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Samstagnacht-Fieber … Bevor wir jetzt in einem See aus Melancholie versinken (was ja ab und an ganz schön sein kann – aber, wie gesagt: ab und an!), legen wir doch lieber das neue Teil von The Rapture in das Tonwiedergabegerät unserer Wahl und drehen die Lautstärke auf. Schon mit den ersten Takten dürfte klar werden, dass wir es mit einem wahrhaften Groove-Ungeheuer, einem krassen Kontrastprogramm zu den ersten – und ich kann es an dieser Stelle verraten: auch den letzten – beiden den CDs dieser Kolumne zu tun haben. Hier (re-)mixen sich die Pioniere des Dance Punk und der No Wave Renaissance durch Klassiker und Rares der letzten dreißig Jahre, von Folk-Sänger Richie Havens über Wu Tang Clan-Mitglied Gostface Killah bis hin zum vielgescholtenen DJ Armand van Helden. Kein Wunder, dass das Album ursprünglich The Raptures Beitrag zur renommierten DJ Kicks-Serie des Elektronic-Labels !K7 werden sollte! Ob des am 31. Dezember 2008 erscheinenden DJ Kicks-Albums von Burial hat man aber lieber auf Konkurrenz im eigenen Hause verzichtet und die Scheibe von The Rapture schlicht als Tapes veröffentlicht.
Nicht die schlechteste Titelwahl, gemahnt die Songauswahl den Hörer doch an ein gutes altes Mixtape und vereint gestandene Namen der Musikwelt mit Untergrund-Ikonen. Legenden des Southern Soul wie die Bar-Kays, ihres Zeichens ehemalige Backing Band von Otis Redding, und Woodstock-Veteranen wie Richie Havens, der eine funky House-Version des Odyssey-Hits Back To My Roots zum Besten gibt, reichen sich mit Kuriosem wie Don Armando’s Second Avenue Rumba Band die mikofonumklammernden Hände. Funk, Soul, Rare Grooves, HipHop, frühe New York Disco wie Studio 54 oder Danceteria, Elektro und Techno bilden im Raptures-Remix eine Einheit und lassen sämtliche stilistische Grabenkämpfe der Vergangenheit angehören.
Ganz en passant vermittelt das stark party-affine Tape drei Dekaden Musikgeschichte in nur siebzig Minuten, ohne dass der Hörer das Gefühl hat, belehrt zu werden. Ihm eröffnet sich vielmehr eine galaktische Soundreise vom beatlastigen Beginn mit Earthquake Shake von The Undisputed Truth und Daytona 500 aus Ghostface Killahs 1996er Debütalbum über 1980er Disco bis zum sogenannten ‚Township Funk‘ des Südafrikanischen Bounce-DJs Mujava und einer Sektion zeitgenössischer Elektronika – um mit dem Underground Resistance-Act Galaxy 2 Galaxy bei den musikalischen Wurzeln von The Rapture einen würdigen Schlusspunkt zu setzen.
Die Geschichte der Club-Musik wäre allerdings nicht vollständig ohne den Beitrag ihrer europäischen Protagonisten, und so unternimmt Tapes mehr als einen kurzen Abstecher über den großen Teich und macht weder um die Pioniere der französischen Disko wie Martin Circus oder die Créme-de-la-Crème der zeitgenössische Franco-DJs (Daft Punks Thomas Bangaltar) oder Deep-House Ikone Kiloo einen Bogen. Noch um das Schwedische Duo Donk Boys, welches modernsten Sci-Fi-Electro liefert, Deutschlands Alter Ego, der den Geist des klassischen Acid House hochhält oder der Belgier Kid Creme, der das Thema der Trash-TV-Show The Six Million Dollar Man in einen mächtigen Techno-Stomp verwandelt. All das entbehrt nicht eines gewissen Sinnes für (musikalischen) Humor, der neben Wagemut und Geschichtsbewusstsein wohl das hervorstechendste Merkmal der Tapes ist.
Hätte ich die schwere Aufgabe, ausgesprochene Tanzmuffel auf der anstehenden Silvesterparty zum Rocken bringen zu müssen: dieses Album wäre die erste Wahl.
Plattenkritik: Johann Johannsson | I Am Kloot | The Rapture Noa | Arve Henriksen