Le Butcherettes – bi/MENTAL
Knapp vier Jahre nach ihrem letzten Album bringt die Band Le Butcherettes um die wilde Gitarristin und Frontfrau Teri Gender Bender ihr zweites Album bi/MENTAL heraus. Anders als auf den früheren Platten, die alle von The-Mars-Volta-Familienmitglied Omar Rodriguez Lopez produziert wurden, war dieses Mal der Talking-Heads-Gitarrist Jerry Harrsion hinter den Reglern am Werk. Gleich schon im ersten Lied spider/WAVES gerät man als Hörer in einen packenden Strudel an Sounds. Gender Benders heller Soprangesang mischt sich darin mit den dunklen Riffs der fuzzigen Gitarre. Im krönenden Finale des Songs gibt es eine feurige Sprech-Einlage von Jello Biafra, den man als Frontman der Dead Kennedys kennt.
Es ist ein turbulenter Start für ein Album, dem die Singleauskopplung give/UP folgt. Im Video zur Single rocken Le Butcherettes eine riesige Industriehalle. Gender Bender leitet die Band im Superhelden-Indianer-Kostüm und man kann sich nur wünschen, diese Formation auch einmal live zu sehen. Dann könnte man die Energie der Band wirklich aufnehmen. Zwar überträgt sich diese auch auf dem Album – denn nichts läge der Band ferner, als ein sauber produziertes Rock-Alben auf den Markt zu bringen. Doch möchte man Gender Benders unkontrollierte Emotionen miterleben, die eine Aggression in der Musik hervorruft und Energie freilässt, die gewaltig ist. Im Song überzeugen das fette Gitarrenriff, die treibenden Drums und die aufwirbelnden Sounds im Hintergrund. Diese klingen hier wie die disharmonische Cluster-Wolke eines Orchesters, was in diesem Stück zur für Le Butcherettes typischen Prise an Dualität führt.
Aber auf dem Album kommt es nicht nur musikalisch zu Reibungen. Auch die eigenartige Betitelung der Songs mit fragwürdiger Typografie spielt auf die Dualität in der Musik von Le Butcherettes an. Es ist, als ob sich immer etwas Unbequemes in die Musik mischt, seien es disharmonische Einwürfe oder aggressive Sprecheinlagen. Das ist aufregend und auf der neuen Platte ausgeprägter. Sei es durch die Dissonanzen und das Zurückschrauben der Synthie-Sounds, die auf dem letzten Album zu fast versöhnlich poppigen Songs führten.
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Beirut – Gallipoli
Ganz verträumt geht es auf dem neuen Album der Band Beirut zu. Der Song When I Die besticht durch das Arrangement an Instrumenten, die typisch für Beirut ein ganzes Ensemble umfassen. Bis zu 11 Leute gehören zur Band des US-Frontmanns Zach Condon. Durch die Ukulelen, Streicher, Mandoline und Bläser wie Trompete oder Saxophon kommt die Gruppe der Folkmusik sehr nahe. Die Einflüsse aus dem Balkan, die Condon nach der Schule vor Ort studierte und ein Gefühl dafür bekam, sind auch auf Gallipoli präsent. Wie so oft bei der Band bekommt man eine Mischung aus weltlichen Klängen, Folk und Pop serviert.
When I Die als erstes Lied auf dem Album baut sich mit Akkordanschlägen auf der Gitarre, Bläsern und einem reduzierten Schlagzeug auf. Inhaltlich umarmt Condon den Gedanken des Todes. Und genauso warm, wie das Licht, dass er dabei beschreibt, sind auch die Klänge. Das sanfte anfängliche Bläsermotiv zieht sich immer weiter durch den Song und wird durch Streicher angereichert. When I Die soll die erste Aufnahme und somit auch wegweisend für das inzwischen fünfte Studioalbum der Musiker gewesen sein.
Immer verträumt, aber oft in ungewöhnlichen Strukturen gedacht, ziehen die Songs beim Hören an einem vorbei. Varieties of Exile verläuft zum Beispiel nicht nach dem alten Pop-Prinzip von Strophe, Bridge und Chorus, sondern überrascht mit langen musikalischen Zwischeneinlagen, einem ruhigen Intermezzo und präsenten, lauten Bläsern gen Ende. Trotz der Abwechslung erkennt man am Sound und den Harmonien, dass es sich um Beirut handelt. Und das macht das Album aus. Die Band schafft es, damit ein Wohlgefühl und eine Wärme für die Ohren zu transportieren.
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Jessica Pratt – Quiet Signs
Wie es der Titel Quiet Signs des neuen Albums der US-Musikerin Jessica Pratt schon verrät, geht es in ihrer Musik ruhig zu. Die Songs der Singer Songwriterin aus Los Angeles überzeugen durch ihre Unaufgeregtheit und einer ungewöhnlichen Leichtigkeit der Akustik-Gitarre. Die Tracks überzeugen mit Jessica Pratts simpler, gitarrenlastiger Instrumentierung und ihrer jazzigen, ausgebildeten Gesangsstimme, die rätselhaft, kindlich und mysteriös klingt.
Nach dem kurzen Pianostück Opening Night, in dem man Erik Satie in jazzigem Umfeld heraushört, folgt As The World Turns, auf dem Pratt das Klaviermotiv des Intros mit der Gitarre übernimmt. Durch Pratts zögerlichen Anschlag und den Gesang bekommt das Stück aber eine ganz andere Wirkung als in der Klaviereröffnung. Die Saiten der Gitarre nehmen dem Motiv die Schwere und Pratts Stimme fügt dem etwas Geheimnisvolles hinzu. Die heruntergebrochene Instrumentierung aus Gitarre und Gesang behält Pratt fortlaufend bei – nur ganz selten mischt sich eine weitere Gitarre zu ihrem Gesang. Dabei könnte man den englischen Songtext durch Pratts ungewöhnliche Betonung auch für eine andere Sprache halten.
In der Singer-Songwriter und Folk-Szene ist Pratt schon lange keine Unbekannte mehr. Nach ihren ersten zwei Alben 2012 und 2015 wurde ihre Musik oft in die Bewegung des „Freak Folk“ einsortiert. Sie selbst wehrte sich immer gegen Schubladen-Vergleiche und zeigt das auch mit ihrer neuen Musik: Es wird deutlich, dass sie allein durch ihren außergewöhnlichen Gesang Grenzen zu überschreiten vermag, die nichts mit Genres zu tun haben. So lässt sie in Kompositionen wie Fare Thee Wall bewusst Platz, um den Fokus auf die Stimme zu legen. Die einfache Gitarrenbegleitung unterstützt hier und in den weiteren Liedern ihren Gesang, der einen französischen, geheimnisvollen Charme innehat und hiermit bezaubert.
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