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Arve Henriksen / Cartography

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  1. 5 Arve Henriksen / Cartography

Arve Henriksen / Cartography

Musik ohne Hörer … Vollends in die dunkle Jahreszeit zurück beamt uns eine neue Produktion aus dem Hause ECM: Arve Henriksen, norwegischer Trompeter und vor allem durch die Aufnahmen mit seinem Quartett Supersilent bekannt, legt mit Cartography sein erstes ECM-Soloalbum vor. Das wird auch Zeit, kam sein einzigartig lyrischer, flüssiger und schmeichelnder Klang in den letzten zehn Jahren doch vor allem bei den Aufnahmen von Label-Kollegen wie beispielsweise dem Pianisten Christian Wallumrød zum Tragen.

Arve Henriksen

Aufgenommen zwischen 2005 und 2008 mit einer Gruppe wechselnder Musiker aus den Bereichen Jazz, elektronische Musik, Ambient, Klassik und DJ/Remix, kann Henriksen nun seine musikalische Flexibilität unter eigener Regie unter Beweis stellen. Cartography vereint Klangcollagen aus schwebendem Trompetenton und gesprochenem Wort, rezitiert von Sänger und Lyriker David Sylvain, mit Fragmenten von William Brooks’ Anima Mea und den gesampelten Stimmen der Sängerinnen des Trio Mediaeval. So zeichnet das Album die musikalische Landkarte der Henriksen’schen Vorlieben und unvermittelten Stimmungen, stellt ausgeklügelte Studioaufnahmen neben spontane Live-Mitschnitte, Durchkomponiertes neben Improvisation. „Ich halte Ausschau nach musikalischen Gebieten, die mich genügend interessieren, um immer wieder zu ihnen zurückzukehren“, erklärt Henriksen die ihm eigene Art der musikalischen Kartographie.

Arve HenriksanNeben seiner Vorliebe für fernöstliche Klänge ist die Kombination akustischer Instrumente mit moderner Elektronik ein bevorzugtes Stilmittel des Trompeters, zu welchem ihn die Zusammenarbeit mit den Live-Sampling-Spezialisten Jan Bang und Erik Honoré inspiriert hat. Insbesondere reizt ihn hieran, Elemente aus verschiedenen Orten und Zeiten nebeneinander zu montieren und somit historischen Bezüge und Querverweise zu erschaffen, wobei Henriksen nicht müde wird zu betonen, dass Bang und Honoré einen Teil ihrer Inspriration von Fusion-Trompeter Jon Hassell beziehen, der auch einen entscheidenden Einfluss auf den ‚vokalen‘ Klang seines eigenen Spiels ausübt. Ein Kreis scheint sich hier zu schließen.

Arve Henriksen

In diesem Sinne fügt sich Cartography nicht nur klar in das eigene ¼vre des Trompeters ein, sondern ist Teil einer größeren – von manchen immer noch als ,alternativ’ empfundenen – Musiktradition, die Improvisation und Klangskulpturen, Dubs und Remixe sowie das Bewusstsein von Atmosphäre einschließt und daraus neue Klanglandschaften entstehen lässt. Dies hat mit dem Designer-Jazz, den man gemeinhin von der nordischen Avantgarde erwartet, wenig gemein. Die Offenheit für Zufälligkeiten und Eventualitäten gehörte von Anfang an zum Konzept von Cartography. Vertrautes entsteht dabei nicht. An ‚Jazz‘ erinnern hier nur noch bestimmte Phrasierungen der Trompete, auch eine Standardinstrumentierung mit Bass und Schlagzeug wird der Hörer vergeblich suchen. Vielmehr erwartenArve Henriksen ihn eine von Arve Henriksens delikatem Trompetenton getragene Klangmontage, die trotz ihrer meditativen Grundstimmung alles andere als beliebige Eso-Mucke ist. Solcherlei anspruchsvolle Klanglandschaften gelten im Allgemeinen als ‚schwierig‘. Dies bedaure ich einerseits sehr, denn ich wünsche Cartography weitaus mehr Hörer (und Käufer), als es aller Voraussicht nach haben wird. Andererseits können all jene, die ihr Klischee vom vorweihnachtlichen Kitsch-Jazz nicht erfüllt sehen, ja immer noch Till Brönner hören gehen.

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Plattenkritik: Johann Johannsson | I Am Kloot | The Rapture Noa | Arve Henriksen

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