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Tord Gustavsen Trio – Seeing

Kontemplativ, introspektiv, konzentriert. Diese Schlagworte umschreiben treffend Seeing, das neueste Album des Tord Gustavsen Trio. Gleichzeitig fügt sich Seeing mit seinen durchweg getragenen Tempi und unaufgeregter Arbeit an klanglicher Schönheit bruchlos als mittlerweile zehnte Platte in die Reihe der ECM-Einspielungen des norwegischen Pianisten. Tord Gustavsen bewegt sich in einem recht eng gesteckten Rahmen und hat es nicht auf Überrumpelung seiner Hörer abgesehen. Er setzt dort an, wo er bei der letzten Platte aufgehört hat, ohne Überraschungen. Der kontinuierlichen Verfeinerung seines musikalischen Konzepts lässt sich trotzdem viel abgewinnen. Denn dem dreiköpfigen Ensemble gelingt es, mit einer Reduktion der Mittel eine Maximierung der Wirkung zu erzielen: Die Musik des Tord Gustavsen Trios ist der Inbegriff musikalischer Innerlichkeit und Seeing eine weitere Stufe zu deren Vervollkommnung.

Tord Gustavsen Trio - Seeing

Tord Gustavsen schürft seit jeher tief in musikalischen Traditionen; vor allem volksmusikalische Weisen seiner skandinavischen Heimat und Kirchenmusik dienen ihm als Grundlage, auf der er seine Improvisationen geschmackvoll ausrollt. Sein famoses, bis in die kleinsten Nuancen nuanciertes Klavierspiel mit feiner Anschlagskontrolle besitzt ein starkes vokales Element. Was daraus entsteht, ist ein vollmundiger, samtiger und runder Klavierklang, der in der zirpenden Beckenarbeit des Drummers Jarle Vespestad einen reizvollen Kontrapunkt erfährt. Der Bassist Steinar Raknes bildet mit seinen sparsamen, hochmelodischen Linien am Bass das Verbindungsglied in dieser klanglich intimen Dreierkonstellation.

Das Tord Gustavsen Trio

Das Tord Gustavsen Trio

Seeing wirkt wie ein Thema mit Variationen, aufs Ganze der rund dreiviertelstündigen Platte bezogen wie auch auf die einzelnen Stücke. Tord Gustavsen widmet sich der hohen Kunst der meditativen Umspielung und lässt sangliche Melodien durch seine Figurationen schimmern. Ob es sich um eigene Stücke von Gustavsen handelt, Choräle von Johann Sebastian Bach(„Christ lag in Todesbanden“ und „Auf meinen lieben Gott“), eine norwegische Volksweise („Jesus, gjør meg stille“) oder ein englisches Kirchenlied, das auch in Skandinavien weit verbreitet ist („Nearer, my God, to thee“): Zusammen mit seinen Mitmusikern mäandert Gustavsen mit gelassener Zurückhaltung um die ruhig fließenden Melodien und erschafft eine sakrale Grundtönung. „The Old Church“ inszeniert die Dur-Aufhellung am Ende der „Strophen“ ganz ähnlich wie Walter Lang und Philipp Schiepek in einem Stück, das sich ebenfalls einem großen Gotteshaus widmet („Cathedral“). Bogenförmig verdichten sich oft zur Mitte der Stücke hin Klang und Spannung, um sich dann wieder sukzessive abzubauen („Seeing“).

Virtuosität im Trioformat bleibt hier ganz auf Klang bezogen; es gibt keine Flitzesoli, weder vom Pianisten, der hier klar im Zentrum steht, noch von den anderen beiden. Und doch tragen alle drei mit ihrer geradezu zärtlichen Ausformung rundum schöner Klänge, die wunderbar sonor und in feinsten Abstufungen eingefangen wurden, zu den nach innen gewandten Klangmeditationen entscheidend bei. Das Stück „Extended Circle“ zeigt die Kunst des Tord Gustavsen Trios in Reinform: Von dezenter Elektronik eingehüllt, legen Schlagzeug-Besen und Bass einen Teppich in Elegie-Tempo aus, auf dem Gustavsen seine melodischen Kreise ziehen kann. Dieses sich aus wenigen Tupfern ergebende Klangband hat das Tord Gustavsen Trio stetig perfektioniert. Seeing ist eine weitere Stufe auf dem Weg, die Reduktion aufs Wesentliche zur Vollendung zu bringen.

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MXDMCN – Ready When You Are

In Trioformationen mit Hammondorgel, Gitarre und Schlagzeug geht es in der Regel um funky Groove, Groove und nochmal Groove. MXDMCN, ein Trio um den Stuttgarter Gitarristen Christoph Neuhaus, Martin Meixner an der Hammondorgel und Drummer Daniel Mudrack, bietet auf seiner Einstandsplatte Ready When You Are mehr Abwechslung. Die sechs Stücke leben von Kontrasten und sind auf jeden Fall zugänglicher als der sperrige Bandname ein Akronym, das sich aus den Namen der drei Musiker zusammensetzt.

