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Also nun: Vier herrenlose Samurai scharen sich um Nik Bärtsch: Sha – Bassklarinette und Alt-Saxophon, Björn Meyer am Bass, Andi Pupato – Percussion und Kasper Rast an den Drums. Bärtsch (der sämtliche Stücke komponiert) spielt Piano, dies aber häufig eher perkussiv als melodisch. Das ist vielleicht das Erste, was auffällt: Dies ist eine sehr avancierte Rhythmusgruppe, Melodien werden als (verkürztes) Ausgangsmaterial benutzt, um ein fortlaufend komplexer werdendes rhythmisches Gebäude zu errichten; und bisweilen werden sie auch als Ornament für dieses Gebäude verwandt – aber der Kern ist eben der Rhythmus. So sehr, dass die Gruppe und ihr Zusammenspiel der Rhythmus sind, es ist nicht so, dass dies ein Teilbereich ist, der an Drums & Bass delegiert würde, und die anderen machen eben etwas anderes.
Womit wir beim Zweiten wären, was dem Hörer auffällt: Dies ist eine Gruppe, kein zufälliger Zusammenschluss von Einzelpersonen. Musikalisch zeigt sich das durch das sehr verzahnte Spiel der Musiker, hier gibt es keine solistischen Ausreißer, jeder Part ist sehr eng (oder streng) in die Gesamtkonzeption eingebunden. Die Band spielt schon sehr lange zusammen und sie tun das auch und vor allem montags: Denn jeden Montag finden im Züricher Bazillus-Club Konzerte der „Ronins“ statt, schon über 150 (!) Sessions wurden hier bestritten. Vielleicht sind dies – um die Kampfkunst-Metapher aufzunehmen – auch eher Trainingseinheiten, in denen die bekannten Bewegungsabläufe eingeübt, variiert und rearrangiert werden. Gerne wäre ich da einmal zu Gast.
Sämtliche Stücke werden als „Module“ bezeichnet, auf der aktuellen CD „Holon“ sind es beispielsweise die Module 42, 41_17, 39_8, 46, 45, 44. Dieses Abstrakte soll den Hörer zum einen bewusst von einer „poetischen Voreingenommenheit“ fernhalten, diene zum anderen aber einer (schlicht) chronologischen Zählweise. Es beschreibt aber auch die Musik selbst sehr treffend. Denn drittens lässt sich feststellen, dass die Stücke modular aufgebaut ist, insofern, als einzelne Melodie-, Themen- und Motiv-Bausteine (zeitversetzt oder leicht variiert) zusammengefügt werden.
Nun, so ist das doch immer, mag man einwenden. Na ja, fast. Durch die Kürze und Einfachheit der einzelne Module / Bausteine und vor allem auch vermittels ihrer beständigen Wiederholung, prägen sie sich leicht ein und sind als „Motiv-Schnipsel“ separierbar. Und sie bleiben auch dann noch „sichtbar“, wenn im Verlauf eines Stückes viele dieser Einzelteile zusammengetragen werden.
Vielleicht ist dies mit einem Mosaik vergleichbar: Zunächst liegt da wirklich nur ein einziges kleines Steinchen in der Mitte, dann kommt ein zweites hinzu, ein drittes, usw. – bis schließlich zu erkennen ist, dass die Teile zu einem größeren Bild gehören. Hört man jedoch „hinein“ – tritt also näher an das Mosaik heran – sind die einzelnen Steine wieder da. Und so kann man in diese Musik hineinzoomen und die meist sehr reduzierten Themen einzeln betrachten – aber auch auf Fernsicht schalten und dabei Gesamtentwicklung dieser Themen verfolgen. Um aber im Bild zu bleiben, müsste man in der Lage sein, sich ein dynamisches und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten entwickelndes Mosaik vorstellen zu können …
Plattenkritik: Nik Bärtsch's Ronin - Holon