Dezember 2011 / Victoriah Szirmai
Viele kennen die Berliner mit den weißen Feinrippunterhemden, Cowboyhüten und Sonnenbrillen noch von ihrem ersten Album Internashville Urban Hymns (2005), mit dem sie damalige Charthits und Klassiker der Popgeschichte ins Country-Gewand hüllten. „Hey Joe“ vom Jimi Hendrix war da ebenso auf Country zu hören wie „Eyes Without A Face“ von Billy Idol und „Hey Ya“ von Outkast, „Toxic“ von Britney Spears oder „Loser“ von Beck. Nach sieben Jahren und fünf weiteren Alben – darunter eine Einspielung mit dem Babelsberger Film-Orchester – haben sich die Cowboys fast unbemerkt zu einer eigenständigen Band gemausert, wobei das eine oder andere Cover nach wie vor nicht fehlen darf. Ich traf die BossHoss-Frontmänner Alec Völkel und Sascha Vollmer im Berliner White Trash zum Interview.
Ihr werdet ja eher selten von HiFi-Magazinen interviewt. Ist ein bestimmtes Klangbild, oder überhaupt Klang, eine relevante Kategorie für euch oder eher nicht?
Doch, total! Das spielt eine totale Rolle bei uns und der Art von Musik, die wir machen. Die erste Platte, die wir gemacht haben, klingt ja nach „in-der-Scheune-aufgenommen“ – und das war genau richtig so: Da fällt im Hintergrund etwas vom Hocker, da fällt ein Verstärker um, da brummt was und da sind auch Fehler dabei – absichtlich charmante Fehlerchen oder erst hinterher entdeckte, die wir dann drin gelassen haben. Das musste einfach genau so klingen! Vom zweiten Album bis heute gab es immer eine Weiterentwicklung, aber es war uns ganz wichtig, dass es immer nach BossHoss klingen musste, dass eine Produktion nicht austauschbar klingt. Man muss an dem Sound erkennen, wer es ist. Silbermond klingt genau wie Juli und Jennifer Rostock, natürlich abgesehen vom Gesang, aber die Produktion an sich ist eigentlich standardisiert, da kann man keine Ecken und Kanten mehr sehen, nichts, was den Sound charakteristisch werden lässt.
Die Gründung von The BossHoss als lustige Country-Coverband war 2004 ja eine „Schnapsidee“ im Wortsinne – hättet ihr damals damit gerechnet, dass ihr auch im verflixten siebten Jahr noch dabei seid?
Nein, damals natürlich nicht. Also, wir sind wohl die am härtesten arbeitende Band im Business, bis heute machen wir vieles selbst, von der Produktion bis zum Artwork, wir sind während des ganzen kreativen Prozesses am Drücker – und das schon von Anfang an! Ich will damit sagen, der Erfolg kommt nicht umsonst, man muss hart dafür arbeiten. Trotzdem hätten wir damals nicht gedacht, dass das Ganze so lange anhält.
Mittlerweile bringt ihr ja schon euer sechstes Studioalbum heraus. Dafür habt ihr eine Auszeit in Texas genommen. Hat das den Sound der Band beeinflusst – und wenn ja, wie?
Nicht ausschließlich geprägt, aber auf jeden Fall inspiriert. Wir hatten in der Tat vorher schon geplant, jetzt mal eine Pause zu machen – wobei „Pause“ ja relativ ist. Für uns ist es schon eine lange Pause, wenn BossHoss mal ein Jahr lang nicht hardcore-mäßig auf Tour sind, sondern mal nur fünfzehn statt hundertfünfzig Shows gespielt haben. Auf jeden Fall haben wir es ausgekostet, mal wirklich ein bisschen mehr Zeit zu haben für ein Album, uns musikalisch zu verändern und auch mal ein paar neue Einflüsse zuzulassen. Los ging es natürlich schon viel früher im Jahr; Texas war ja erst im Juli und August, aber trotzdem haben wir da noch ganz viel aufgesogen und mitgenommen, was uns bestätigt hat, dass wir als BossHoss auf dem richtigen Weg sind – und dieses Selbstvertrauen konnten wir in unserem Album weitergeben.
