Goat – Goat
Mit hypnotischem Sound, langen Soli und einer ganz eigenen Haltung überzeugt die schwedische Psych-Rock-Band Goat auch auf ihrem aktuellen, selbstbetitelten Album. Die siebenköpfige Band tritt stets maskiert in Kostümen auf und spielt mit der Ästhetik von Stammesgewändern und Voodoo-Magie. Schon optisch strahlen die Bandmitglieder eine geheimnisvolle Atmosphäre aus. Musikalisch vermischen Goat Einflüsse aus Stoner Rock, Heavy Metal, Funk, Biker Rock und Afrobeat zu einem explosiven Statement.
Der Opening-Song „One More Death“ trägt all das in sich: ein fettes Gitarrenriff am Anfang, Trommeln, die dieses kontrastieren, und energiegeladene Vocals. Die langen musikalischen Breaks sind gefüllt mit ausschweifenden Gitarrensoli und Tanz-Rhythmen, die an die Prog-Welle der 2000er Jahre mit The Mars Volta und ihrer Fusion aus Latino-Elementen und Rock erinnern.
Goat kann aber auch anders: „Goatbrain“ zum Beispiel baut auf einem Gitarrenmotiv auf, das in seiner Sperrigkeit eher an Math-Rock erinnert – es kontrastiert die treibenden Rhythmen wunderbar. Das Trommel-Solo, die Flöteneinlage und ein Wah-Wah-Gitarrensolo tragen weiter zum funkigen Unterton des Tracks bei. In „Dollar Bill“ lebt die Wah-Wah-Gitarre dann so richtig auf. Hier definiert ein waberndes Riff den Song, das oft unisono mit dem kreischenden Gesang gespielt wird. Goat bauen auch hier „globale“ musikalische Elemente ein und reichern den Song im Hintergrund mit Trommeln an. Die ausschweifenden instrumentalen Schlagabtäusche zwischen den Drums und der Gitarre sind ein echtes Highlight.
Insgesamt ist das Album eine ziemlich energiegeladene Reise. Sei es mit Electro-Drums in „Zombie“, einem Old-School-Hip-Hop-Beat mit funkiger Gitarre im letzten Track oder akustischen Klängen auf „All is One“ – Goat ist super für unterwegs und gibt neue Kraft im Winter!
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Laurie Anderson – Amelia
Einmal in die Fußstapfen von Amelia Earhart treten! Das war schon lange das Ziel von Laurie Anderson. Auf ihrem neuen Album Amelia zeigt Anderson, wie sich Earharts letzte Tage im Jahr 1937, als sie als erster Mensch die Welt am Äquator umrunden wollte, für sie musikalisch anhören.
Deshalb beginnt das Album auch mit Motorengeräuschen. „To Circle the World“ klingt bedrohlich, Andersons Stimme beschreibt das Vorhaben von Earhart und geht dann in ein melodiöses „I See Something Shining“ über. Die Albumtracks, teilweise nur 30 Sekunden lang, gehen ineinander über und vermitteln mit orchestralen Einlagen und Andersons Vocals das Gefühl, als höre man eine Dokumentation, die in ein Musical übertragen wurde. Anderson hat ihrer Faszination für Earhart auf der Platte vollen Raum gegeben und gibt nicht nur die Fakten von Earharts letzter Flugreise genau wieder, sondern nennt auch Daten, in „Take-off“ sogar den Flugzeugtyp und Earharts Flugrufzeichen.
Das Stück „Aloft“, in dem die US-amerikanische Sängerin Anohni singt, sticht aus den ersten vier Tracks heraus und könnte auch allein für sich stehen, obwohl es sich mit den seufzenden Streichern und der fließenden Orchestrierung perfekt in die Stücke zuvor und danach einreiht. Anohni und Anderson singen hier „Waves of air / feel the wind blow” und enden mit den Worten “Lift me up”. Im Gegensatz zu den Fakten, Orten und technischen Details in Andersons vorherigen Spoken-Word-Beiträgen ist der Text dieses Tracks poetisch und offen. Das Orchester übt sich in Wellenbewegungen, die Geigen akzentuieren das Stück und erzeugen mit langgezogenen, atmosphärischen Clustern Spannung und ein aufstrebendes Gefühl.
Dass Anderson diesen Mix aus Poesie, Empathie für Earhart, die auf ihrer Reise durch alle Emotionen gegangen sein muss, und Fakten beibehält, macht den Charme dieser Platte aus. Ein kurzer Blick in Earharts Biografie vor dem ersten Reinhören macht Amelia übrigens noch interessanter.
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Nala Sinephro – Endlessness
Immer in Bewegung, vorwärts strebend und sich entwickelnd – das ist das neue Jazz-Album von Nala Sinephro, das mit Endlessness die Unendlichkeit quasi im Titel trägt. Die Londoner Musikerin spielt darauf gleich mehrere Rollen: Sie spielt Harfe, Synthesizer und Klavier, leitete die Band im Studio und produzierte ihr Album auch selbst. Musikalisch spielt Sinephro gerne mit Arpeggien und bewegt sich zwischen Experiment und Meditation in einer ganz eigenen musikalischen Balance.
Gleich auf dem ersten Song „Continuum 1“ spielt sie über atmosphärische Klänge ein vor sich hinplätscherndes Arpeggio auf dem Synthesizer, das sich durch den ganzen siebenminütigen Song zieht. Saxophonist James Mollison fängt das Motiv auf und steuert eine melodiöse Gegenbewegung bei. Das Schlagzeug von Black Midi’s Morgan Simpson beginnt verhalten und arbeitet sich dann immer weiter in den Vordergrund. Jede Person im Studio hat ihre Solo-Momente – da ist zum Beispiel das stotternde Drumset um Minute 2:30 oder der Synth-Wechsel nach der dritten Minute, der von den butterweichen Arpeggioklängen weg- und zu Streicher-Sounds und metallischen Klängen hinführt und so eine ganze Welle neuer Emotionen vermittelt. Um die sechste Minute kommt es zu einem Stillstand – in diese Leere tritt das Saxophon und spielt ein lebhaftes Solo, bevor langsam wieder die angenehmen Synthesizerklänge einsetzen. Der Song endet mit leisen Kommentaren und dem Lachen der Band, was sympathisch wirkt.
Alle Songs sind als „Continuum“ mit Nummer markiert. Die musikalische Weite, die Nala Sinephro im Opener anstimmte, zeigt sich auch in den anderen Tracks. Mal mit ihrem Klavier als Hauptinstrument wie auf „Continuum 2“, mal stürmischer wie auf „Continuum 6“ mit immer schneller werdenden Arpeggien auf dem Synthie-Bass – und immer unterstützt von brillanten Musikerinnen und Musikern, die mit Sinephro die Songs live eingespielt haben. Unbedingt reinhören!
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