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Henrik Freischlader – Recorded by Martin Meinschäfer II

Henrik Freischlader Recorded by Martin Meinschäfer II

Das Resümee von Henrik Freischladers neuer Platte Recorded by Martin Meinschäfer II lässt sich mit wenigen Worten auf den Punkt bringen: Alles richtig gemacht! Der Klang des komplett analog in den Arnsberger Megaphon Tonstudios von Martin Meinschäfer aufgenommenen Albums ist umwerfend gut: ausgewogen, klar, druckvoll, nuancenreich, raumgreifend, „instrumentalecht“, dynamisch und vor allem eines: warm. Damit drängt sich der neueste Streich des deutschen Vorzeigebluesers für Testdurchgänge vor dem Kauf neuer HiFi-Geräte geradezu auf. Auch musikalisch ist die mit knapp 80 Minuten Spielzeit proppenvolle Scheibe – der Rezension liegt die hochwertige Doppel-LP zugrunde – eine Sternstunde bluesiger Rockmusik.

Freischlader hat sich nach den deutlich verspielteren letzten Alben im Quintett wieder auf seine Anfänge im deftigen Bluesrock besonnen. Die zwölf Songs sind geradlinig und konzentriert. Und gleichzeitig wird an jedem Detail der Produktion – von der äußeren Gestaltung und dem Sound bis hin zu farblichen Abstufungen in Soli und rhythmischen Kostbarkeiten in Begleitmustern – deutlich: Das ist durch und durch mit Liebe (zum Detail) gestaltet. Freischlader knüpft mit diesem Album an den 2009 erschienenen Vorgänger an. Damals hat der Multiinstrumentalist alles komplett selbst eingespielt. Diesmal hat er sich Unterstützung bei Moritz Fuhrhop an den Tasten geholt. Bass, Schlagzeug, Gesang und Gitarre hat Freischlader selbst übernommen.

Henrik Freischlader

Mit deftigem Bluesrock, dem öfters mal funkige Töne beigemischt werden, schaut Freischlader in seine eigene Vergangenheit – und holt sich damit Kraft für die Zukunft. Nicht umsonst ist das neue Album Gary Moore gewidmet, dem prägenden Urgestein, das Freischlader zur Gitarre und zum Bluesrock brachte. In Sachen Ausdruckswucht kann es Freischlader mit seinem Idol absolut aufnehmen. Auf bezwingende Weise steigern sich Soli über mehrere Wellen in expressive Raserei. Das ist vor allem im epischen „Hands of Jesus“ (einem todsicheren Höhepunkt bei der aktuellen Live-Tour) oder in „The Question“ auf geradezu niederschmetternde Weise zu erleben. Verbunden mit Lyrics, in denen es Mitmenschlichkeit, Unverständnis für Auswüchse der Gegenwart und Sehnsucht geht, zaubert Henrik Freischlader ein musikalisches Juwel nach dem anderen aus dem Hut. Das nimmt manchmal den hart angefunkten Bluesrock von Gov’t Mule auf („Rule the World“), schielt mit südamerikanischem Einschlag („Old Life Back“) zuweilen aber auch auf die sonnigere Seite. Höhepunkte sind in diesem ebenso seelenvollen wie kantigen Bluesrock in jeder Nummer zu entdecken. Zusammengenommen ist dieses Album klanglich wie musikalisch eine reinigende Entschlackungskur.

DeWolff – Love, Death & In Between

DeWolff Love, Death & In Between

Das niederländische Trio DeWolff wirft Fragen auf. Die drängendste bislang: Wo, bitteschön, bekommen die ihre abgefahrenen Klamotten her? Mit Love, Death & In Between kommt eine weitere dazu: Wie bekommen diese drei jungen Männer eine so gelungene Platte hin, bei der aus jeder Pore goldene Vergangenheit trieft? Das in abgeschiedener Umgebung in der Bretagne komplett analog aufgenommene Album wirkt wie eine musikalische Zeitreise, bei der die Musiker mal hier, mal da den Fuß hinaushalten und dann alles zu einem wilden, schwülen, berauschenden Gebräu verquirlen.

DeWolff

© Satellite June

Nachdem das Trio in früheren Alben viel im Rock der 1970er-Jahre gewühlt hat, mixt es nun Einflüsse aus Soul, R&B und Gospel mit der lässigen Improvisationslust psychedelisch angehauchter Jambands – und gibt dem Ganzen auch klanglich einen unverschämt authentischen Rock-Anstrich. Da quietschen die Verzerrer, während das etwas verhallte Schlagzeug für Groove sorgt, Bläser und Backgroundsängerinnen für hymnische Erhabenheit sorgen und die im Soul beheimatete Flöte direkt ins Herz zielt. Ohne Scheuklappen und voller Frische gehen die Brüder Pablo (Gitarre, Vocals) und Luka van de Poel (Schlagzeug, Vocals) zusammen mit Robin Piso an den röhrenden Tasten (Hammond, Wurzlitzer) mit Volldampf in die Vergangenheit.