MXDMCN - Ready When You Are

In der Mitte der gut halbstündigen Platte stehen mit den beiden kürzesten Nummern „Eyeblink“ und „Let’s Go“ starke Gegensätze. „Eyeblink“ gibt sich als quirlige Uptempo-Nummer mit Hummeln im Hintern, der Schlagzeuger Daniel Mudrack ordentlich Beine macht. MitLet’s Go“ folgt eine beinahe sentimentale Ballade, in der Christoph Neuhaus auf seiner Gitarre zarte, butterweiche Noten singt (eigentlich verdient dieses Stück eher den Titel „Butternotes“ als der Opener). Warm tönende Tastenklänge von Martin Meixner hüllen den seidigen Glanz der Gitarre ein.

MXDMCN

© Daniel Mudrack

Was in den beiden Mittelstücken hart aufeinanderprallt, ereignet sich in den sie einrahmenden Nummern in den Stücken selbst. Butternotes“ zelebriert mit knochentrockenem Schlagzeug und funkigen Riffs auf Gitarre und Hammondorgel ein für Hammondtrios typisches Groovefest, doch mittendrin zieht das Trio die Notbremse und verabschiedet sich erst einmal in psychedelisch vernebelte Landschaften. Auf den fliegenden Teppichen segelt es allmählich, Motive des ersten Teils wieder ins Spiel bringend, auf den groovenden Boden der Tatsachen und bringt „Butternoteszu einem knackigen Ende. Ähnliche Gegensätze probiert MXDMCN auch in den anderen in der Alten Zigarrenfabrik Sandhausen detailfein aufgenommenen Stücken aus. Das macht das Hören zu einem schönen Abenteuer, das bei jedem Durchgang etwas Neues zum Vorschein bringt: zum Beispiel Daniel Mudracks lustvoll eingestreute Betonungsverschiebungen in „Bouncing Ball“, die er den anderen beiden zwischen die Beine wirft und damit die Musik außer Tritt bringt oder die feine Schwelldynamik von Martin Meixners Orgel in „Sticky Pete“. Ready When You Are macht Lust, Laune und fügt dem zuweilen etwas einspurig befahrenen Genre des Hammondorgel-Trios eine schöne Facette hinzu.

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Andreas Diehlmann Band – That Old Blues Again

Ohne Mätzchen und Schnörkel. Kein überflüssiger Firlefanz. That Old Blues Again, das mittlerweile neunte Album der Andreas Diehlmann Band, serviert Bluesrock, grob gehobelt und mit Ecken und Kanten. Der Kasseler Andreas Diehlmann, Frontmann und Songwriter, Gitarrist, Sänger und zuweilen auch die Tasten bedienend, ist seit seiner Erstlingsplatte 2017 nicht unbedingt als Feingeist an den Saiten bekannt. Regelmäßig begeistert er die Bluesgemeinde allerdings mit ausgesucht druckvoll produzierten Platten, die mit satter Wucht Bluesrock in Reinform zelebrieren und dabei vor allem die zweite Worthälfte betonen. Diehlmanns Riffs haben schneidende Schärfe, seine Reibeisenstimme knallt dem Hörer die elementaren Grundgefühle des Blues vor den Latz und seine Mitstreiter Tom Bonn (Bass) und Jörg Sebald (Drums) stehen dem Chef im Ring mit knochentrockenem Punch in nichts nach.

Andreas Diehlmann Band - That Old Blues Again

That Old Blues Again macht genau da weiter, wo Andreas Diehlmann letztes Jahr mit Long Way To Go aufgehört hat. Die zehn Songs – neun eigene Stücke und ein Coversong von Billy Boy Arnold – leben von der Authentizität und Geradlinigkeit, mit der das Trio sie hart rockend und ungeschönt den Hörern entgegenschleudert. Andreas Diehlmann braucht keine ausufernden Soli als Vitrine instrumentaler Virtuosität, ihm geht es um pure Emotionen, um Ausdruck. Deswegen sind seine Songs so kompakt angelegt wie der dichte, mächtig Druck produzierende Klang.

Die Andreas Diehlmann Band

Die Andreas Diehlmann Band

Stilistisch decken die Songs die für das Genre typische Breite ab: dynamischer Texas-Bluesrock („Whiskey & Women“ mit stimmungsvollem Slide-Intro auf der Dobro und akustischer Verortung auf einem Südstaaten-Bahnhof im Nirgendwo) nimmt breiten Raum ein, dazu Rock’n’Roll, stampfende Südstaaten-Schwüle („Shotgun Wedding Blues“), Partyrocker („Come Undone“). Am eindringlichsten wirken allerdings langsame Nummern wie der Titelsong „That Old Blues Again“ oder „Pictures Of You“. Da nimmt Andreas Diehlmann ein wenig den Druck raus und wirkt in den schmerzvollen Balladen gleichzeitig noch eindringlicher, weil seine Stimme mehr im Fokus steht. Auf jeden Fall finden Bluesfans, die es gern roh und blutig mögen, auf That Old Blues Again Appetithappen von ganz besonderer Delikatesse.

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