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Oscar Peterson – Exclusively For My Friends

August 2014 / Victoriah Szirmai

Heute habe ich etwas für die Jäger und vor allem Sammler unter Ihnen im Gepäck, denen ihre Platten, ich zitiere Baudrillard, den ich mir kürzlich zum Geburtstag habe schenken lassen, also denen ihre Platten „Grund einer Leidenschaft sind, der Leidenschaft des Besitzens, deren gefühlsmäßige Stärke sich in nichts von der Leidenschaft zu einer Person unterscheidet“ und „häufig alle anderen an Heftigkeit übertrifft und manchmal sogar die einzige ist, die einen ergreift“, wobei ich Ihnen Letzteres gar nicht unterstellen, sondern lediglich auf die unbestreitbare Tatsache hinweisen möchte, dass alle Plattensammler unter Ihnen recht haben, ist Plattensammeln doch die schönste Nebensache der Welt.

Oscar Peterson cover

Wobei ich „Platten“ hier nicht als Synonym für Alben verstanden wissen will, die ja auch schon mal in Form von CDs oder Downloads daherkommen können, sondern als Kurzform der guten alten Schallplatte, gemacht aus dem Stoff, aus dem die Träume sind, der die profane Materie, in diesem Falle: den Kunststoff Polyvinylchlorid, längst überwunden hat und in etwas kumuliert, das sich in zwei Worten fassen lässt: Lebensgefühl Vinyl.

Oscar Peterson 1.1

Auf ganzen sechs Vinylscheiben werden den sammelwütigen Freunden des kanadischen Jazz-Pianisten Oscar Peterson und denen, die es werden wollen, exklusiv jene Aufnahmen vereint zur Verfügung gestellt, die seit den frühen Sechzigerjahren in den nach den Initialen von MPS-Labelgründer Hans Georg Brunner-Schwer benannten HGBS-Studios in Villingen entstanden und sich mittlerweile mit Fug und Recht zu den legendären Jazzproduktionen zählen dürfen. Wir erinnern uns: MPS – kurz für Musik Produktion Schwarzwald – hatte sich nicht nur als erstes deutsches Label, dass ausschließlich auf Jazzproduktionen setzte, einen herausragenden Ruf erworben, sondern galt mit seinen hochkarätigen analogen Aufnahmen auch lange Zeit als Garant für eine außergewöhnliche Klangqualität, und das, obwohl (oder gerade weil) ein Teil der Produktion im mit feinster Aufnahmetechnik vollgestopften Wohnzimmer Brunner-Schwers eingespielt wurde. Kein Wunder, dass die frühen MPS-Veröffentlichungen als Blaupause aller Wohnzimmerkonzerte gelten!

Oscar Peterson 1.8

Neben solch umwerfend intimen Aufnahmen veröffentlichte MPS aber auch Live-Produktionen, wie etwa Mitschnitte der Berliner Jazztage, der Donaueschinger Musiktage oder dem New Jazz Meeting Baden-Baden. Das HGBS-Studio in Villingen hingegen, dessen Herzstück ein acht Oktaven umfassender Bösendorfer Grand Imperial-Flügel ist, der in den 1960er-Jahren für den Pianisten Friedrich Gulda angeschafft wurde, genießt mittlerweile „aufgrund seiner Originalität und Integrität, des besonderen Seltenheitswertes einiger Stücke und des generellen dokumentarischen Wertes“ den vom Landesdenkmalamt Baden-Württemberg verliehenen Status eines Kulturdenkmals. Die heiligen Hallen zeichnen bis heute für audiophile Jazzaufnahmen, wie etwa jene vom Peter Madsen Trio, verantwortlich. Der MPS-Katalog landete indessen nach vielen Umwegen im Januar 2014 bei der Edel AG, die ihn mit dem Ziel einer unter das Motto „Reforest The Legend“ gestellten umfangreichen Wiederbelebung für seine Jazzdivision Edel:Kultur erwarb. Genauer wurde der Katalog, und so auch die Aufnahmen Petersons, in die Hände des audiophilen Vinyl-Sublabels Triple A, gelegt, das durch die aufwändig ge-remasterte Neuveröffentlichung auf 180-Gramm-Vinyl inklusive des originalen Artworks den ursprünglichen Zauber der Stücke einer neuen Generation nahebringen will.

