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September 2010 / Victoriah Szirmai
Das war dann also die Popkomm, die sich als „your gateway to the new music business“ versteht und dieses Jahr einen Neustart wagen wollte. Halb so groß wie früher, eingebettet in die Berlin Music Week und am neuen Standort auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Berlin-Tempelhof ansässig, sollte für drei Tage die internationale Musikindustrie in die deutsche Hauptstadt gelockt werden.
Schon der U-Bahnhof „Platz der Luftbrücke“ soll dem Ankömmling mittels Be Sushi, be Döner, BBBerlin-Plakaten klar machen, dass es hier weltoffen und multilingual und überhaupt zugeht:
Dasselbe gilt für die Popkomm: Eine internationale Messe will man (wieder) sein – doch die Global Player fehlen, und auch im Länderverzeichnis klafft die ein oder andere unübersehbare Lücke. Wirklich ernst nehmen scheint den ehemals so wichtigen Branchentreff niemand mehr. Geblieben ist das klassische 3-Tages-Format. Mittwochs beschnuppert man sich, donnerstags macht man Verträge, freitags wird gefeiert.
Nach dem letztjährigen Desaster – ob eines prognostizierten „eklatanten Einbruchs“ der Fachbesucherzahlen musste die Popkomm kurzerhand abgesagt werden – gelang es der Messeleitung in diesem Jahr, gut 400 Aussteller aus mehr als 20 Ländern nach Tempelhof zu locken. Das klingt erst einmal viel, tatsächlich sind es aber so wenige wie nie. Bedenkt man, dass sich manchmal 78 (Deutschland), 31 (Italien), 29 (Österreich), 28 (Dänemark) oder 27 (Schweiz) Aussteller einen Stand teilen, wird die Messe sehr schnell sehr überschaubar. Die USA besetzen mit gerade einmal fünf Ausstellern den kleinsten Stand, die Südamerikaner sucht man vergebens, dafür hält sich ein Exot aus Kamerun wacker.
„Damit der Schwund nicht so auffällt“, lästert Kollege Jens Balzer in der Berliner Zeitung, wurden die Stände vorsätzlich „unübersichtlich platziert“. Entgegen kommt der Messe dabei die verschachtelte Architektur des alten Flughafens. Der Orientierung indessen ist sie nicht gerade dienlich, und im persönlichen Gespräch erfährt man auch, was die Aussteller von der neuen Location mit ihrem morbiden 30er-Jahre Charme halten: nämlich nicht viel. Die Wege sind lang, die Infrastruktur lässt zu wünschen übrig, allein das Rollfeld reißt so einiges heraus, gilt es doch als die größte Open Air-Arena der Hauptstadt, wo drei Bühnen zeitgleich bespielt werden können, ohne dass sie sich akustisch in die Quere kommen. Zudem war das Tempelhofer Feld bereits im Jahr 1922 zur Nutzung durch Messeanlagen vorgesehen, sodass das neue Konzept der Popkomm eigentlich ein altbewährtes ist.
Für die Ordner aber schien auch am dritten Tag alles noch neu zu sein, denn wo eine Garderobe oder gar der „eigentliche“ Eingang sei, das wüssten sie auch nicht. Und so traf man dann auch erst einmal auf herumirrende Kollegen, tauschte Anekdoten und Karten – die Journaille zumindest hatte ihr Thema gefunden. Immerhin sollen diese „organisatorischen Dissonanzen“ (Stefan Michalk, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Musikindustrie) im nächsten Jahr behoben werden.
Sofern es im nächsten Jahr noch eine Popkomm gibt, denn die Einbettung in die Berlin Music Week mit Berlin Festival (Konzerte) beziehungsweise all2gethernow (Kongress) sorgte dafür, dass die Marke „Popkomm“ zumindest optisch völlig verdrängt wurde. Das geht schon bei der Akkreditierung los, als die Journalisten zunächst eine Stunde lang – und vergeblich, wie sich später herausstellen sollte – am omnipräsenten Schalter der Berlin Music Week warten. Der Einlass zur Popkomm ist nicht einmal auf den zweiten Blick auszumachen. Paradox: Mit einem Popkomm-Badge kann man alle Berlin Music Week-Veranstaltungen besuchen, umgekehrt jedoch nicht. So zumindest die Auskunft an Schalter Nummer eins. Schalter Nummer zwei sieht das anders. Auch nachdem die Hürden am Einlass genommen sind, herrscht Verwirrung. Man steht in der Haupthalle des Flughafens, denkt, man sei schon drin – aber nein, ganz hinten, am Ende der Halle, ist ein zweiter Eingang …
… und dahinter das, was von der Popkomm geblieben ist: Ein T-förmig gegabelter Gang, der ehemalige Flugsteig, wo die oben genannten Aussteller des B2B-Bereichs ihre Zelte, pardon, Stände, aufgeschlagen haben …
Event: Popkomm 2010