Demnächst im Test:

Billboard
Raidho Lautsprecher

Nikki Yanofsky – Little Secret

August 2014 / Victoriah Szirmai

Einen weiteren Schritt voranzuschreiten auf dem mitunter recht steinigen Weg, den Jazz in die Clubs und letztendlich die Popcharts zu tragen, ist die erst zwanzigjährige Nikki Yanofsky mit ihrem neuen Album Little Secret angetreten. „Ich möchte“, so die Sängerin, „meiner Generation den Jazz nahebringen“. Schützenhilfe bekommt sie von keinem Geringeren als Quincy Jones, der seit mehr als einem halben Jahrhundert erfolgreicher als jeder andere die Kluft zwischen Jazzheads und Popfans überbrückt.

Nikki Yanofsky | Little Secret Cover

Die Traumpaarung aus Stimmwunder, das bereits mit zwölf Jahren Jazz Montreux mit seiner Ella-Fitzgerald-Hommage rockte, und Produzentenlegende, die für Weltkarrieren wie die eines Michael Jackson verantwortlich zeichnet, verspricht viel – hält aber nur wenig, denn Godfather Jones soll sich letzten Endes als Stolperstein des Albums erweisen. In bewährter Manier setzt er auf den schon x-mal beschrittenen Weg mit eindeutiger Pop-Schlagseite, der ihm hier jedoch zum Abweg in den Mainstream gerät.

Dabei beginnt alles ganz vielversprechend. Dem von Yanofsky (co-)komponierten Bigband-Kracher „Something New“, der sich ebenso selbstverständlich wie selbstbewusst bei den Klassikern „Soul Bossa Nova“ (Quincy Jones) und „Watermelon Men“ (Herbie Hancock) bedient, gelingt der angestrebte Brückenschlag zwischen Tradition und Moderne, Historie und Fortschritt, Jazzclub und Dancefloor nahezu perfekt. Und obgleich Jones „nur“ als Executive Producer des Albums fungiert – den regulären Job an den Reglern macht Rob Kleiner –, hört man den übermächtigen Produzenten hinter nahezu jedem Ton des Albums. „Waiting On The Sun“ beispielsweise erinnert an all die Midtempo-Nummern, die Jones im Verbund mit Songwriter Rod Temperton in den späten Siebziger-, frühen Achtzigerjahren gemacht hat. So weit, so gut.

Nikki Yanofsky 1.1

Die Idee, Charles Aznavours „Necessary Evil“ in eine überbordende Electro-Swing-Nummer mit ein paar wahnwitzigen Bläser-Soli zu verwandeln, ist anfänglich noch spaßig, täuscht aber nicht darüber hinweg, dass die Platte so langsam eintönig zu werden beginnt. Da hilft auch der Benny-Goodman-inspirierte Titeltrack „Little Secrets“ nicht wirklich, der aus Mangel an Gelegenheit zum Swingtanzen einen tollen Soundtrack für alle Arten von Hausarbeiten abgibt; und ob man „Jeepers Creepers“, dem von Harry Warren und Johnny Mercer geschriebenen Standard, der seine größte Popularität wohl in der Interpretation Louis Armstrongs erlebte, nun unbedingt einen retrofuturistischen Black-Eyed-Peas-Beat überhelfen muss, ist allenfalls fraglich – im Ohr bleibt jedenfalls nur dröges Bumm-Bumm. Melodiebögen, Liedstrukturen, kurzum: Songs sind es, die ich auf Little Secrets vermisse!

Gut, dass da „Out of Nowehere“ kommt. Erstmals kann man hier die am Repertoire der Fitzgerald geschulte Stimme Nikki Yanofskys so richtig hören, die bislang vom dichten Produktionsballast dieser (allzu) sehr auf Tanzbarkeit angelegten Platte nahezu erschlagen wurde. Die Freude währt nur kurz, nach dem pianobegleiteten Intro gibt’s auch hier wieder die volle Breitseite aus dem Mischpult. Wer Yanofskys bemerkenswertem Sangestalent lauschen möchte, muss, so schade das auch ist, auf die Vorgänger von Little Secrets zurückgreifen, den Konzertmitschnitt Ella of Thee I Swing von 2007 und ihr erstes, von Phil Ramone produziertes Studioalbum Nikki aus dem Jahr 2011.

Nikki Yanofsky 1.2

„You Mean The World To Me“ tut nicht weiter weh, kann gerade deshalb aber nur als Starbucks-Hintergrundbeschallung ernst genommen werden. Hier hat die Platte einen echten Hänger, der Midtempo-Brei zieht den Hörer dermaßen runter, dass er sich das Eingangs-Bummbumm zurückwünscht. Bei „Knock Knock“ endlich, einer beschwörenden Electro-Swing-Nummer im Stile von MisSiss‘ „Diva“, gelingt die Verbindung von mittlerem Tempo und tricky Beat mit einer höchst eingängigen Hookline – ich bin versucht, von meinem liebsten Stück des Albums zu sprechen, indessen ich auch hier einräumen muss: So geflasht wie damals, als ich Electroswing zum ersten Mal auf die Ohren bekam, bin ich schon längst nicht mehr. Ob das an den natürlichen Abnutzungserscheinungen liegt, denen alle Trendgenres unterworfen sind, oder als Kollateralschaden der Überproduktion hingenommen werden muss, lässt sich nicht mehr sagen. Fakt ist, eine gewisse Müdigkeit stellt sich ein.

Die Platte strömt wie pappig-süßer Einheitsbrei aus den Boxen. Hat man alles schon mal gehört, nur besser. Das enervierende „Enough of You“ beispielsweise erinnert an die Beats der Uptempo-Nummern, die unter Jones‘ Regiment 1998 für Tamias gleichnamiges Debütalbum zusammengeschraubt wurden, während „Bang“ durchaus zwischen Anastacia und No Angels einen Platz in den Popcharts beanspruchen könnte. Mit dem letzten Stück „Kaboom Pow“ dann landet die Platte wieder im, Sie werden’s erraten, Bumm-Bumm-Modus. Und der strengt an. Den Kritikpunkt vieler, die Little Secrets mit seiner Spielzeit von nur achtunddreißig Minuten für zu kurz halten, teile ich ganz und gar nicht. Im Gegenteil, die Kürze gereicht dem Album eher zum Vorteil, denn mehr als eine gute halbe Stunde von dieser zwar leidlich schicken, aber auch irgendwie unpersönlichen, um nicht zu sagen: recht lieblosen Mixtur, die aufgrund der Ähnlichkeit der Stücke wie ein einziger Extended Mix daherkommt, muss man sich wirklich nicht antun.

Nikki Yanofsky 1.5

Ohnehin finden sich die interessantesten Stücke wie beispielsweise Yanofskys Doors-Cover „People Are Strange“ nicht auf der regulären CD, sondern auf der nur als Download erhältlichen Deluxe Edition. Unter normalen Umständen bin ich ein großer Verfechter des Album-Konzepts, doch konfrontiert mit Little Secrets empfehle ich den Erwerb von Einzeltracks nach Belieben.

Kommentar/Leserbrief zu diesem Bericht schreiben

Billboard
Innuos Statement Next-Gen

Über die Autorin / den Autor