unterlegt. Drink! You’re One of Us hingegen klingt wie eine melancholische Indie-Rock-Nummer: Eine stark verzerrte Gitarre, holpernde Drums und ein paar Effekte übertragen einen großen Schub Energie – kombiniert wird das mit ungewohnt melodiösem Gesang. Doch auch hier wird deutlich: No Home ist Attitüde. So geht Punk heute.

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Bob Dylan – Rough and Rowdy Ways

Bob Dylan - Rough and Rowdy Ways

Es sind schon mehrere Monate vergangen, seitdem Bob Dylan sein Album Rough and Rowdy Ways veröffentlicht hat, und theoretisch sind Artikel über bereits unglaublich bekannte und in die Jahre gekommene GroßkünstlerInnen überflüssig – denn sie brauchen die Sichtbarkeit nicht mehr, haben sie doch eine treue Anhängerschaft, die jedes Album kauft und hört. Doch wenn man Dylans Lyrik und die Art und Weise, wie er sie auf dem neuen Album vorträgt, hört, kann man nicht anders, als ins Staunen zu geraten. Die Texte der bluesigen Boogie-Nummern und einiger ruhiger Songs zeigen, dass Dylan es schafft, mit fast 80 Jahren neugierig zu sein, sich gedanklich tief in andere Welten zu begeben und dies wie kein anderer auszudrücken.

Die vorab veröffentlichte 17-Minütige Single Murder Most Foul ist da keine Ausnahme. Hier lässt Dylan die HörerInnen in die Endzeit-Atmosphäre der USA zum Zeitpunkt der Ermordung von John F. Kennedy eintauchen. Dylan trägt seine 15 Strophen ohne Chorus, mit kratziger, tiefer Stimme vor und schwankt dabei zwischen gesprochenem Wort und angedeutet gesungenem Stil. Er spricht über musikalische Flächen aus Klavier und Streichern, zu denen ein Schlagzeug kommt, welches der Musik jedoch keine neue Struktur verleiht, sondern die Klangwolken nur sanft akzentuiert.

Ein ähnlich ruhiges Lied befindet sich ganz am Anfang der neuen Platte. Auf I Contain Multitudes spricht Dylan über die Klänge einer Akustikgitarre, die von Slides einer E-Gitarre untermalt werden. Dylan erwähnt hier – ganz im Sinne von Walt Whitmans Gedichtzeile „I contain multitudes“ – seine disparaten Persönlichkeiten, die sich nicht vereinen lassen wollen. Nachdem er sich mit Namen wie Anne Frank, Indiana Jones oder den Rolling Stones vergleicht, sagt er:

„Everything’s flowing all at the same time
I live on the boulevard of crime
I drive fast cars, and I eat fast foods“

Dylans Referenzen zeugen dabei von Zeitgenossenschaft, die nicht kitschig wirkt. Trotz der Aktualität besitzt seine Lyrik aber auch die Aura eines ewigen Klassikers. „I’m a man of contradictions / I’m a man of many moods / I contain multitudes.“ Besser kann man dieses Phänomen wohl nicht kommentieren.

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