SML – Small Medium Large
Lange wurde es in der amerikanischen Jazzszene erwartet – nun hat das Quintett SML um die Bassistin Anna Butterss endlich sein Debütalbum Small Medium Large veröffentlicht. Neben Butterss‘ Bass sind auf der jazzigen Platte Synthesizer, Saxofon, Percussion und Gitarre zu hören, die einen spannenden, von elektronischen Loops, Remixes und Fusion beeinflussten Sound erklingen lassen.
Das Fiepen und elektronische Flattern, das oft zu hören ist, kommt im Song „Dolphin Language“ besonders gut rüber. In der ruhigen Nummer mischen sich die Synthie-Sounds mit klirrenden und perligen Percussions, der Bass wandert bedächtig und das Saxofon steuert langgezogene Töne bei. Immer mal wieder erklingen Solo-Gitarreneinwürfe, die die meditative Atmosphäre aufmischen. Gen Ende wird es digitaler – hier verwandelt das Quintett die Nummer gefühlt in ein elektronisches Störsignal, bevor der Song und damit auch das Album mit einem Delay-belegten Akkord ausklingt.
Beschwingter geht es in der Single „Three Over Steel“ zu. Hier haben das Saxofon und die Gitarre in den Strophen ihre großen Solo-Momente. Der Beat aus Bass, Synthie und scheppernden Drums treibt das Stück nach vorne. Der Song versprüht so viel positive Energie, dass man gerne bei den Aufnahmen dabei gewesen wäre. Diese fanden übrigens live in der ETA Bar in Los Angeles statt, hier nahmen SML alle Songs in nur zwei Tagen im April und Oktober 2023 auf. Dass das Album erst jetzt erscheint, führte zu Diskussionen um die gefährdete Jazz-Szene an der Westküste der USA. Die Bar musste inzwischen nämlich schließen und die Orte für die Avantgarde-Szene werden generell immer weniger.
Mit Veröffentlichungen wie Small Medium Large sollte die Aufmerksamkeit hoffentlich wieder größer werden. Das Album zeigt durch den brillanten Fusion-Mix wie aufregend Jazz heute sein kann – und dass Orte wie das ETA massiv dazu beitragen, Jazz lebendig werden zu lassen. Unbedingt reinhören!
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The Drin – Elude the Torch
Der Musiker Dylan McCartney gehört zur produktiven Sorte. Mit Elude the Torch veröffentlicht er das mittlerweile fünfte Studioalbum seines Garage-Punk-Dub-Projekts The Drin innerhalb von vier Jahren. Vor allem die Atmosphäre, die von verlassener Industriehalle bis zu folkiger Verträumtheit reicht, macht dieses Album so besonders.
Der Opener „Bascinet“ beginnt mit Schritten und Vögeln, die in der Ferne zwitschern. Bald setzt die Band ein und überzeugt mit einer rockigen Nummer, in der die Solo-Gitarre im Hintergrund heult und ein Schellenring durchgehend den Beat antreibt. Dazu kommen, ganz nach Americana-Art, eine Mundharmonika und Akustik-Gitarren-Akkorde. Der Gesangspart von McCartney geht in dieser Atmosphäre fast unter – was zeigt, dass die Songs von The Drin hauptsächlich über die Instrumente, die Aufnahmetechnik und den Mix funktionieren.
Der Titelsong ist eine Garage-Rock-Nummer, die krachiger beginnt. Eine Gitarre mit Wah-Wah-Effekt hat hier ihre großen Momente und hört sich fast wie Geplapper an, später lässt dieser Effekt nach und die Gitarre spielt verzerrte Soli. Ansonsten treiben die Percussions und der Bass das Lied voran.
Wie ein Film-Soundtrack eines Western-Klassikers hört sich hingegen der nächste Song „Tomorrow’s Just Laughin‘“ an. Eine Westerngitarre gibt das Thema vor und Flöten tragen zur mysteriösen Stimmung bei, die in diesem Filmgenre so ausschlaggebend ist. Auch Songs wie „Tigers Cage“ versprühen einen solchen Spirit, mischen aber mit klassischen Rock-Riffs neue Einflüsse ein. Dass McCartney, wenn er überhaupt ans Mikrofon geht, größtenteils spricht, macht den Song umso interessanter. Die Atmosphäre spielt auch im letzten Track „No One Knows for Sure/Prato Della Valle“ die wichtigste Rolle. In dem zehnminütigen Stück, das nach knapp viereinhalb Minuten von schwungvollem Rock zu bedächtiger Meditation wechselt, kommt neben der typischen Bandbesetzung eine ganze Bandbreite an Instrumenten – darunter Streicher, Klavier und Percussions – zum Einsatz. Sehr gut!
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NEW YORK – Rapstar*
Mit dem unspektakulären Namen New York haben sich die Performance-Künstlerin Gretchen Lawrence und Coumba Samba aus London inzwischen einen Namen in der Electro-Szene gemacht. Ihr musikalisches Konzept aus Loops, Samples, Hip-Hop und Glitch ist auch auf ihrem zweiten Album Rapstar* zu hören. Trotz aller Unzugänglichkeit, die durch die avantgardistische Mischung aus Electro-Samples, computerverzerrten Vocals und sperrigen Songstrukturen entsteht, besitzt ihre Musik einen gewissen Suchtfaktor.
Das auf Streaming-Plattformen in „Side A“ und „Side B“ unterteilte Album beginnt mit „*“, einem 37-sekündigen Opener aus Synthies, die sich mit Bass-Beat und Glitch-Sounds vermischen und schließlich in „bronx“ übergehen. Hier ist der Sprechgesang, der durch elektronische Interventionen unterbrochen wird, im Vordergrund. Samba beginnt mit den Worten „I went up to the bronx“ und endet schließlich in einem Loop aus „in the bronx I walk“. Nach der ersten Strophe wird ihre Stimme bis ins Unkenntliche gesampelt, sodass die Worte abgehackt, wie Echos beziehungsweise nur noch wie Geräusche erklingen. Weil Samba mit monotoner Stimme performt, klingen die Samples so, wie man sich einen gefühllos sprechenden Roboter vorstellt. Dass trotzdem so etwas wie ein Ohrwurm entsteht und man die Worte „in the bronx I walk“ nicht mehr aus dem Kopf bekommt, spricht für den Song.
Eingängig und damit einprägsam ist auch „ah“, ein Song, der sich wie eine Elektro-Hymne mit melodischem Bass aufbaut und in mehreren „ahs“ gipfelt. Dabei entwickelt sich die Bassmelodie immer metallischer, bevor sie gegen Ende wieder weich und unverzerrt wird. Dass in anderen Stücken weitere Stimmen wie die von Ren G oder Lolina erklingen, wirkt erfrischend. Dabei ist der Track „hi“, der einen Anruf simuliert und wie eine Voice-Message auf einem wabernden Beat klingt, ein weiteres Highlight. Die Abwechslung in den Songs ist eine Bereicherung für das ganze Album, weil sich so eine Balance aus Avantgarde und Club-Sounds aufbaut.