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Donots – Long Way Home

Inhaltsverzeichnis

  1. 3 Donots - Long Way Home

Donots / Long Way Home

Ihr PR-Team bezeichnet sie als die gute Seite der Macht. Wären die Ibbenbürener Alternativ-Punk-Rocker die gute Seite der Musik, es wäre schon völlig ausreichend. Und wahrscheinlich kann man von Künstlern, die als einzige europäische Band gebeten wurden, einen Song zum Sampler Rock Against Bush (Vol. 2) beizusteuern, durchaus behaupten, dass sie gute Musik machen. Lange genug dabei sind die Musiker um die Brüder Ingo und Guido Knollmann jedenfalls: Vor ungefähr zehn Jahren bekannt geworden mit „Whatever Happend To The 80ies“, haben sich die Donots zu „einer der vorzeigbarsten Bands Deutschlands“ (motor.de) entwickelt und können mittlerweile auf ganze neun Studioalben zurückblicken. Dieses Jahr begehen sie ihr 16-jähriges Band-Jubiläum und setzen sich mit Long Way Home selbst ein Denkmal.

Donots

Die Platte kann – der Titel ist da durchaus Programm – verstanden werden als Abschluss einer langen Reise oder auch der Suche nach dem musikalischen Selbst: man ist bei sich angekommen und darauf durchaus stolz. Ein Kreis schließt sich: Vincent Sorg, der schon Ende der Neunziger das Demoalbum der Donots produzierte, sitzt jetzt wieder an den Reglern. Und der Basstubaspieler auf Long Way Home – dazu später mehr – hat das allererste Demo der Band produziert. Gleichzeitig ist das Album Ausgangs- und Aufbruchspunkt für künftige Reisen, wohin auch immer diese führen werden. Der Status Quo, gewissermaßen. Daher strotzt Long Way Home nur so vor Selbstbewusstsein, guter Laune und Dynamik, und das schon von der ersten Textzeile der programmatischen Eröffnungshymne „Changes“: „We’re getting better day by day“, heißt es da. Und ebenso kraftvoll wie der Einstieg geht es weiter. Wer solide Rockmusik ohne Schnickschnack mag, kann mit Long Way Home sehr sehr glücklich werden.

Donots

Das wäre auch beinahe schon mein Fazit geworden. Wenn nicht … ja, wenn mich die Gitarrenrocker mit Vorliebe für Waviges nicht doch noch überrascht hätten. Denn es kommt Track Nummer 6, „Dead Man Walking“. Und plötzlich ist er da, der Song, der einen auf dem Heimweg extra einen Umweg fahren lässt, weil einem das Lied so gut gefällt und man es unbedingt zu Ende hören möchte oder es gleich auf „Repeat“ stellt und dazu vergnügt durch die Gegend cruist – das nämlich ist die Bedeutung, die die Rocker dem „langen Heimweg“ beimessen. Der Extra-Umweg wegen guter Musik. Mit seinem Wechselbass in der Tuba fast schon eine Speed Polka, ist „Dead Man Walking“ ein absolut zeitgemäßer Song und mehr als unerwartet für eine Band, der man nachsagt, musikalisch den Achtzigerjahren nachzutrauern. Ohnehin markiert dieser Song eine Schnittstelle auf Long Way Home. Ab hier wird das Album aufregender, experimenteller, kurzum: besser: Auf „The Years Gone By“ wurden die Stecker gezogen, ein akustischer Country/Folk/Singer-Songwriter-Song, hier und da klingt ein Banjo durch und auch eine Melodica, das ist schön und schlicht, ich bin versucht zu sagen: Mädchenmusik!

Auf diesen folgt das abgründige „Hello Knife“ mit einem Text, so wunderbar krank wie Rock sein muss:

Hello knife / you look sick and tired / I wanna be your alibi / … / rusty knife / sleeping in my pocket / come alive and wield your blade / … / hello knife / safe inside my pocket / a clean slate and a dirty mind …

Das ist Alice Cooper mit Guns ’n’ Roses und einer gehörigen Portion Rock’n’Roll-Wahnsinn, Zerstörung und Selbstzerstörung und allem, was düstere Rocker-Phantasien noch so hergeben. Die Donots wären aber nicht die Donots, wenn sie selbst dieses Songmonster nicht positiv zu interpretieren wüssten: „Obwohl dieser Song recht düster klingt und sich die Lyrics irgendwie bedrohlich lesen, soll er aber dennoch positiv verstanden Donotswerden: Hier geht es um die vollständige Aufopferung für Freunde oder eine gute Sache. Eben alles, wofür es sich lohnt, einer Klinge entgegenzutreten“, erklärt Frontmann Ingo. Eigentlich schade. Ein bisschen Düsternis und Abgrund hätte mich gefreut und täte dieser Platte gut. Dessen ungeachtet läutet „Hello Knife“ mit seinen hypnotischen Chören aber auch das große Finale der Platte ein und bereitet den Boden für „Parade of One“, das seinerseits mit opulenten Arrangements und sogar Streichern aufwartet; hier wollte man sich aus dem Fester lehnen und den längsten, überbordendsten Song der Bandgeschichte machen. Und tatsächlich haben wir es bei „Parade of One“ mit einer ganz großen, ausufernden Rock-Hymne zu tun – einer „Westphalian Rhapsody“, wie ein Freund der Band beim ersten Hören hellsichtig bemerkte. Nicht zuletzt zeichnet sich der Song, folgt man Gitarrist Guido, durch den „geilste Text in 16 Jahren Donots“ aus. Das schreit nach Frau-aus-der-Torte, Tischfeuerwerk und Champagner für alle!

Mein neues Fazit lautet also: Long Way Home ist ein zweigeteiltes Album. Track 1 bis 5 ist der „Männerteil“, harte, energiereiche Gute-Laune-Songs, abgeklärt, westfälisch bodenständig, kraft- und druckvoll und immer laut. Zwar sind 6 und 7 auch laut und schnell, aber die Musik wird differenzierter, Überraschungseffekte, neue Sounds, ungewöhnliche Instrumente kommen hinzu. Spätestens ab Track 9 ist man dann beim „Frauenteil“ angekommen. Und wem die Attributzuweisung männlich/weiblich zu polarisierend oder gar zu platt ist, der möge mir schreiben – wir können es ausdiskutieren.

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