August 2015 / Victoriah Szirmai
„If Tom Waits and Billie Holiday were to have a style child, singer-songwriter Sophie Auster would be it“, schrieb die Vogue über die 1987 geborene New Yorkerin. Das allein genügte, meine Neugier zu wecken. Was ich nicht bedacht hatte: Die Vogue ist nicht unbedingt für ihre Musikexpertise bekannt.
Auch wenn ich auf Dogs And Men durchaus den einen oder anderen Waits’schen Waltz wahrgenommen zu haben glaube – von Billie Holiday keine Spur. Zugute halten muss ich mir, dass ich das Album trotz aller Vorablorbeeren recht unbefangen angegangen bin – schließlich wusste ich zum Zeitpunkt des ersten Hörens noch nicht, dass es sich bei Sophie Auster um die Tochter von Schriftsteller Paul handelt. Und mit den Sprösslingen verehrter Künstler ist das ja oftmals so eine Sache. Sie haben nach Lektüre dieses Textes keine Chance mehr auf diese Unbefangenheit. Trösten Sie sich mit dem Phänomen der zweiten Naivität!
Dessen ungeachtet hat Sophie Auster das Glück, in einem anderen Fach zu reüssieren als ihre schreibenden Eltern (die Mutter ist keine Geringere als Siri Hustvedt): Sie singt, komponiert und schauspielert. Ihr selbstbetiteltes Debütalbum veröffentlicht die damals gerade Neunzehnjährige 2006 – noch in enger Zusammenarbeit mit ihrem Vater, dessen Texte hier neben Selbstgeschriebenem, einem mittelalterlichen englischen Stück und Gedichten diverser französischer Surrealisten durch das Art Rock/Baroque Pop-Musikerkollektiv One Ring Zero Vertonung finden. 2012 dann gibt Sophie Auster mit ihrer selbstproduzierten 6-Song-EP Red Weather ein Versprechen für die Zukunft ab, das sie mit Dogs And Men nun einzulösen beabsichtigt. Zwar stammen wieder alle Songs von ihr, doch hat sie sich der Hilfe des „Plastic Ono Band“-Produzenten Jared Samuel versichert.
Und der hält sich nicht erst mit langen Intros oder anderen Arten des Heranschleichens auf. Dogs And Men ist, pardauz!, mit der hochenergetischen Uptemponummer „Bad Manners“ sofort da, um einen hippieesken Start mit Schellenkranz und eingänglicher Melodie hinzulegen, gekrönt von einem eigenwilligen, nahezu operettenhaften Gesang, der an Rufus Wainwright und andere artsy Barockpopper denken lässt. Nicht von ungefähr, schließlich verbindet Auster eine langjährige Künstlerfreundschaft mit Barry Reynolds, der nicht nur ihr „brilliant musician friend and frequent collaborator“ ist, sondern seinerseits mit Musikern wie eben Rufus Wainwright, aber auch Marianne Faithfull, Charlotte Gainsbourg oder Grace Jones arbeitet. Auch sein Einfluss auf Dogs And Men kann gar nicht hoch genug bewertet werden.
„On My Way“ knallt uns einen Haudrauf-Beat auf die Ohren, bevor sich das Ganze in eine grundehrliche Gitarrennummer verwandelt, nur um kurz darauf wieder draufzudreschen, und so fort, im steten Wechsel. Das ist alles schon sehr sehr straight und sehr sehr Rock. Wer’s mag! Komplexer, verschachtelter kommt da schon „I’m Going Down“ aus den Boxen. Neben einer recht interessanten Schlagzeuglinie, über der die Melodie gleichsam schwebt, gibt es hier viel Vermindertes, Bluenotiges zu entdecken. Wieder eingänglicher mit seinem Americana-gesättigten Unterton ist „Aka“ bzw. wäre „Aka“, denn da ist ja noch dieser kapriziöse Gesang! Sophie Auster hat zwei Stimmen: In den tieferen Lagen eine Art kehliges Marlene-Dietrich-Gedächtnisorgan, in den höheren einen richtiggehenden Operettenton. Und ja, das ist stellenweise anstrengend. Aber eben auch nicht unspannend.
„Find That Girl“, ein eher getragenes Stück, erinnert in seiner sperrigen Spektakel-Attitüde an Nonkonformistinnen wie Anna Aaron, während der Extremzeitlupenwaltz „Little Bird“ die Stimmung des Albums auf den Punkt bringt: Im Dschungel zwischen Molltonleitern und verminderten Akkorden erwächst das Gefühl, es hier nicht mit Musik, sondern mit Kunst zu tun zu haben. Ungewohnt darkwavesynthiepoppig dann „Bow Tie Man“, der auch auf der Dark-Compilation der British Electric Foundation nicht fehl am Platz wäre. Für den Beat von „Leave Me Strange“ wiederum könnte glatt Stings „Every Breath You Take“ Pate gestanden haben, während die Strophe an Tanita Tikarams „Twist In My Sobriety“ erinnert, das im Übrigen auch ein guter Referenzrahmen für das gesamte Album wäre, so knochentrocken, wie seine Beats stellenweise daherkommen, dass man von „Beat“ eigentlich gar nicht sprechen möchte, sondern vom guten alten Taktschlag. Nicht zuletzt ist der Titel programmatisch für Austers Songwriting: Leave Me Strange!
„Our Mistake“ gewinnt durch seine Retro-Gitarren eine leicht Hendrix’sche Note, die es zum psychedelischen Blues im klassischen Korsett macht. Irgendwie ist das schon eine ziemlich coole Nummer! Das gilt auch für die wabernde Ballade „A Dream About Jack“, die eher kollagenhafte Traumskizze denn gängiges Liebeslied ist. Nicht weniger traumverloren verklingt der leise Abschluss „With You“, und zum ersten Mal während dieses Albums entfleucht dem Hörer ein „Wunderschön!“. Vermutlich muss man sich erst durch den Straight-Rock-Teil des Anfangs gehört haben, um die zarte Schluss-Trias gebührend wertschätzen zu können. Eine Zweiteilung, die Dogs And Men zum archetypischen Konzeptalbum macht, repräsentiert schon durch den Albumtitel, wobei die Männer Sophie Auster zufolge für Liebe und den damit verbundenen Herzschmerz stehen, während die Hunde Surreales und Verträumtes zulassen. Kurz: Was mit Haudraufmännern begann, endet mit Traumhunden. Das kann ich gut nachvollziehen.