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Various Artists | Café del Mar

Oktober 2016 / Victoriah Szirmai

Den fünfzigsten Geburtstag von „Sunny“ feiert das Label Trocadero mit gleich vier Veröffentlichungen – dem geremasterten Originalalbum von Bobby Hebb aus dem Jahr 1966, seinem letzten Studioalbum That’s All I Wanna Know von 2005, der neu gemischten Duett-Single „Sunny“ von Bobby Hebb und Ex-Cultured Peals-Sängerin Astrid North sowie einer fünfzehn Versionen umfassenden One Song Compilation, die Loop-Hörer wie mich begeistert – und hoffentlich auch Sie.

sunny cover

The 50th Anniversary Collection of Sunny eröffnet mit dem Bobby-Hebb-Original, und ohne die folgenden vierzehn Stücke gehört zu haben, will ich mich weit aus dem Fenster lehnen mit der Behauptung, dass die ursprüngliche auch die beste Version ist mit ihrem irgendwo zwischen Motown und Stax angesiedelten Stampfbeat und den seelenvollen Vocals, den Backgroundmiezen und dem arttypischen Bläsersatz. Doch schon die Version von James Brown überrascht, indem sie sich ganz untypisch im Jazzidiom herangospelt: Gäbe es nicht die gelegentlichen „Oh Baby“-Einschübe, glaubte man nicht, dass hier der Godfather of Soul am Werk ist, bis, ja bis sich nach einer guten Minute der Schleier lüftet und keine Fragen offenlässt, sondern die nackten, in diesem Falle auch: sehr, sehr schmutzigen, Tatsachen präsentiert. Das hat sich der gute Bobby Hebb sicherlich nicht so gedacht!

Bigband mit Grande Dame und viel Drama gibt’s auf Shirley Basseys Interpretation, Fingerschnippend-Zurückgelehntes mit viel Hammond-Geschwurbel bei Kult-Mime Robert Mitchum, bis auch hier der motowneske Stampfbeat mit den üblichen Verdächtigen, sprich: Chören und Bläsern, übernimmt, während die vor allem für den Flirt mit einem Predigersohn bekannte Dusty Springfield mit ihrem Bigband Noir-Sound glatt den nächsten James-Bond-Soundtrack stellen könnte.

bobby hebb 1.1

Rauchwarengeschwängerte, verzerrte SloMo-Psychedelika gibt’s von den US-Heavy-Rockern The Head Shop, gegenüber denen sich die hingetupfte Piano-führt-Bigband-Version des John Schroeder Orchestras nahezu leichtfüßig ausnimmt. Männliche Interpreten von „Sunny“ werden sich immer an Bobby Hebb messen lassen müssen, so auch der britische R&B-Musiker Georgie Fame, der es 1966 mit seiner Coverversion an die Spitze der englischen Hitparaden geschafft hat. Völlig zu Recht, denn Fame erledigt seinen Job bravourös. Dank ihrer durch die Regenbogenpresse verbreiteten Eskapaden, seien es ihre Schönheits-OPs, sei es ihre Beziehung zu KISS-Bassist Gene Simmons, gerät leicht in Vergessenheit, dass Cher eine mehr als passable Sängerin ist. „Sunny“, dessen Titel sie wohl an den Namen ihres unseligen Ex-Mannes erinnert haben dürfte, erklingt bei ihr stoisch, nüchtern, völlig ohne Drama. Emotionsstrotzend dagegen die Interpretation von Wilson Pickett, den Fans zeitgenössischer Soul-Sänger wie Bill Withers oder Otis Redding längst in ihr Herz geschlossen haben müssten. Wenn nicht, dann spätestens jetzt!

sunny 1.3

Die Version von Fusion-Flötist Herbie Mann ist dagegen so gar nicht mein Fall, umso mehr die von Booker T. & The M.G.’s mit ihrem sinnlich-schwülen Bass, dem hypnagogen Rhythmus und der psychedelischen Orgel, die das Retro-Herz aufgehen lässt: Bei der Sixties-Sessionband von Stax Records ist das erste Instrumental der Compilation einfach goldrichtig. Trini Lopez hingegen kommt gegen das jamesbondeske Orchester, das ihn begleitet, nicht an. Er klingt wie der nette Nachbarsjunge, den man gern daten, aber eher nicht auf Platte hören möchte. Erst Ella Fitzgerald zeigt wieder, wie man’s macht. Besser geht’s nicht! Fast schon ein Wunder, dass nach der furiosen Interpretation der First Lady of Song die folkloristisch-verträumte Akustikversion des Puertoricaners José Feliciano nicht versandet, sondern im Gegenteil die Compilation anmutig abschließt. Kompliment für diese Zusammenstellung!