Wie ihr gerade selbst gesagt habt, fällt es definitiv auf, dass das musikalische Spektrum größer ist: Die Single „Don’t Gimme That“ kommt fast im Gorillaz-Style daher, „Live It Up“ mit seinem „Hey Ho“-Refrain ist eine sehr klassische BossHoss-Nummer, dann gibt es diese Jailhouse-Rock-Referenz auf „Still Crazy Bout Elvis“, ihr habt mit „My Country“ eine John-Wayne-Western-Nummer, „Sex on Legs“ hat einen schwülstigen Disco-Beat, „Ridin‘ High, Singin‘ Low“ eine Rockabilly-Nummer … War das eine bewusste Entscheidung, eine größere stilistische Vielfalt zu präsentieren oder ist das einfach so passiert?
Beides. Man nimmt sich Dinge vor, die dann auch passieren müssen. Natürlich haben wir uns jetzt keine Stichpunkte aufgeschrieben, die wir dann abgearbeitet haben … Aber ich glaube, durch unsere Anfänge haben wir uns auf ein gewisses Spektrum eingeengt, weil man halt Country gemacht hat, Popsongs auf Country. Und in dem Ding waren wir dann gefangen, ohne dass wir das wollten, aber das war nun einmal das Konzept – eine Idee, die wir damals geil fanden und umgesetzt haben. Aber dann kommt man ins zweite, dritte Jahr und will zwar nicht eigentlich weg davon, aber eben doch mehr machen, mehr Musik machen – und zwar nicht nur Country, sondern auch alles andere, worauf man Lust hat. Insofern haben wir es uns von Album zu Album zurückerobert, dass wir auch zunehmend eigene Songs machen. Mittlerweile sind BossHoss eine eigenständige Band – es wird nur noch ein bisschen gecovert. Am Anfang war es genau anders rum. So etwas braucht eben seine Zeit, und jetzt, nach sieben Jahren, sind wir soweit, dass man nicht nur von Eigenständigkeit, sondern auch von Vielseitigkeit sprechen kann.
Bleiben wir mal kurz beim zunehmenden Verschwinden der Cover-Songs auf euren Alben. Auf Liberty of Action sind nur noch zwei Cover-Songs drauf, oder? Die Beatles-Nummer „Money“ und der Nat-King-Cole-Klasiker „L.O.V.E.“.
Genau, aber auf der Deluxe-Version ist nochmal einer mehr drauf, und außerdem ist noch Rammstein dabei mit „Mein Land“, was bei uns zu „My Country“ wurde. Rammstein bringen jetzt ihr Best-of-Album heraus und dazu als Vorab-Single den bisher unveröffentlichten Song „Mein Land“. Sie haben sich überlegt, was sie neben einem Remix noch mit auf die Single packen sollen – und dann haben sie uns gefragt, ob wir nicht unsere Version davon machen wollen.
Das heißt, Rammstein ist an euch herangetreten mit der Bitte, einen ihrer Songs zu covern?
Ja, die haben uns gefragt, ob wir Bock haben, mal was von ihnen zu machen – und dann haben sie uns diesen Song angeboten. Das war super, da haben wir uns auf jeden Fall gefreut, denn Rammstein ist schon ’ne fette Band, und gerade als Berliner Band hat man auf jeden Fall auch Respekt vor Rammstein und davor, was sie geschafft haben – auch weltweit. Und wenn uns dieser deutsche Musikexport dann fragt, dann freuen wir uns natürlich sehr! Also haben wir zwei Layouts gemacht von der Nummer – und einen haben sie dann auch direkt genommen. Ja, und dann fanden wir die Version wiederum auch so geil, dass wir gefragt haben, ob wir sie auch auf unser Album packen können. Da hatten sie nichts dagegen, und so ist es zur dritten Cover-Nummer auf unserem Album gekommen.
Zu den beiden anderen: Das sind ja keine aktuellen Popsongs – warum ist denn die Entscheidung genau auf diese beiden Stücke gefallen?
„Money“ haben wir in der Version unserer Namensgeber, der Sonics, aufgenommen. Das ist eine Band aus den Sechzigerjahren, die einmal den Titel „The Real BossHoss“ hatten, nach dem wir uns benannt haben. Die haben eine sehr, sehr geile Version von „Money“ gemacht – keine Popversion wie bei den Beatles, sondern richtig auf die Nuss! Und die haben wir erst einmal nur zum Spaß gemacht, wobei wir auch einen Featuring-Gedanken im Hinterkopf hatten, was letztendlich auch hingehauen hat: Jesse von Eagles Of Death Metal war dann bei uns im Studio und hat die Nummer eingeträllert – und deswegen ist sie mit auf dem Album drauf. Da fällt mir gerade auf: Wir haben noch eine Cover-Version drauf: „Killer“ ist im Original von Motörhead. Mensch, haben wir doch wieder mehr gecovert als wir wollten!
