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Uncovered – A Unique Collection Of Cool Cover Versions
Es gibt Coverversionen, die sind nichts als ein bloßes Nachsingen des Originals und reichen von der unbedeutenden Fingerübung einer Schülerband bis hin zur perfekten Imitation, angesichts derer es schwer fällt, Original und Cover auseinanderzuhalten (Commodores vs. Faith No More: Easy, Roberta Flack vs. Lauryn Hill: Killing Me Softly). Dann solche, die das Original zunächst dekonstruieren um es anschließend bis zur Unkenntlichkeit verfremdet wieder zusammenfügen – ich erinnere hier nur an Künstler wie Lisa Bassenge oder Frau Contrabass. Und letztlich gibt es noch jene seltenen Varianten, bei denen man den Eindruck hat, sie klingen so, wie das Original eigentlich gemeint war. Diese haben es geschafft, zum Kern, ja mehr noch: zur Seele des Songs vor- beziehungsweise durchzudringen.
Irgendwo in unserem musikalischen Universum muss ein Konsens über die Faszination an der Coverversion geschlossen worden sein – wie sonst erklärten sich die Erfolge von Platten, die ausschließlich Coversongs beinhalten, angefangen von Tributalben bis hin zu One-Songs-Compilations wie beispielsweise der weithin bekannten A Collection Of Various Interpretations Of … ( bei … ist dann der Songtitel einzusetzen, bislang sind, wenn mich nicht alles täuscht, erschienen: Fever, Ain’t No Sunshine, Summertime, Take Five, Light My Fire, Killing Me Softly und Sunny sogar als Sunny Vol.1 & Sunny Vol. 2)? Kein Wunder, dass sich die Stimmen der Coverversionshasser zunehmend häufen. Jede Bewegung bringt zwingend eine Gegenbewegung hervor, und je stärker die eine, desto größer die andere. Nun, das Doppelalbum, das ich heute vorstellen möchte, ist eine Platte voller Coverversionen für Menschen, die eigentlich keine Coverversionen mögen. Herausgegeben von Ministry of Sound, einem Londoner House-Club, durch seine diversen Sampler mithin aber vor allem als Label bekannt, markiert Uncovered mit seinen 42 außergewöhnlichen Coversongs einen radikalen Schnitt mit bisherigen MoS-Clubsound-Veröffentlichungen wie Clubbers Guide oder La Nuit.
Nouvelle Vague
Auf dem fast 150 Minuten langen Non-Stop-Mix geben sich legendäre Crossover- und Dance-Acts wie The Prodigy, Everything But The Girl, Friendly Fires, The Futureheads, Madcon, Basement Jaxx, Groove Armada und Fatboy Slim die Klinke bzw. Turntables und Mikros in die Hand, aber auch Stilikonen wie Macy Gray, The Gossip oder Nouvelle Vague verschaffen sich Gehör und treffen dabei auf alte Hasen wie Sly&Robbie oder Chaka Khan.
Macy Gray und Chaka Khan
Da röhrt Letztere den Prince-Klassiker Sign O’ The Times, während ihr eigener 1983er-Hit Ain’t Nobody Nick Muir durch den Housewolf gedreht wird. Da frickelt sich der ungarische TripHop-Lounger Yonderboi durch den Doors-Klassiker Riders On The Storm, gewinnt der schwedische Singer-Songwriter José González Joy Divisions Love Will Tear Us Apart seine schrammelige Seite ab, bringt der Londoner Acid Jazzer Rob Galliano alias DJ Rob Gallagher alias Earl Zinger den Britpoppern Blur mit Reggae-Rhythmen das Grooven bei, entlockt das deutsche Projekt re:jazz um Pianist und Arrangeur Matthias Vogt, das durch seine Jazzinterpretationen von Elektrostücken für Furore sorgt, dem ohnehin schon verträumten All I Need der Franzosen Air noch verträumtere Töne und besticht gleichzeitig durch eine Beschwingtheit, die das Original so nie hatte.
Die Songs von Uncovered, das dürfte schon anhand dieser kurzen Auflistung klar geworden sein, entlocken den ursprünglichen Versionen ganz neue Facetten. Ob das immer im Sinne des Originals ist, sei dahingestellt. Spannend ist es allemal. Und Spaß macht es auch, denn wo sonst kann man beispielsweise hören, wie sich Ida No, Sängerin der US-amerikanischen Elektroniker Glass Candy, durch Kraftwerks Computer Love haucht? Eröffnet wird Uncovered von dem norwegischen HipHop- und Reggae-Kollektiv Madcon, das mich teilweise an die New Yorker Roots erinnert und sich hier auf geniale Weise der 1967er-Nummer Beggin’ von Frankie Valli & The Four Seasons annimmt. Die Punker Third Degree wiederum wildern in Duffys Mercy, während HipHop-Reggae-Dub-Elektroniker Roots Manuva den Beatles-Klassiker Yellow Submarine auf sein – obgleich von McCartney stets bestrittenes – zweifelsohne vorhandenes psychedelisches Potenzial abklopft. Gänzlich (und ganz herrlich) absurd wird es, wenn das Ukulele Orchestra of Great Britain Dy-na-mit-tee von Ms Dynamite zum Besten gibt. Was für eine Platte!
iMonster
Meine persönlichen Lieblingsstücke aber sind erstens die schon im Oktober 2001 veröffentlichte, aber nach wie vor schön anzuhörende Easy-Listening-Nummer Daydream In Blue des britischen Elektronik-Duos I Monster (Original vom Gunter Kallman Choir) und zweitens ein vor Post-Punk-Attitüde übersprudelndes Careless Whisper von The Gossip (Original von Wham). Aber was rede ich hier eigentlich von Lieblingsstücken! Jeder der Songs auf Uncovered hat das Zeug zum potenziellen Lieblingsstück. Das muss man erst einmal nachmachen.
The Gossip
Plattenkritik: Kim Sanders | Uncovered-Sampler | Soap&Skin