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Greentea Peng – Man Made

Nach zwei EPs, mit denen Aria Wells alias Greentea Peng sich in den letzten Jahren eine Fanbase aufbaute, erscheint nun ihre Debut-LP Man Made. Mit stolzen 18 Songs und knapp über einer Stunde Spielzeit fällt sie damit aus dem zeitgenössischen Rahmen des „Schneller & Kürzer“, das sich durch Streamingdienste wie Spotify immer mehr durchsetzt. Die Südlondonerin, die ihren Namen nach ihrer Liebe zu grünem Tee und dem Slang-Wort „Peng“ wählte, lässt es auf der R’n’B- und Neo-Soul-Platte relaxt und langsam angehen.

Greentea Peng Man Made

Der erste Song „Make Noise“ startet mit Kontrabass und Synthie-Untermalung. Greentea Peng singt „this is for“ und zählt mit hallendem Effekt auf ihrer Stimme auf, für wen dieses Album gedacht ist – darunter „for the love“ oder „for light beings“. Es wird gleich klar, dass die Texte von Wells spirituell motiviert sind. Sie selbst bezeichnet ihre Musik als Psychedelic-R’n’B, doch hört man auf dem Album auch Reggae- und Hip-Hop-Einflüsse. Besonders die Single „Nah It Ain’t the Same“ erinnert mit dem lässigen Kontrabass und Drum-Beat, den DJ-Scratch-Effekten von Vinyl-Platten und Wells Sprech-Gesang an Oldschool-Hip-Hop. Das Lied groovt und gehört zu den Highlights der Platte. Durch den eingängigen Chorus, der von einer Hammond Orgel unterstützt wird, und dem jamartigen Zwischenspiel nach drei Minuten kommt hier musikalisch und auch textlich alles gekonnt zusammen. Greentea Peng kommentiert eine falsche Welt voll von Unsicherheit, an die sie nicht glauben möchte. Sie ruft dazu auf, der Magie zu vertrauen und selbstständig zu denken.

Ihre Message auf anderen Songs ist ähnlich, doch wird sie musikalisch nicht so ausdrucksvoll unterstrichen. In dieser Hinsicht stellt sich der umfangreiche Release mit 18 Tracks eher als Nachteil heraus, denn nicht alle Songs sind so stark wie ihre Single-Veröffentlichungen. Wenigstens diese sollte man sich aber nicht entgehen lassen und für ein inneres Relaxen auch ihrer repetitiven, aber eben deshalb so wirksamen „Meditation“ eine Chance geben.

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Sault – Nine

SAULT Nine

Wer genau Sault sind, ist eher unbekannt. Das Musiker-Kollektiv aus London hat durch seine unglaubliche Produktivität und politisch motivierte Musik auch ohne Pressefotos und Mitgliedernamen große Aufmerksamkeit bekommen. Letztes Jahr wurde Sault zum Beispiel mit Lyrics wie „Take off your badge, We all know it was murder“ aus dem Song Wildfires schnell zur musikalischen Stimme der Black-Lives-Matter-Bewegung. Die Musik ist ein Mix aus Funk, Disco sowie Rock und erschien in den Jahren 2019 und 2020 auf jeweils zwei unangekündigten Alben und war kostenlos downloadbar.

Nun erscheint das erste Album für dieses Jahr mit dem Titel Nine. Auch hier gibt es eine Besonderheit – das Album wird nur für 99 Tage, bis zum 2. Oktober streambar und über https://www.sault.global/ downloadbar sein. Weil Sault musikalisch alle hohen Erwartungen erfüllt, sollte man dem schnell nachkommen.

Anders als vorherige Platten, klingt Nine roher und düsterer. Das Album beginnt mit dem Intro „Haha“, auf dem ein Meer aus Stimmen unisono „How about ha ha ha ha, how about the love“ singt. Das klingt in Verbindung mit dem dunklen nächsten Song „London Gangs“ wie ein ironischer Kommentar auf die Realität. Denn in London Gangs dröhnt ein verzerrter Bass, die Snare des Schlagzeugs stottert darüber und eine weibliche Stimme spricht von Gangs, deren brutalen Methoden und der Schwierigkeit, sich aus diesen Kreisen zu befreien. Auch Rapperin Little Simz geht auf ihrem Feature in dem Song „Are u from London“ auf Gangs ein. Über einen minimalistischen Beat auf einem Fender Rhodes und einem immer wieder eingeworfenen Vocal-Sample, das hochgepitched „Are you from London?“ fragt, rappt sie in einem Stream of Consciousness über ihre Stadt. Sie erzählt von Bekanntschaften mit Killern und der allgemeinen Alarmbereitschaft, die sie fühlt, wenn Sirenen der Polizei aufheulen. Der anschließende Spoken-Word-Beitrag der „Are you from London?“-Stimme ist offenbar eine Parodie: eine amerikanische Person fragt hier nach allen Klischees, die man mit Großbritannien verbindet – von der Queen bis hin zu schiefen Zähnen.

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Hiatus Kaiyote – Mood Valiant

Hiatus Kaiyote Mood Valiant

Pünktlich zum 10-jährigen Bandjubiläum bringen Hiatus Kaiyote ihr neues Album Mood Valiant heraus. Dass der Enthusiasmus um die Band trotz fünfjähriger Musikpause nicht abklang, hat einen guten Grund. Denn der außergewöhnliche Musikmix aus Neo-Soul, Funk, Jazz und Hip-Hop ist einzigartig und verdient allen Fokus. Sogar Prince teilte zu Lebzeiten auf Twitter ein Musikvideo der Band. Kurz darauf waren Hiatus Kaiyote für einen Grammy nominiert.

Mit dem neuen Album zeigen die Musiker, dass sie weiterhin innovativ sind und trotzdem ihren Sound beibehalten. Ihre Single „Get Sun“, eine jazz-funkige Nummer mit typisch mehrstimmigem Gesang von Frontfrau Nai Palm überzeugt zum Beispiel mit einem energetischen Streicher-Arrangement, das man so noch nicht von der Band kannte. Das Arrangement entstand in der Zusammenarbeit mit dem brasilianischen Komponisten Arthur Verocai, den die Band noch vor der Pandemie in seiner Heimat besuchte. Die vielen Details des treibenden Stückes faszinieren und lassen einen gleichzeitig die Zeit vergessen: das verschachtelte Drum-Spiel geht auf den pulsierenden Bass ein, die langgezogenen „aah“-Gesänge von Nai Palm ziehen die wechselnden Akkorde in neue Harmonien und das lebendige Gitarrenriff, später von Bläsern unterstützt, sorgt für den Funk im Song. Man erkennt schnell, dass hier alles bis ins kleinste Detail auskomponiert ist.

Doch es geht auch anders. Im Song „Red Room“ kreist die Band musikalisch um ein Riff und entwickelt dieses über fast vier Minuten auf organische Weise weiter. Die zugleich butterweiche und kräftige Soul-Stimme von Nai Palm erreicht hier gebrochene Höhen, die sie verletzlich klingen lassen. An anderen Stellen vibriert ihr Gesang in versunkenen Tiefen. Ob Jam oder arrangiertes Meisterwerk, Hiatus Kaiyote beweisen mit Mood Valiant, dass gute Musik seine Zeit braucht. Besser als Prince damals kann man es auch für das neue Album nicht formulieren: „Don’t worry…Just click!“

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