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JH3-Jari Haapalainen Trio – Fusion Forever

Die Geschichte des JH3-Jari Haapalainen Trios ist durch die Auflösung der Band in diesem Jahr zwar vorerst zu Ende geschrieben, doch gehen die Jazz-Punker aus Schweden nicht ohne einen lauten Knall. Das neue Album Fusion Forever ist eine mystische Entdeckungsreise von außergewöhnlicher Musik, die an Komposition, Produktion und Energie kaum zu überbieten ist. Haapalainen, der am Schlagzeug sitzt, spielt im Trio mit Daniel Bingert am E-Bass und Per „Texas“ Johansson am Saxophon. Alle Musiker haben durch unterschiedliche Projekte schon auf sich aufmerksam gemacht, doch zusammen bestreiten sie ihre experimentelle Spielwiese. Der Titel des Albums legt es nahe, es geht hier um die Fusion von Genres. Die Grenzüberschreitung von Jazz, Rock, Hip-Hop, Punk mit einem avantgardistischen Touch hat den Musikern in der Vergangenheit schon Nominierungen für den schwedischen Grammy eingebracht. Das ist kein Wunder, denn hier hört man Musik, die auch nach Jahren noch innovativ und neu klingt.

Jari Haapalainen Trio Fusion Forever

Das Album beginnt mit einem Interlude, von denen sich insgesamt sechs Stück auf dem Album befinden und die die Songs auf theatralische Weise einleiten – wie der erste Track (f), der ein spaciges Intro für den wohl mystischsten Song des Albums ist, und der zusammen mit den Namen der anderen Interludes das Wort „Fusion“ ergibt. Im anschließenden ODELBERGSV.30 spielen Bass und Schlagzeug zurückgenommen und bauen ein sphärisches Gerüst für ein Solo von Johansson auf, das wie eine Schlangenbeschwörung klingt. Das darauffolgende Why do you keep snorting that shit beginnt mit Trommelwirbel. Trotz stockender Schlag-Betonungen, die den 5er-Takt gefühlt auflösen, bauen das lebendig eingespielte Saxophon und der verzerrte Bass eine tänzelnde Lockerheit auf. Das rhythmische Motiv wird hier zwar mit Improvisationspassagen angereichert, aber nie ganz verlassen. Selbst am Schluss, wenn der Bass in die Effektabteilung abdriftet, kommt das wirbelnde Stück mit dem Motiv als hallendes Sound-Echo zum Erliegen.

Die rockige Single RASTLÖS als vorletztes Stück beweist, dass das Trio in jeglichen Genres zuhause ist. Der Song wird durch ein beschleunigtes Leierkasten Interlude (n) eingeleitet und wirft einem ein peitschendes Riff um die Ohren, das vom Schlagzeug angetrieben wird. Das anschließende So Long nimmt seinen Titel mit Blick auf die Songlänge wörtlicher als die anderen Tracks und lässt die Fusion-Welt des Trios in mystischer Manier und meditativer Improvisation über sechs Minuten lang ausklingen.

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Fiona Apple – Fetch the Bolt Cutters

Fiona Apple Fetch the Bolt Cutters

Fetch the Bolt Cutters ist Fiona Apples fünftes Studioalbum – doch das musikalische Schaffen der US-amerikanischen Singer/Songwriterin kann man seit ihrem 1996 veröffentlichtem Debut nicht nur im Plattenladen, sondern auch im Soundtrack von TV-Serien oder Filmen nachverfolgen. Apple schreibt Songs seit ihrem zwölften Lebensjahr – und hat damit seitdem nicht aufgehört.

Im zweiten Song des Albums mit dem Titel Shameika versetzt sich Apple in ihre Schulzeit, als Musikmachen noch nicht im Vordergrund stand. Begleitet von einem quirligen Klavier-Arrangement erinnert sie sich im Songtext an ihrem Schulweg. Sie singt davon, wie sie den Rhythmus in ihrem inneren Ohr mit ihren Zähnen nachklapperte und trockene Blätter auf dem Boden dazu benutzte, ihr Schlagwerk zu sein. Die Musik im Song wird zu einem Bild dieser Anekdote. Apple singt, dass sie zwar gemobbt wurde, doch eine gewisse Shameika an sie geglaubt hätte. Sie wiederholt die Zeile „Shameika said I had potential“ als Refrain und die stakkato-artigen, zögernden und dann rumpelnden Klavierakkorde hören sich wie ein Innehalten und geistiges Mantra an.

Der Song ist nur ein Beispiel für die bunte Überraschungstüte an Instrumenten, Arrangements und Apples anregenden Songtexten und ihrer theatralischen, launigen Vortragsweise. Sie übersetzt die Texte spielerisch mit Instrumenten und ihrem Gesang – so auch in Relay. Das Markante am Song ist die dynamische Strophe und der drastische Tempowechsel in halbe Zählzeiten, der die Strophe zwar ausbremst, aber so smooth ist, dass man darin die Grazie in Apples Songwriting erkennen kann. Textlich reflektiert Apple hier wieder über ihre Jugend – die erste Zeile „Evil is a relay sport, when the one you burn turns to pass the torch“ ist ein Relikt davon. Die Worte schrieb Apple, als sie 15 Jahre alt war. Dass Missbrauch und Reaktionen darauf oft eine Weitergabe des Leids sind, war ihr damals schon bewusst. Dass sie jetzt Songs aus ihren persönlichen Erfahrungen machen kann, zeigt einerseits, wie prägend die Kindheit ist, aber auch, dass Apple an diesen Erfahrungen künstlerisch gewachsen ist.

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Thundercat – It Is What It Is

Thundercat It Is What It Is

Nach dem letzten Album Drunk und der Remix-Version Drank von 2018 nennt der experimentelle Musiker, Bassist und Produzent Thundercat sein neues Album It Is What It Is. Der Titel klingt ernüchternd, doch die Musik auf der Platte ist alles andere als das. Die Songs, unter anderem produziert von Thundercat selbst und Beat-Magier Flying Lotus, erzählen auf soulige und jazzige Art Geschichten im metaphysischen Raum.

Das ausgedehnte Intro Lost in Space / Great Scott / 22-26 wirft den Hörer in genau ein solch außerweltliches Setting. Hier fragt Thundercat säuselnd, ob jemand bei ihm wäre. Begleitet von Sound-Sphären aus Synthesizern baut sich ein Klangraum auf, der das verlorene Gefühl des Singenden akustisch nachzeichnet. Mit den letzten Worten „Somewhere lost in Space“ geht das Intro über in ein jazziges Arrangement, in dem Thundercat am Mikrophon und Bass mit seinen Musikerkollegen Ronald Bruner Jr. am Schlagzeug und Kamasi Washington am Saxophon spielt. Dass er musikalisch gesehen nicht mehr alleine ist, sondern plötzlich eine Band spielt, geht auch am Songtext nicht vorbei. Thundercat wechselt in das „wir“ und die Suche nach der Interstellar Love beginnt.

Kein Song gleicht dem anderen auf diesem Album – das ausschweifende Up-Beat Bass-Solo in How Sway sticht beim Hören besonders heraus. Der Song Black Qualls hingegen ist das funkige Highlight der Platte, auf dem man den Soul von Thundercat, Altmeister Steve Arrington, Childish Gambino und dem jungen Gitarristen und Singer/Songwriter Steve Lacy erleben kann. Thundercat schafft es aber nicht nur hier, „alt“ und „neu“ erfrischend anders zu sortieren.

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