Die wirklich große Überraschung darunter ist ja die Nat King Cole-Nummer zum Schluss des Albums, die hätte man von euch bestimmt nicht erwartet.
Die ist aber auch zu uns gekommen, die Nummer, und nicht wir zu ihr. Kam dann aber auch sehr gut an, denn auch von Nat King Cole bin ich ein Riesenfan. Aber so ein bisschen war das auch ein Zufall. Detlef Buck, mit dem wir in der Vergangenheit schon ein paar Sachen gemacht haben, hatte einen neuen Film am Start, für den er diesen Song als Titeltrack wollte. Und von der Plattenfirma kam dann die Überlegung auf, ob nicht wir den machen könnten, da wir ja eh schon zusammen Platten gemacht hatten. Ja, und dann haben wir das gemacht und Buck sagte, das isses, und dann kam noch die Idee, dass Buck selbst noch mitmacht, genauso wie die ganzen Schauspieler, die in dem Film noch mitspielen, Matthias Schweighöfer beispielsweise, deshalb ist der Chor am Ende auch recht lebhaft … charmant, würde ich mal sagen. Und dann kam auch noch Nena dazu, was sich aus unserer gemeinsamen Tätigkeit für „The Voice of Germany“ bei Pro 7 entwickelt hat. Wir haben uns da kennengelernt und dann gab es gleich die Idee, mal etwas zusammen zu machen, die Plattenfirma ging steil drauf und fand das sehr interessant, und so kam es, dass jetzt am Ende auch noch Nena mitmacht.
Ist auf jeden Fall ein schöner Song! Leider rennt uns die Zeit davon, deshalb noch schnell ein paar Berlin-Fragen. Ich weiß, dass ihr euren ersten Auftritt drüben im Bassy hattet …
Im alten Bassy, ja!
… ist das jetzt hier im White Trash auch so eine Art Heimspiel, gibt es dazu eine Bandgeschichte?
Im White Trash haben wir tatsächlich noch nie gespielt. Das liegt daran, dass wir innerhalb von einem Jahr so groß geworden sind, dass wir fast direkt schon vom Bassy mit 80 Zuhörern in die Columbiahalle mit 4.000 Leuten gekommen sind, weshalb wir diese halb-großen Clubs leider – oder auch zum Glück – ausgelassen haben. Trotzdem verbindet uns natürlich viel: Wir waren von Anfang an im White Trash gern gesehene Gäste und auch gerne da – früher noch in der Torstraße. Mittlerweile ist auch noch unser Booker Teilhaber hier, insofern verbringen wir hier nicht nur einige Abende, sondern auch viele Meetings. Das White Trash passt zu uns, das ist unser Laden, unser Style – darum machen wir das heute Abend hier!
Ist es für euch immer noch etwas Besonderes, in Berlin zu spielen?
Natürlich, das ist unsere Heimatstadt, und wenn wir hier spielen, sind wir am meisten aufgeregt – viel mehr als in München oder in Wien, weil man hier Freunde und Familie hat, da kommen die meisten Leute, die man kennt … Da sind wir ganz schön nervös, mindestens schon eine Woche vorher!
Da bin ich natürlich gespannt, wie das heute Abend wird! Letzte Frage: Habt ihr einen Lieblingssong auf dem neuen Album?
„Don’t Gimme That“ ist auf jeden Fall weit vorne. Ich würde noch den Titeltrack „Liberty of Action“ mit dazunehmen, der ist sehr speziell und spiegelt eigentlich genau das wieder, was wir gerade so machen, von der musikalischen Richtung: Auf die Nuss und teilweise auch hart, aber trotzdem mit einem großen Fokus auf der Melodie. Aber eigentlich finde ich die Songs alle super. Zum ersten Mal habe ich so ein Grundgefühl, dass ich mit einem ganzen Album rundum zufrieden bin: Es gibt zu jedem Song einen Bezug, jeder Song ist ausgereift und rund. Das Spannende bei diesem Album ist, dass es vom Sound her so homogen ist, aber es trotzdem total unterschiedliche Songs sind, weshalb ich mich gar nicht auf einen festlegen kann. Aber klar, „Don’t Gimme That“ ist auf jeden Fall ein Song, der sehr, sehr stark für dieses Album steht, weil sich unser Sound ja doch noch mal sehr stark gewandelt hat.
Liberty of Action ist am 25. November bei Universal erschienen. Eine Albumkritik gibt es in der nächsten Ausgabe von „Victoriah’s Music“.