Zum Auspacken ist sie viel zu schade: Wie ein kostbares Geschenk kommt der Prag-Drittling Es war nicht so gemeint im vorgeblich simplen, recht eigentlich aber hochraffinierten DIY-Look daher, der, ganz auf der Höhe der Zeit, Vintage und Shabby Chic vereint. So wie weißgetünchte Möbel und Handlettering florieren, wie Gläser mit liebevoll etikettiertem Selbsteingekochtem wieder aufgemacht werden wie zu Großmutters Zeiten und Musik gern wieder mit längst schon eingemottetem Retro-Equipment aufgenommen wird, schlägt man auch Geschenke ganz selbstverständlich wieder in (artifizielles) Zeitungspapier ein, zusammengehalten von edlen Rundschnüren wie vom Posamentenmacher gewirkt.
Allein die Verpackung ein kleines Kunstwerk! Gut, wenn man sich doch zum Öffnen – das gleichbedeutend mit dessen Zerstörung ist – durchgerungen hat: Hätte man sonst doch verpasst, wie die Berliner Popchansonniers auf ihrem mit sechzehn Titeln durchaus als ambitioniert zu bezeichnenden Werk trachten, den Weggang Nora Tschirners zu kompensieren.
Dies gelingt schon mit Stück Nummer zwo, der „Where The Wild Roses Grow“-Reminiszenzen heraufbeschwörenden Murder Ballad „Der Moment“ ganz wunderbar, die erstmals Josephin Busch, welche ihre Schauspielkollegin Tschirner an den Vocals ablöst, als Duettpartnerin Erik Lautenschlägers vorstellt. Und die macht ihre Sache gut. Während Indie-Pop-Schlager wie „Amnesie“ ratlos lassen, besticht das opulent-düstre „Der Mond“ nicht nur mit einer formidabel-fragilen Busch, sondern auch mit einer von Louise-Gold-Produzent Guy Sternberg erbauten, streicher- und flötenreichen Wall of Sound. Die erstrahlt zu voller Pracht auf dem leicht an den Jimmy-Ruffin-Klassiker „What becomes of the Broken Hearted“ erinnernden „Abgemacht“, für das Motown-Beat meets Keimzeit als Motto Pate stehen könnte. Allein der Bläsersatz macht hier unglaublichen Spaß! Hübsch: Die Fabel „Das schönste Wort der Welt“, die mit einer Art New Orleans’schem Trauermarsch aufwartet.
Auch auf der glamourösen Rockabilly-Noir-Nummer „Ich sehne mich“, dem heimlichen Album-Highlight, schöpft Sternberg aus dem Vollen. Da klingt ein bisschen Travestierevue à la Dana Internationals „Viva La Diva“ an, und, man mag seinen Ohren kaum trauen, hat er da zum Schluss noch Mariachi-Trompeten reingemischt? Minimalismus jedenfalls ist für Prag, die alle Band-Parts live eingespielt haben, entschiedenes Fremdwort, was neben Sternbergs Soundhexerei vor allem den oft überbordenden Arrangements Tom Krimis zu verdanken ist.
Des Guten zu viel indessen wollen Stücke wie „Es wird anders sein“, „Noch ein paar Meter laufen“ oder „Was können die Blumen dafür“. Hier bräuchte der Hörer dringend eine Atempause vom schlageresk-stampfenden Party-Rhythmus. Erst die moderne Herzschmerznummer „Es scheint“ besinnt sich trotz grenzwertigen Refrains auf die retrochansoneske Stärke der Band, die hier vor allem der ganz speziellen, knochenehrlichen Phrasierung Buschs geschuldet ist. Vor allem aber die flötenumrankte Akustikgitarrennummer „Wenn du magst“ mit ihrem kammermusikalischen Appeal und die direkt dem letzten Spaghetti-Western entsprungen scheinende „Es war nicht so gemeint“-Reprise zeigen wieder, warum sich das Auspacken gelohnt hat, denn dieses Prag-Album ist wie eine gemischte Pralinenschachtel: Manche Nascherei mag man mehr, manche weniger, an mancher gar überisst man sich – aber insgesamt ist man froh, dass jemand sie mitgebracht hat.
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