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Im Jahr 1961 jedenfalls gelang es Brunner-Schwer, der als ehemaliger Inhaber der HiFi-Dynastie SABA ein Faible für hochwertige Studiotechnik hatte, den schon seinerzeit gefeierten Pianisten Peterson aufgrund der Ausstattung seines Studios über den Großen Teich in den Schwarzwald zu locken. Damals noch an den im Wohnzimmer aufgebauten Steinway, wo er flankiert von dem Bassisten Ray Brown und dem Drummer Ed Thigpen vor einem handverlesenen Publikum Platz nahm. Der Mitschnitt, weitaus wärmer als eine sterile Studioaufnahme, doch ohne die Störgeräusche eines Nachtclubs, begeisterte den Künstler auf Anhieb.

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Der Rest ist auch hier wieder einmal Geschichte, gekrönt von einer lebenslangen Freund-, ja: Seelenverwandtschaft zwischen Peterson und dem Schwarzwälder Labelboss. Exclusively for my Friends umfasst sechs stilistisch weit gespannte Sessions in wechselnder Besetzung, von der nicht nur für Geschichtsfreaks interessanten Dokumentation des oben beschriebenen, ersten Hauskonzertes auf der Pilotplatte „Action“, die Material von Cole Porter und Georg Gershwin umfasst, über die Folge-LP „Girl Talk“, in der sich Oscar Petersons Trio neu formiert, sowie den drei Platten „The Way I Really Play“, „Mellow Mood“ und „Travellin‘ On“, auf denen es mit Sam Jones am Bass und Bobby Durham an den Drums seine Idealbesetzung gefunden hat (wobei beide Trios Petersons bis heute zu den erfolgreichsten der Jazzgeschichte gehören), bis hin zu dem bezeichnungsreich mit „My Favorite Instrument“ betitelten Veröffentlichung, Petersons erste Soloplatte überhaupt, die der zeitgenössischen Kritiker Gene Lees für „das beste Jazzpiano-Album, das je gemacht wurde“, hielt.

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Um dem sagenumwobenen Klang der ursprünglichen Veröffentlichungen möglichst gerecht zu werden, setzt Exclusively For My Friends auf die Expertise der Toningenieure Dirk Sommer und Christoph Stickel, der in der Vergangenheit für ECM-Remasterings wie Keith Jarretts Köln Concert verantwortlich zeichnete. Die Verpflichtung zur historischen Werktreue bedeutet für die beiden Tonmänner nicht nur, ihre behutsame, aus minimalen Änderungen wie etwa der Anhebung des Bassdrucks oder der Entschärfung der Becken bestehenden Nachbearbeitung ausschließlich mit analogem Equipment vorzunehmen, sondern auch, sämtliche Klangereignisse der ursprünglichen Mitschnitte, wie beispielsweise den Applaus der anwesenden Wohnzimmergäste, beizubehalten. Im Grunde müsste man hier von Veredelung und nicht von Optimierung sprechen.

Wer sich persönlich von der Qualität der LP-Box überzeugen möchte, hat die Gelegenheit, eine exklusive Zwei-Track Vinyl-Splitsingle, 45rpm, zu gewinnen, die auf Seite A „On A Clear Day“ aus Girl Talk, auf Seite B „Alice in Wonderland“ aus The Way I Really Play präsentiert. Schreiben Sie uns einen freundlichen Leserbrief zu diesem Artikel (bis Ende August 2014), und schon sind Sie im Lostopf. Viel Glück!

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