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Jazzgitarrist Christoph Neuhaus lässt mit Ramblin Bird ein facettenreiches Frühlingsalbum mit Popappeal vom Stapel, die Baritonsaxofonistin Tini Thomsen verfeinert auf Horses & Cranes die wilde Rock- und Funkenergie ihrer Formation MaxSax und Jazzgitarrist Philipp Schiepek feiert zusammen mit Pianist Walter Lang auf Cathedral ein Hochamt poetischer Melodien.

Christoph Neuhaus – Ramblin Bird

Christoph Neuhaus Ramblin Bird Ramblin Bird

Warum sich bescheiden, wenn man aus den Vollen schöpfen kann? Das mag sich der Stuttgarter Gitarrist und Songwriter Christoph Neuhaus gedacht haben. Also scharte er fünf weitere junge Musikerinnen und Musiker allererster Güte um sich, gab der Formation den programmatischen Namen Christoph Neuhaus Ramblin Bird und schüttelte im Studio ein Album gleichen Namens aus dem Ärmel. Frei wie ein Vogel, lautet das Motto, und immer auf der Suche („ramblin‘“ steht in Bluessongs für die umherziehenden, rastlosen Herzen). Das Ergebnis: zehn kleine musikalische Kostbarkeiten, wunderbar schillernd und mit viel Feingefühl arrangiert. Die Musik bewegt sich spielerisch leicht und treffsicher zwischen Jazz, Indie-Pop, funkigen, souligen und folkigen Tönen, steht mit einem Bein fest im Rock und Blues – und entzieht sich gekonnt jeder Schublade. Das Duftige und Quecksilbrige der Songs von Christoph Neuhaus, in diesem Jahr Träger des Landesjazzpreises Baden-Württemberg, stammt ganz klar aus dem Jazz. Von dort ausgehend bewegt sich Ramblin Bird stilistisch offen und songorientiert in verschiedene Richtungen.

Christoph Neuhaus Ramblin Bird

© Sven Götz

Neuhaus ist das künstlerische Zentrum von Ramblin Bird. Abgesehen von seinen beachtlichen Fähigkeiten als Gestalter des Artworks stammen neben der Musik auch die Songtexte von ihm, mitunter tritt er als Sänger in Erscheinung – und hat das fabelhaft aufgenommene Album zudem auch produziert. Das Sextett ist sehr fein balanciert, die Klangfarben kommen nuanciert und dynamisch hochdifferenziert zur Geltung. Da hat Jörg Orlamünder im Ludwigsburg JAMusic Studio exzellente Arbeit geleistet. Der tolle Sound macht sich vor allem wegen der farbenreichen Arrangements bezahlt, die der Musik genug Luft lassen und trotzdem bei jedem Hören Neues zutage fördern. Mit Franzsika Schuster und Pauline Ruhe sind gleich zwei fantastische Sängerinnen am Start; sie teilen die Songs untereinander auf und können so ihre Stärken optimal ausspielen. Pauline Ruhe mit ihrer Samtstimme zum Beispiel in dem lateinamerikanisch eingefärbten Einstieg „Strollin‘“, dessen Laissez-faire-Groove sie mit tagträumerischer Melancholie verziert. Franziska Schuster packt in den Songs, die ihre Wurzeln in raueren Gefilden des Folk und Blues haben, mit geradlinig geführter Stimme etwas direkter zu und macht dabei ebenfalls eine glänzende Figur.

Christoph Neuhaus Ramblin Bird

© Sven Götz

Mit dem Tastenmann Ulf Kleiner, dessen vor allem analoge Klänge angenehm warm strömen, dem Bassisten Sebastian Schuster und Christian Huber am Schlagzeug hat Christoph Neuhaus berufene Instrumentalisten, die ein dichtes, jazzig verspieltes Netz knüpfen. Dieser songorientierte Jazz hat aber stets genug Popappeal hat, um Freunde handgemachter Musik anzusprechen. Dafür sorgt Christoph Neuhaus, der aus seiner warm tönenden Gitarre lockere, tänzelnde und gefühlvolle Soli schüttelt. Ramblin Bird ist mit feinen Strichen und Liebe zum Detail gezeichnet. Uneingeschränkt empfehlenswert.

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Philipp Schiepek & Walter Lang – Cathedral

Philipp Schiepek & Walter Lang Cathedral

Ein Album wie gemacht für die Blaue Stunde ist die Duoplatte Cathedral von Philipp Schiepek und Walter Lang. Die sanft fließenden Melodien von Philipp Schiepeks Nylonsaitengitarre und Walter Langs bittersüße Klavierharmonien sind Musik für den Dämmerschein. Wenn es nicht mehr Tag ist, aber auch noch nicht stockduster, kommt Cathedral zum Leuchten und verstrahlt eine wohlige Wärme.

Philipp Schiepek & Walter Lang

© Uli Zrenner-Wolkenstein

Das ACT-Debütalbum des jungen Gitarristen und Senkrechtstarters Philipp Schiepek, der wie nur ganz wenige im Jazz genauso daheim ist wie in der klassischen Musik (und Spieltechnik), ist wie eine Klangreise angelegt. Von düsteren Regionen führt sie hin zu hoffnungsvollen Tönen; nicht umsonst heißen die letzten beiden Titel „Light at the End of the Tunnel“ und „The Encourager“. Dazwischen liegt ein Weg, den vor allem der Jazzpianist Walter Lang kompositorisch ebnet. Leise Töne und nach innen gewandte Melodien entfalten sich in gemessenem Schritt und blühen in einer Schönheit des Klangs auf, die auch feinen Nuancen der Dynamik Gewicht gibt. Ganz nebenbei ist die oft heikle Klangabbildung der klassischen Gitarre hier geradezu beispielhaft gelungen.

