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Mit Layla Revisited setzt die Tedeschi Trucks Band dem Klassiker ein Denkmal von hinreißender Musikalität, Yola zementiert ihre Stellung als Speerspitze des Soul und Jan Lundgren dokumentiert auf Into the Night ein Hochamt melodischer Schönheit und Wärme.

Tedeschi Trucks Band feat. Trey Anastasio – Layla Revisited (Live at LOCKN’)

Tedeschi Trucks Band feat. Trey Anastasio Layla Revisited (Live at LOCKN’)

An einem Klassiker wie „Layla and Other Assorted Love Songs“ von Derek & The Dominos, ein Grundstein von Eric Claptons Weltkarriere, kann man sich eigentlich nur verheben. Allerdings nicht, wenn man Tedeschi Trucks Band heißt und spieltechnisch anscheinend keine Grenzen kennt. Für Bluesrock- und Jamband-Formationen ist es nichts Ungewöhnliches, Cover ins Programm zu nehmen; die respektvolle Anverwandlung von Fremdmaterial ist in dem Genre gängig. Eine absolute Ausnahme ist es aber, ein komplettes Album auf die Bühne zu bringen. Genau das aber hat die Tedeschi Trucks Band zum 50-jährigen Jubiläum von „Layla …“ beim LOCKN‘ Festival 2019 gemacht und auf 3 LPs gepresst.

Das Ergebnis ist fantastisch. Denn während das federführend von Clapton zusammen mit Duane Allman eingespielte Original dringlich, konzise und hochverdichtet in seiner Ausdruckswucht wirkt, gewinnt die Tedeschi Trucks Band den Songperlen mit Jameinlagen, inspirierten Gitarrendialogen und vielschichtigen Arrangements eine fast spirituelle Weite und Tiefe ab. Verstärkt wird die Tedeschi Trucks Band, in der Regel ohnehin schon in der Besetzungsstärke einer Fußballmannschaft auf der Bühne stehend, an diesem besonderen Abend durch Trey Anastasio, Kopf der legendären Jamband Phish, und Doyle Bramhall II als weiterer Gitarrenmeister. Soweit die Zutatenliste dieses musikalischen Fünf-Sterne-Menüs.

Tedeschi Trucks Band feat. Trey Anastasio Layla Revisited (Live at LOCKN’) 02

Wie man von einer solch hochkarätigen Truppe erwarten darf, spielt sie Claptons Songs nicht einfach nach. Hier sind Gitarrenvirtuosen am Werk, die allesamt dem Meister das Wasser reichen können und in den knapp 100 Minuten mit ihrem Können nicht hinterm Berg halten. Layla Revisited ist aber alles andere als eine Freakshow. Diese Hommage ist voller Feingefühl, Improvisationslust und ein Paradebeispiel, wie zuhörendes Musikmachen funktioniert.

In den ersten beiden Songs, die gleich den Kombinationsreichtum von drei Hauptsängern aufblättern, bleiben die Musiker noch eng am Original. Doch mit „Keep On Growing“ bricht der Damm und es wird virtuos und inspiriert gejammt. Die Licks und Fills der Gitarren greifen butterweich ineinander, die Soli entfalten ein musikalisches Dreiergespräch, relaxt groovend und doch voll knisternder Spannung. In den leisen Passagen gönnt sich die famose Band, allen Druck rauszunehmen und wirft sich locker Motivfragmente zu, ehe die nächste Steigerung in furiosem Spielrausch gipfelt. Manchmal erreicht das Zusammenspiel inklusive Backgroundgesang und saftigen Bläsersätzen eine geradezu ekstatische Intensität („Anyday“).

Tedeschi Trucks Band feat. Trey Anastasio Layla Revisited (Live at LOCKN’) 03

Lassen sich auf solchem Niveau überhaupt noch Highlights ausmachen? Die neunminütige Version von „Layla“ gehört mit Sicherheit dazu, auch „Why Does Love Got To Be So Sad“ mit Susan Tedeschis krönender Soulstimme und sicherlich auch „Key To The Highway“. Was ist mit den anderen zehn Songs? Die sind kaum weniger brillant – und eine Freude bei jedem neuen Hören. Denn wenn so viele Musiker auf der Bühne sind, gibt es bei jedem Mal etwas Neues zu entdecken. Trotzdem lässt die schiere Fülle an Details Claptons Songs zu keinem Zeitpunkt übermöbliert wirken. Ein Ohrenschmaus.

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Yola – Stand For Myself

Yola - Stand For Myself

Yolas kometenhafter Aufstieg wirkt beinahe wie ein Märchen. Ihr Debüt Walk Through Fire brachte der bis dato als Backroundsängerin (u. a. für Massive Attack) wirkenden Soulstimme gleich vier Grammy-Nominierungen ein. Für den ebenfalls unter den Fittichen von Dan Auerbach (The Black Keys) entstandenen Zweitling Stand For Myself dürften Yola nun die Preise entgegen purzeln. Denn die in Bristol als Yolanda Quartey geborene Goldstimme schafft es, in den zwölf Songs ihres neuen Albums die Tradition der großen Souldiven wiederaufleben zu lassen und in die Gegenwart zu führen. Yola ist mit einer dunklen, voluminösen, fein gekörnten Ausnahmestimme gesegnet, der alles zwischen verliebtem Falsett-Säuseln und knarziger Power zur Verfügung steht. Jeder feinen Nuance der melodienseligen Soul- und R&B-Nummern spürt sie natürlich, einfühlsam und mit immensem Können nach.