Was DeWolff in den zwölf Songs liefert, hebt sich in seinem quietschfidelen Stilgemisch auf erfrischende Weise deutlich vom Retrorock anderer Bands ab. Denn DeWolff kopieren nicht, sondern machen aus Versatzstücken der Geschichte unerwartet Neues. Dabei kann Großartiges entstehen, etwa der monumentale, 16-minütige Song „Rosita“. Der ist ein veritables musikalisches Roadmovie, gespickt mit ganz unterschiedlichen Szenerien: Unterstrichen mit Wechseln in Dynamik, Tempo, Metrum und Arrangement geht es thematisch von einer Highschool-Liebe zur Göttin der Liebe und des Todes – ein Song wie ein Roman. Das Beste daran: DeWolff verhebt sich an diesem gewaltigen Anspruch nicht. Die Songs haben genug Substanz, ganz zu schweigen von der ansteckenden Spielfreude und Live-Energie, die das Trio mit hinzukommenden Freunden im Studio entwickelt hat. Klar, das Ganze wirkt mitunter etwas aufgekratzt und die rohe Dynamik der Live-Atmosphäre im Studio war der Band an mancher Stelle wichtiger als lupenreiner Bläserharmonien – zum Glück, muss man sagen. Ausgelassenheit und Schweiß sind hier ebenso spürbar wie die innige Intensität zerbrechlicher Balladen. In den letzten vier Jahren hat DeWolff fünf Alben veröffentlicht. Love, Death & In Between ist die Krönung.

Oddgeir Berg Trio – While We Wait for a Brand New Day

Oddgeir Berg Trio While We Wait for a Brand New Day

Eine ganze Albumtrilogie hat das norwegische Oddgeir Berg Trio der Dämmerung gewidmet. Mit der kurz vor dem Corona-Lockdown binnen kürzester Zeit eingespielten While We Wait for a Brand New Day kommt das 2018 begonnene, großformatige Projekt nun zum Abschluss. Dass die Nächte in nördlichen Breitengraden länger dauern und in der Erfahrungswelt der Menschen eine große Rolle spielen, ist klar. Wie viele musikalische Schattierungen der Dämmerung und damit verbundene Emotionen das Trio um den Pianisten Oddgeir Berg findet, ist aber doch erstaunlich.

Damit die Alben in sich eine stimmige Dramaturgie und Vielfalt ergeben, bewegen sich die Songs nicht zielgerichtet dem Sonnenaufgang entgegen, sondern eher in einer Art von Traumlogik. So folgt auf einen lyrischen Einstieg mit „The Dream of Adam“ ein Song, der mit Wiederholungsfiguren bohrende Intensität entwickelt, gefolgt von dem mit Saxofon (Børge-Are Halvorsen) ausgestatteten fröhlichen Fusion-Gassenhauer „Lucky Be Happy“, während ab „Psalmish“ mit seinen Beatles-Anleihen die zweite Hälfte zunehmend rockiger und straighter wird.

Oddgeir Berg Trio

Dabei verliert das Trio in den neun Instrumentalnummern mit sphärischen Akkordfolgen, ostinaten Wendungen mit Popappeal und einem Sinn für eingängige Melodien nie die leichte Zugänglichkeit aus den Augen. Gleichzeitig verleiht Oddgeir Berg an Klavier und mit elektronischen Tastenklängen der Musik viel Farbe und Tiefenwirkung, ohne die Produktion mit zu viel Spielerein zu überfrachten, während Lars Berntsen hörbare Freude daran hat, die ganze Fülle an Beckensounds zu erkunden. Da zischelt es unentwegt – und das findet nicht etwa im klanglichen Halbschatten statt, sondern ist elementarer Teil der kristallklar aufgezeichneten, filigranen Klangwelt. Hin und wieder wagt sich auch Bassist Karl-Joakim Wisløff aus der Deckung und tritt aus seiner Rolle als famoser Groovespezialist in den Vordergrund. While We Wait for a Brand New Day kommt unaufgeregt daher. Doch wer sich der Kraft der in sich kreisenden Motive und Melodien aussetzt, hat gute Chancen, sich schon bald in den Fängen der Dämmerung wiederzufinden, die mit dem Schlussstück „Post Mortem“ auf die vorherigen Teile der Trilogie verweist und den Kreis schließt.

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