Philipp Schiepek & Walter Lang

© Uli Zrenner-Wolkenstein

Philipp Schiepek und Walter Lang haben Wurzeln in der klassischen Musik. Das durchzieht ihre poetische Musik etwa in den sehnsüchtigen Harmonien, die aus Klavier-Charakterstücken des 19. Jahrhunderts (allerdings mit unaufgelösten Spannungsdissonanzen) stammen könnten, aber auch in ihren meist liedhaften Formen. So basiert das düstere, mit subtilen arabischen Färbungen maurisch anmutende „Sumniran“ auf einem Bassostinato – über Jahrhunderte hinweg ein Topos der Trauermusik. Das Titelstück beginnt mit Choralharmonien, die sich strahlend nach oben schrauben und mit „Estrela Cadente“ erreicht das fein gesponnene Zusammenspiel des Duos einen ersten Höhepunkt. Die beiden Musiker zeigen sich als Feingeister, die mit untrüglichem Gespür fürs Timing anrührende Melodien improvisatorisch auszieren („Meditation in Ten“) und sich im steten Rollentausch gegenseitig einen Teppich ausrollen, auf dem der andere weich dahinschreiten kann. Das macht Cathedral zu einer unaufgeregten, zurückgenommenen Platte, die durch Gefühl statt technische Bravour besticht – und durch die hohe Kunst, alles Überflüssige wegzulassen.

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Tini Thomsen MaxSax – Horses & Cranes

Tini Thomsen MaxSax Horses & Cranes

Der tief grummelnde Rübezahl der Saxofonfamilie ist als Soloinstrument nicht besonders beliebt. Nur schwer lässt sich der knorrige, etwas schwergängig ansprechende Klang des Baritonsaxofons bändigen. Das hält die Jazzsaxophonistin Tini Thomsen allerdings nicht davon ab, als Solistin auf dem Bariton zu brillieren und zu zeigen, was alles in dem Instrument steckt. In den Händen von Katharina „Tini“ Thomsen verwandelt sich der kauzige Tieftöner in einen Alleskönner. Sie entlockt ihm knorrige und wendige Soli, grundiert mit sattem Sound Klangflächen oder markiert den Groove mit rasselnden und schnarrenden rhythmischen Ostinati. In verschiedenen Zusammenstellungen erprobt die Musikerin die Möglichkeiten des Baritonsaxophons im Jazz. Eines ihrer Projekte ist die Formation Tini Thomsen MaxSax. Mild jazzig, aber wild mit Rock und Funk, energiegeladen und mit durchgedrücktem Gaspedal musiziert das Quintett im Zeichen des Groove – auch auf seinem neuen Album Horses & Cranes.

Tini Thomsen

© Gerhard Kühne

Damit die maximale Saxofonpower erreicht wird, die den Namen der Formation ziert, steht neben Tini Thomsens schnarrigem Tieftöner das Altsaxophon von Nigel Hitchcock, ein mit allen Wassern gewaschener Wandler zwischen den musikalischen Welten. Gitarrist Tom Trapp packt öfters mal verzerrte Rocksoli aus dem Gitarrenkoffer („Funky Dragon“), um sich gegen die Kraft der beiden Saxofone durchzusetzen, Mark Haanstra (Bass) und Drummer Joost Kroon komplettieren das funky Ensemble, ergänzt durch Gastposaunist Nils Landgren beim „Song for Molly“ mit seiner wüstenstaubigen Americana-Melancholie. Dessen dürre, von der National Steel Guitar bestimmte Klangwelt ist eine Ausnahmeerscheinung auf der Platte. Meist geht es deutlich flotter und kräftig zupackend mit treibendem Schlagzeug und funky E-Bass zu. Die Nummern haben eher Songformat mit eingestreuten Soli, manche gleichen kleinen Progrock-Geschichten, etwa wenn das funkige „Miserable Mushroom Guy“ plötzlich Räume öffnet für ein selig halluzinierendes Solo, das aber dann doch mit allmählich verquasten Klängen erahnen lässt, dass die Pilze keine guten waren. „Blue Eye“ mit seinen aufblühenden Soli verdankt seinen Geist Pink Floyd, der unerbittlich trottende Rock des Titelstücks „Horses & Cranes“ lässt in Schlagzeug und tief rasselndem Bariton das Geschirr schwer stapfender Arbeitsrösser assoziieren. Vielleicht am besten zeigt sich die vitale Kreuzung von Jazz und Rock in „Georgia“, dem längsten Stück der Platte. Getragen von tanzbaren Grooves, wechseln sich ins Ohr gehende, treibende Riffs und verspielte Soli ab. Das Zusammenspiel ist rhythmisch dicht und druckvoll und trotzdem bleibt – auch im Klang – genug Raum, um in Einzelheiten hinein zu lauschen. Und da gibt es in den Nummern von Tini Thomsen, Nigel Hitchcock und Tom Trapp einiges zu entdecken.

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