Yola Stand For Myself 02

Yolas samtige Stimme steht unangefochten im Zentrum des hallschwangeren Retrosounds und trägt mühelos die Songs. Den Boden bereitet ihr eine knackig groovende Rhythmusgruppe mit tänzelndem Bass, im Hintergrund malen Schichten von Gitarren und Tasten Stimmungsbilder. Klar, dass in Balladen wie „The Great Divide“ dann noch Streicher und Glockenspiel für den Zuckerguss dazukommen. Das ist klassischer Soul, zeitlos schön und für die Gegenwart attraktiv aufgehübscht mit Pop-Anklängen.

Yola Stand For Myself 03

Wahrscheinlich wirkt Yola auf Stand For Myself so überzeugend, weil sie viel Herzblut, eigene Empfindungen und Erfahrungen in die Songs legt. Gegen vielerlei Widerstände musste sich Yola behaupten. Doch jetzt versteckt sie sich nicht mehr, verrät sie im Titelsong. Sie hat Selbstvertrauen und gibt sich in den Liebesliedern verletzlich. Wenn es eine Botschaft gibt, die als Summe unter dem gesamten Album steht, ist es: Carpe Diem! Yola hat allerdings keine rosarote Brille auf, sondern spricht klar aus, dass keineswegs alles gut ist („Diamond Studded Shoes“). Ohne jeden Anflug von Sauertöpfigkeit verpasst sie der harten Realität ein musikalisches Gewand, das Hoffnung vermittelt und die Soulmelodie im Refrain wie mit einem Sprungbrett in höhere Sphären katapultiert. In der Mitte des Albums findet das Album zu seinem Höhepunkt: Der sparsam begleitete R&B-Song „If I Had To Do It All Again“ präsentiert die gesamte Bandbreite von Yolas stimmlichen Möglichkeiten. Im Soul der Gegenwart setzt sie sich damit an die Spitze.

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Jan Lundgren – Into the Night

Jan Lundgren Into the Night

Als himmlische Fügung bezeichnet der schwedische Jazzpianist Jan Lundgren das unverhoffte Zusammentreffen in einer markanten neuen Triobesetzung. Der umjubelte Auftritt des aus dem Stegreif entstandenen Ensembles beim Ystad Sweden Jazz Festival Anfang August 2020 ist nun bei ACT in einer klanglich äußerst fein schattierten Aufnahme erschienen. Statt der klassischen Jazztrio-Besetzung holte Lundgren aufgrund der coronabedingten Reiseregelungen kurzerhand den französischen Sopransaxofonisten Émile Parisien ins Boot, einen in der gegenwärtigen Jazzszene Heißbegehrten. Das zusammen mit Bassist Lars Danielsson geformte Trio kommt ganz ohne Taktgeber aus. Aber damit hat Lundgren seit den viel gepriesenen „Mare Nostrum“-Platten mit Richard Galliano und Paolo Fresu viel Erfahrung.

Jan Lundgren Into the Night 02

© Markus Fägersten

Lars Danielssons melodisches Bassspiel und Parisiens stilistisch sattelfeste Verspieltheit verbinden sich äußerst schmiegsam mit Lundgrens lyrischem Klavierspiel. Into the Night ist Portwein-Jazz: Lyrisch weich, melodisch warm, etwas sämig und angenehm süß fließen die Melodien in bester kammermusikalischer Manier gleichberechtigt ineinander. Was bei diesem feinfühligen musikalischen Austausch herauskommt, ist eingängig, unaufgeregt und vielschichtig.

Jan Lundgren Into the Night 03

© ACT_Steven Haberland

Am besten funktioniert diese ohne klangliche Widerhaken und melodische Härten auskommende, fast durchweg leicht melancholische Feier der Schönheit in jenen Nummern, die ohne längere Solospots die stimmungsvolle Interaktion der drei begnadeten Melodiker mit bittersüßen Linien ins Licht rückt, etwa in „Asta“, „Schubertauster“, in dem Lundgren Franz Schuberts musikalisches Idiom mit seinen rhythmischen Konturen und stimmungsvoll eingesetzter Harmonik in den Jazz übersetzt – oder dem sommerabendlichen „Into the Night“. Da teilt sich eine zart empfindsame musikalische Kommunikation auf Augenhöhe mit, die vor allem darauf aus ist, den dunkel gefärbten Melodien von Émile Parisien einen roten Teppichboden auszurollen. Der Bandleader am Klavier versucht nie, sich in den Vordergrund zu spielen, sondern hat das spielerisch leichte Zusammenwirken der drei Stimmen im Blick. Wenn das so unangestrengt von der Hand geht, verlangt die himmlische Fügung dieses Trios eigentlich nach einer Fortsetzung. Das wäre schon allein deshalb geboten, weil der Spaß von Into the Night nach nur 45 Minuten vorbei ist.

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