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Chilly Gonzales – Solo Piano lll

Chilly Gonzales hat schon viele Musikstile ausprobiert – Rap, Pop mit der kanadischen Musikerin Feist oder Klavierstücke. Er wurde als musikalisches Genie mit wahnsinnigen Ideen in der Presse gefeiert und es scheint, als vertrete er das Bad-Boy-Image, das ihm nachgesagt wird, gerne. So oder so: Seine Solo-Piano-Platten zeugen seit 2004 von Ideenreichtum – die Stücke darauf wandern zwischen Jazz, Pop und Klassik. Im September erschien nun die dritte Auskopplung der Klavieralben, sie ist wie erwartet hörenswert und interessant.

Chilly GonzalesDas erste Stück „Treppen“ verbildlicht zum Beispiel mit eleganten Aufwärts-Arpeggios in einer Minute und dreißig Sekunden den eigenen Titel. Auch bei weiteren Liedern – wie etwa dem Stück „Blizzard in B Flat Minor“ – meint man den Titel in den wilden Bassanschlägen und permanent eingeschobenen, hohen Tönen wiederzuerkennen. Obwohl die Stücke meist klassisch komponiert wurden, sind sie durch die Bildhaftigkeit des Spielens von Gonzales Charakter durch und durch geprägt. Die Treppen, so sanft und ruhig gespielt, können im übertragenden Sinne nur geschwungene Meisterwerke der Renaissance sein. Die Blitze des „Blizzard in B Flat Minor“ hingegen tanzen wirr und kommen plötzlich.

Viele Lieder haben sprachlich oder durch die Nennungen historischer Daten wie „October 3rd“ mit Deutschland zu tun. Gonzales, der mit bürgerlichem Namen Jason Charles Beck heißt, wurde 1972 in Kanada geboren und lebte in Paris und Berlin, bevor er sich in Köln niederließ. Seine lange Präsenz in Berlin zeigt sich in der kommenden Tour: Die drei Konzertdaten in der deutschen Hauptstadt waren sofort ausverkauft. In Köln hingegen, seiner neuen Heimat, gibt es noch Chancen ihn als gefragten Pianisten nach Weihnachten live zu erleben.

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Christine and the Queens – Chris

Christine and the Queens

Die Französin Héloise Letissier bringt als Christine and the Queens ihr zweites Album auf den Markt. Die westliche Popwelt hatte sie schon mit ihrem Debut 2016 aufgemischt und Madonna oder Elton John als Fans gewonnen. Der Titel und das neue Albumcover verraten einiges über Letissiers Überlegungen über das eigene Geschlecht. Mit ihrer androgynen Erscheinung und dem gender-neutralen Titel „Chris“ geht sie auf die Komplexität von Sexualität ein und lässt sich damit in keine Schublade stecken. In einem Interview sagte sie, dass sie sich zu jedem Geschlecht hingezogen fühle, aber immer wieder als bi-sexuell missverstanden wurde.

Auch in der Musik geht es darum, in verschiedenen Personae auf Geschlechterrollen einzugehen und diese neu zu definieren. Wie in der veröffentlichten Single „Girlfriend“: Dort beschreibt sie singend eine Situation, in der sie vorbeiziehende Menschen mustert und dabei überlegt, wen sie begehren könnte. Ganz machohaft entscheidet sie sich über Äußerlichkeiten für eine Person, deren „Girlfriend“ zu sein sie aber ablehnt. Sie habe sich obsessiv mit Machos auseinandergesetzt, so die Künstlerin über den Song, und den erobernden Lover, immer auf der Suche nach einer neuen Beute, darstellen wollen. Im Chorus säuselt sie deshalb auch „Damn, I’d be your lover“ – bleibt aber in ihrem Charakter Chris immer noch eine Frau und vermischt die Gendercodes eines Machos mit weiblicher Stärke. In einer weiteren Single namens „5 dollars“ geht es um Liebe, die kaufbar ist. Der Songtext könnte mit Formulierungen wie „You’re eager and unashamed“ auf die Selbstbestimmung von Prostituierten anspielen. Musikalisch ist der Song mit sanften Synthesizer-Akkorden, einem zurückgenommenen 80er-Jahre-Beat und einem akzentuierenden Klavier ruhiger und atmosphärischer als „Girlfriend“. Christines Gesang steht hier ganz im Vordergrund und zeigt mit kraftvollen hohen Tönen sowie einer weichen Intonation in den Strophen seine Variationsbreite. Das macht Lust, die wandelbare Frau auch live zu erleben – im Oktober hat man in nur einem Deutschlandkonzert Berlin die Chance dazu.

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Hozier – Nina Cried Power (EP)

Hozier

2014 war das Jahr, in dem der Ire Hozier seinen Durchbruch mit dem selbstbetitelten Debutalbum hatte, das unter anderem den Hit „Take me to Church“ enthielt. Sein Auftritt während der Grammys 2015, bei dem der damals 25-Jähirge vor Glück über die absurde Situation strahlte Annie Lennox auf der Bühne begrüßen zu dürfen, ging um die Welt. Über 800 Millionen Mal wurde der Song bereits auf Spotify gestreamt und gelegentlich hört man ihn immer noch im Radio, obwohl es still um Hozier geworden war.

Nun meldet er sich aber zurück und veröffentlicht eine neue EP mit dem Titel „Nina Cried Power“. Wie zuvor, überzeugt Hozier auch hier mit einer kraftvollen Mischung aus Blues und Folk. Auf dem ersten Song „Nine Cried Power“ wird er von der US-amerikanischen Soulsängerin Mavis Staples unterstützt. Das Stück baut sich über einen dynamischen Schlagzeugbeat und Klavierakkorde auf. Die „Power“, die im Song vor allem durch die opulente Chor-Unterstützung im Chorus kommt, überträgt sich sofort auf den Hörer. Ähnlich wie „Take me to Church“ hat das Lied einen dramatischen Unterton, der die Präsenz der Musik noch stützt.

Der Songtext ist politisch motiviert und geht auf die Musikgeschichte ein. Hozier listet darin für ihn inspirierende Musiker wie Nina Simone, Marvin Gaye, Bob Dylan oder James Brown auf, die sich in schweren Zeiten auf die Musik beriefen und ein Statement setzten. Hozier beschrieb das Stück als „a thank you note to the spirit and legacy of protest“.

Nach dem emotionalen Auftakt ist der zweite Song „NFWMB“ ein ruhiges Stück mit gezupfter Gitarre, Klavier und wenigen Rhythmusinstrumenten. Doch auch hier umgibt Hozier eine mysteriöse und düstere Atmosphäre, die seine Musik so interessant macht. Kein Stück klingt wie das andere. Das dritte Stück unterscheidet sich von seinen Vorgängern, indem es ein schwungvolles Bluesstück ist, das sich durch Hoziers melodiöser Gitarre und seinem oft unisono verlaufenden und emotionaler werdenden Gesang auszeichnet. Mit dem wieder ruhigen „Strike“ als letzten Song ist die EP ein abwechslungsreiches Hörvergnügen, bei dem auffällt, wie sehr man Hoziers Musik wirklich vermisst hatte!

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Dan D'Agostino

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