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Verve – Remixed Vol. 4 | Lyambiko | Cassandra Wilson | The Notwist | Shabbat Night Fever – Groove Sounds from Israel

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  1. 1 Verve - Remixed Vol. 4 | Lyambiko | Cassandra Wilson | The Notwist | Shabbat Night Fever – Groove Sounds from Israel

Juli 2008 / Victoriah Szirmai

Tanzmusik für Intellektuelle: Verve//Remixed Vol. 4

Ehemals erfolgreiche Compilation-Reihen neigen ja zu drastischen Qualitätsverlusten, wenn sie in die x-te Auflage kommen. So zum Beispiel lassen Cafè del Mar die Fünfzehnte und Buddha Bar die Zehnte nur mehr gepflegte Langeweile aufkommen, wenn nicht gar leichten Ärger ob ihrer Profil- und Konturlosigkeit. Wer braucht das schon? Und: Wer kauft das?

Glücklicherweise bleibt Verve//Remixed ein ähnliches Schicksal erspart: Auch wenn sich über Sinn und Unsinn des elektronischen Aufpeppens alter Jazzaufnahmen trefflich streiten lässt, muss man der Verve-Reihe zugute halten, dass sie nicht einfache Ambient-Lounge-Chill-out-Hintergrundbeschallung sein will, sondern musikalisch hohe Ansprüche stellt – und einlöst. Kurz:

Verve//Remixed Vol. 4 fängt gut an, geht gut weiter und endet gut. Einige der weltbesten Remixer sind hier am Werke, junge Kreativlinge, die es nun einmal verstehen, die Klassiker ins Jahr 2008 zu befördern, ohne die Originale zu verraten.

verveBöse Zungen könnten behaupten, die Originale seien ja auch so stark, dass sie einfach nicht kaputtzumixen sind. Das mag zwar stimmen, verfügt die Verve Music Group doch über das weltweit größte Archiv an Jazzklassikern, welches einen schier unerschöpflichen Vorrat an Schätzen bietet, ohne qualitativ auch nur die kleinsten Abstriche machen zu müssen. So sind auch auf Vol. 4 die unkaputtbaren‚ üblichen Verdächtigen dabei: Dinah Washington, Nina Simone, Sarah Vaughan, um nur ein paar zu nennen.

Aber es ist dennoch ganz hohe DJ-Kunst, mit alten Aufnahmen derart behutsam zu verfahren, dass sie nicht schon von hundert Meter Entfernung „Achtung, Experiment!“ schreien, sondern dass sich das elektronische Gebrizzel und Gewische und Gezirpe so natürlich in die Tracks einfügt, als wäre es schon immer da gewesen. Dazu muss der DJ sein Ego gewaltig zurücknehmen, was nicht jedem dieses Berufsstandes gegeben ist …

Wenn dies aber gelingt, entsteht Magie. So war schon //Remixed 1 aus dem Jahre 2002 eine Offenbarung. Hier wurden erstmals Jazz-Klasiker wie Nina Simones „Feelin‘ Good“, Billie Holidays „Don’t Explain“ oder Dinah Washingtons „Is You Is Or Is You Ain’t My Baby“ von der DJ-Crème de la crème wie Dorfmeister, Tricky oder der Thievery Corporation in ein zeitgemäßes elektronisches Gewand gehüllt. Dies begeisterte derart, dass seither eine regelrechte Jazz-Remixed-Welle bis heute den Musikmarkt überrollt. Teils mehr, teils weniger erfolgreich suchen diverse Compilation-Reihen auf den elektro-jazzigen Zug aufzuspringen: Electro Jazz Sessions, Electro Jazz Divas, Electro Jazz Crooners, Best of JazzElectro, Electro Jazz 1.0, Future Electro Jazz, Cool Electronic Jazz …

Der Universal-Konzern, zu dem Verve gehört, macht sich mit Titeln wie „Electro Jazz Lounge“, „Jazz Remixed“, „Electric Bossa“ aus der erfolgreichen „Jazz Club“-Serie sogar im eigenen Hause Konkurrenz und Konkurrent Sony legte mit seiner „Remixed & Reimagined“-Reihe nach.

An das Original aber reicht nichts heran. Allein die ersten drei Editionen von Verve//Remixed verkauften sich je eine über eine Million mal. Und auch Vol. 4 wird sich nicht hinter seinen Vorgängern verstecken müssen, obgleich es einen großen Unterschied gibt: Dominierten bislang Jazz-Standards, findet man hier größtenteils R’n’B- und Soul-Klassiker (beispielsweise „There Was A Time“ von James Brown & The Famous Flames oder „California Soul“ von Marlena Shaw), die sich eher als Soundtrack einer hippen Blaxploitation-Party eigenen als zum Chill-out.

Tanzen statt relaxen! Natürlich dürfen bei einem zum Sommer veröffentlichten Album auch leichte Bossa-Nova-Anklänge nicht fehlen, und das schon bei den Acid-Jazzern von Incognito in den 1990er Jahren so beliebte (weil bereits im Original schlicht hypnotische) „Everybody Loves The Sunshine“ von Roy Ayers Ubiquity aus dem Jahr 1976 präsentiert sich hier im knisternden LoFi-/Broken Beat-Outfit.

Selbst das renommierte Cinematic Orchestra, dessen eigene Stücke gern durch den Remixer gedreht werden, folgt, wenn Verve ruft, und steuert ein akustikgitarrendominiertes Re-Make von Ella Fitzgeralds „I Get A Kick Out Of You“ bei, das mit der üblichen Starbucks-Beschallung nichts mehr gemein hat. Welch großartiger Abschluss eines großartigen Albums!

verve unmixedDer Clou aber ist, dass – im Gegensatz zu anderen einschlägigen Compilations – auch bei Vol. 4 parallel zu //Remixed dasselbe Material als //Unmixed-Edition veröffentlicht wird. Der direkte Vergleich mit dem Gegenstück ist eine großartige Gehörsensibilisierung und Jazzgeschichtsschulung für alle wirklich musikinteressierten Besserhörer, der die DJ-Kunst der Verve-Reihe erst richtig schätzenswert macht.

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Plattenkritik: Verve - Remixed Vol. 4 | Lyambiko | Cassandra Wilson | The Notwist | Shabbat Night Fever – Groove Sounds from Israel

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