TOOL – Fear Inoculum
13 Jahre lang haben Fans des Progressiv-Metal-Phänomens Tool auf das neue Album der Band gewartet. Weil die Mitglieder der Band – insbesondere Frontman Maynard James Keenan – in anderen großen Musikprojekten wie A Perfect Circle oder Puscifer mitwirken, hat sich die Zusammenarbeit hinausgezögert. Den Social-Media-Äußerungen der Tool-Mitglieder in den letzten Jahren ließ sich außerdem ein Rechtsstreit entnehmen, der die Aufnahmen verzögerte. Deshalb überraschte die Ankündigung der insgesamt fünften Platte der kalifornischen Band mit dem Titel Fear Inoculum auf ihren Konzerten diesen Sommer. Auf der Tour gab Tool auch gleich einen Vorgeschmack auf die neue Musik und spielte Songs wie Descending oder Invincible für das Publikum.
Die beiden Songs sind wie die anderen fünf Stücke des neuen Albums über zehn Minuten lang. Das Album erreicht mit 80 Minuten Länge deshalb die maximale Dauer einer physischen CD. So kommt es, dass die Songs nur auf Streaming-Plattformen und bei digitalen Käufen mit Interludes verbunden und eingeleitet werden. Die Hauptsongs des Albums lesen sich wie Metal-Symphonien, die sich in Parts teilen lassen. Wichtiger Bestandteil sind die ausgiebigen instrumentalen Passagen, die man von der Band aus früheren Alben wie 10.000 Days kennt.
Die Single Fear Inoculum beginnt meditativ ruhig. Das Hauptmotiv des Songs aus wenigen Tönen erschließt sich schon in der Einleitung und wird von spirituellen Trommelschlägen begleitet. Dabei kommt es zu den für Tool charakteristischen rhythmischen Verflechtungen und einem schaukelnden Bassmotiv. Der hohe Gesang von Keenan zieht sich aus langgezogenen Worten darüber und baut eine mystische Atmosphäre auf. Harte Gitarrenriffs und neue Parts, in denen der Gesang wechselt und aggressiver wird, folgen. Auch wenn später alle Instrumente in unterschiedlichen Taktarten unabhängig voneinander spielen, passen sie zusammen – das Besondere von Tools Musik wird hier deutlich. Weil man sich in den komplexen Passagen bei jedem Hören auf andere Instrumente konzentriert, entdeckt man immer wieder neue Zusammenhänge. Sowieso sollte man das Hören des neuen Albums in ruhiger Umgebung genießen – denn in Zeiten von Überfluss und Hektik ist die Musik von Tool alles andere als ein flüchtiger Gefallen und wirkt erst, wenn man sich darauf einlassen kann.
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Cold War Kids – Complainer / 4th of July
Die Indie-Gruppe Cold War Kids von der amerikanischen Westküste hat ein neues Album per Vorab-Auskopplung zweier Songs angekündigt. Complainer und 4th of July erschienen im Juni und die Musik ist vielversprechend. Der Mix von Produzent Lars Stalford auf den beiden neuen Songs klingt klar und mit lautem, frontalen Gesang poppig. Wenn die neue Platte, die für den Herbst angesetzt ist, genauso groovy wie die zwei neuen Songs ist, kann man sich darauf freuen.
4th of July überzeugt mit einem stakkato-artigen Klaviermotiv, das die Strophe ausmacht. Die Drums bleiben zurückgenommen und der melodische Gesang steht im Vordergrund. Der Chorus ist weicher, die Instrumente und die zweistimmigen Vocals spielen im Einklang zusammen und lösen sich in ihren Motiven nicht voneinander ab. Im Laufe des Songs kommen immer weitere Instrumente dazu, die sich wie die E-Gitarrenstimme klammheimlich in die zweite Strophe einschleichen. Die Pop-Nummer baut sich bis zum Ende immer weiter auf und bleibt im Ohr. Trotzdem kommt sie nicht ganz gegen den ersten Song Complainer an. Dieser erinnert in der funkigen Strophe aus einem rhythmischen Bass und hohem Gesang stark an Prince in Höchstform. Der Chorus löst die Spannung angenehm auf und bringt einen Chor in das Lied mit ein. Hier wird der Blues-Einfluss deutlich, der die Musik von den Cold War Kids seit ihrer Gründung 2004 begleitet.
Lange war die Band ein Indie-Phänomen, von dem man Songs wie Hang me up to Dry oder First kannte. Mit 131 Millionen Streams gehört First zu den bekanntesten Songs der Band. Das liegt daran, dass man die Musik aus der fünften Staffel der Fernsehserie Suits kennt. Aber auch der gerade erst veröffentlichte Song Complainer wurde in den wenigen Monaten seit der Veröffentlichung über eine Millionen Mal bei Spotify angehört – ein Indiz für seinen süchtig machenden Groove. Und dass Fans die Band zwei Jahre nach dem letzten Studioalbum schon vermisst hatten.
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Bon Iver – i,i
Justin Vernon aka Bon Iver hat im Studio wieder einmal experimentiert. Herausgekommen ist das neue Album i,i, das mit großartigen Melodien und interessanten Sounds überzeugt. Mit Synthesizer und Folk-Gitarre schwanken Bon Ivers Songs im Stil oft zwischen Singer-Songwriter und Electro. Im ersten Song iMi wechseln die beiden Seiten so stark, dass es das Lied schizophren zerreißen könnte. Doch durch eine immer mächtiger werdende Instrumentierung mit Bläsern und Bon Ivers typische, mehrstimmige Gesangsmelodien verbinden sich Electro und Folk und machen daraus einen Popsong, der im Ohr bleibt.
Obwohl die Melodien schlicht sind und Bon Iver mit Songstrukturen aus wenigen Akkorden auskommt, wird i,i nie langweilig. Das liegt an der Art, wie mit den Instrumenten gespielt wird. Die Bläser etwa türmen sich über kurze Zeiträume in der Musik wild und jazz-artig auf und kreieren Spannungen. Durch Echo- und Raum-Effekte klingen die Songs zudem bisweilen überwältigend. So wirkt selbst U (Man Like), ein A-Chapella Lied mit Klavierbegleitung, durch Effekte und Echo groß – man kann sich den Titel gut bei einem Festival-Konzet vorstellen.
Der Sänger und Musiker gewann mit seinen reich ausgeschmückten Liedern bereits 2012 einen Grammy fürs beste Alternativ-Album. Damals kannte man ihn vor allem durch sein Feature im Track Lost in the World von Kanye Wests Erfolgsalbum My Beautiful Dark Twisted Fantasy. Aber auch davor arbeitete er mit bekannten Größen der amerikanischen Musikszene wie beispielsweise St. Vincent zusammen und machte mit seinem Hit Skinny Love auf sich aufmerksam. Mit dem neuen, bereits vierten Studioalbum bringt er weitere Musikkreise zusammen – das beweist die lange Liste von Musikern wie James Blake oder Channy Leaneagh von POLICA, die daran mitgewirkt haben.
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