Auf Amazon anhören:
The 50th Anniversary Collection of Sunny

cover cafe del mar

Darauf haben es auch die Macher der vielgehassliebten Café del Mar-Reihe abgesehen. Unter dem Motto „aktuell und exklusiv“ will Compiler Toni Simonen auf der 22. Ausgabe mit zweimal vierzehn Tracks weg vom reinen Chill-Out-Sound, hin zu einer durchdachten, quasicinematographischen Albumdramatik. Da horchen wir nach dem eher durchlittenen denn durchhörten Volumen Diecisiete und dem im Vergleich dazu weitaus besseren Volumen Diecinueve doch gern mal wieder rein. Den Auftakt macht Dang Khoa Chau aka D.K. mit seinen „Evening Shadows“, einer besinnlich-spirituellen Serenade irgendwo zwischen Chillout und New Age, die hält, was ihr Titel verspricht. Verträumt-Vokales gibt’s auf dem atmosphärischen „Fall“ der aus Cork stammenden Wahllondonerin Louise Cunnane aka Blooms, während der ebenfalls London-basierte TripHopJazz-DJ Ash Walker mit einem unglaublich tollen Dub-Bass, bekiffter Orgel und amtlichem Brass Noir-Aufgebot auf „Bongo Legs“ für Anspruch sorgt, was angesichts drohender Belanglosigkeiten wie „Velocity Of Love“ von D-Pulse oder „Feed You“ von Double Yellow, die eben doch nur Chillouttapete sind, auch dringend nottut.

cdm walker

„Slowly Rolling Camera“ von der gleichnamigen TripHopElectroJazzSoulSoundscape-Band aus Cardiff dagegen hat mit seinem lockenden Kontrabass und den betörenden Vocals von Dionne Bennett das Zeug zum Torch Song extraordinaire á la Bugge Wesseltofts „You Might Say“ oder David Holmes‘ „Gone“. Bis jetzt das Highlight! Extrem entspannend „Sunburst“ der australischen Elektroniker All India Radio, deren Klänge auch schon mal Serien wie CSI: Miami oder The Lying Game veredeln. Noch einen drauf setzt das an Prince‘ „Thieves In The Temple“ erinnernde „In Your Eyes“ des Electro-Chillwave-Projekts Kasseo mit den Zeitlupenvocals der neunzehnjährigen Singer/Songwriterin Cordelia O’Driscoll.

cdm blooms

Durchaus hörbar auch „Faith“ des französischen Cinematic Indie-Elektronikers Yann Dulché mit Dinia am Mikrophon. Nujazzbeats gibt’s von den Londoner Kinkajous, dem Projekt um Klarinettist Adrien Cau und Schlagzeuger Benoît Parmentier, die den Helden der New Electro Acoustic-Szene wie dem Cinematic Orchestra oder Bonobo huldigen und hier mit Mariama ganz auf starke weibliche Vocals setzen. Die hat auch Francesca Bergami zu bieten, die sich unter ihrem Künstlernamen Lyves ganz dem Alternative Soul London’scher Provenienz verschrieben hat. Ihre „Darkest Hour“ ist eines unserer Highlights.

cdm slowly rolling camera

Die mit dem Mercury Prize ausgezeichneten Manchesteraner GoGo Penguin, die hier ihren typischen Eighties-Synth-Sound einer tiefenentspannten JazzWaveScape-Atmo zuliebe aufgeben, der Oldenburger Wahlberliner Ben Lukas Boysen mit seinem Modern Classical/Ambient-Alter-Ego Hecq und der Filmpianist und -komponist Luke Howard runden CD1 unter Einlösung des cinematographischen Versprechens ab. Wo andere Compilations mit zunehmender Ordnungszahl immer bedeutungsloser werden, wird Café del Mar tatsächlich besser.

Da hätte es die weitaus weichgespültere CD 2 gar nicht mehr gebraucht, die bei dieser Reihe zuverlässig gegen CD1 abfällt und eher als eine Art Bonusmaterialsammlung betrachtet werden sollte: Ganz nice to have, aber wirklich brauchen tut man’s nicht. Richtig schlimm ist bis auf den symphonischen Bombast von „To The Child Drifting Out At Sea“ Owseys, hinter dem sich der Ire Owen Ferguson verbirgt, hier aber nichts, und „Norrland“ der Schweden Gidge erfreut sogar noch mit schrägem Hornklang vor einem Hintergrund aus warm knisterndem Vinyl.

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Café del Mar, Vol. 22

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