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Meshell Ndegeocello | Trio Bravo + | David Lynch | James Blake | Nneka | Florence and the Machine | Anna Ternheim | VA: Electro Swing Revolution Vol. 2

Inhaltsverzeichnis

  1. 1 Meshell Ndegeocello | Trio Bravo + | David Lynch | James Blake | Nneka | Florence and the Machine | Anna Ternheim | VA: Electro Swing Revolution Vol. 2
  2. 2 David Lynch / Crazy Clown Time

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    Arbeitete David Lynch gerade noch mit Sparklehorse und Danger Mouse an deren 2010er-Album Dark Night of the Soul, hat sich der Kult-Regisseur mit Vorliebe für Morbides, der schon einmal gern seine eigene Filmmusik komponiert, nun entschieden, sein erstes Soloalbum als Musiker herauszubringen. Vielleicht hat er sich dabei gedacht, die beiden Jungs waren mir viel zu hip, ich möchte jetzt ein amtliches Altherren-Album machen mit wabernden, extremverzerrten Gitarren, denen man meine musikalische Sozialisationszeit anhört. Vielleicht war es aber auch ganz anders. Fakt ist, auf Crazy Clown Time wird nicht gekleckert, sondern geklotzt; Phil Spectors sagenhafte Wall of Sound war ein leises Zirpen dagegen, was Lynch hier auffährt.

    Das Album eröffnet irgendwo zwischen Pink Ployd, Wave und Synthie-Rock, mit einem Hang zu Achtziger-Studio54-Disco-Beats und Goth-Rock-Atmosphäre. Das ist ein bisschen viel auf einmal und definitiv nichts, was man im heimischen Wohnzimmer zur Entspannung hören möchte. Ja, eigentlich gibt es nur einen einzigen Grund, weshalb man so etwas hören wollen könnte: Es ist sehr, sehr spät. Man ist sehr, sehr betrunken. Die Band ist schon nach Hause gegangen, man selbst möchte aber noch bleiben. Da legt der DJ diese Platte auf. Man nimmt sie dann hin.

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    Wollte ich beim Hören der ersten beiden Songs schreiben. Aber dann kommt „So Glad“, was klingt, als würde Tom Waits komplett bekifft auf eine gerade mal so herumliegende Trip-Hop-Spur singen, eine Trip-Hop-Spur, die die Industrial-Wurzeln des Genres betont. Ein bisschen erinnert das auch an Playground Love vom Virgin-Suicides-Soundtrack. Und dann geht es schon Schlag auf Schlag, das Album wird besser und besser, allerdings auch zunehmend düsterer. Crazy Clown Time entfaltet ganz langsam eine unheimliche Twin-Peaks-Bedrohlichkeit, das spricht die Gothic-Ecke der Seele an, und ja: Das ist etwas, was man auch im heimischen Wohnzimmer hören möchte. An der Empfehlung der späten Stunden möchte ich allerdings festhalten, denn das Album hat ein unglaublich niedriges Energieniveau. Eigentlich kann man beim Hören nur völlig geplättet herumliegen, dafür aber den unter einer scheinbar glatten Oberfläche beunruhigend dräuenden Texten Lynchs umso genauer zuhören.

    Der Höhepunkt des Albums ist sicherlich der störgeräuschdurchsetzte Titeltrack „Crazy Clown Time“, ein getriebener Sechsachtler mit einer guten Portion Tiger-Lillies-Wahnsinn, in dem sich Suzie ihr Shirt herunterreißt und Buddy so laut schreit, dass er spuckt. Lynch gelingt das Kunststück, den Spannungsbogen hiernach nicht mehr abreißen zu lassen: Auch „These Are My Friends“, „Speed Roadster“ und „Movin' On“ sind großartige Stücke, und man muss keine ausgeprägte klinische Depression haben, um an ihnen Gefallen zu finden – einen gehörigen Hang zur dunklen Seite der Menschheit aber durchaus, denn recht eigentlich hat David Lynch da ein Dark-Wave-Album gemacht, mit verstörenden Industrial- und Ambient-Anleihen.

    Dass er ein Meister der Dramaturgie ist, zeigt sich aber erst mit dem Schlusstrack „She Rise Up“, der den Zuhörer behutsam aus der Lethargie des Albums holt und das davor Gehörte als bösen Traum dahinstellt, aus dem man gerade glücklich erwacht ist. Überflüssig zu erwähnen, dass sich beim neuerlichen Hören des Albums der Vidal-Effekt einstellt und auch die beiden ersten Stücke jetzt nicht nur gefallen, sondern zwingend genau so sein müssen, wie sie nun einmal von Lynch gewollt sind. Nicht umsonst hat der Regisseur über ein Jahr Studiozeit für die Crazy Clown Time-Songs, die er selbst als „Modern Blues“ bezeichnet, benötigt.

    James Blake / Enough Thunder

Victoriah Szirmai / November 2011

Diese Ausgabe unserer Musik-Kolumne enthält acht neue Platten von folgenden Künstlern: Meshell Ndegeocello | Trio Bravo + | David Lynch | James Blake | Nneka | Florence and the Machine | Anna Ternheim | VA: Electro Swing Revolution Vol. 2

Meshell Ndegeocello / Weather

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Die Witterung ist im November ja ein denkbar dankbares Stichwort. Kalt, grau, nass und einfach menschenfeindlich – selten ist so schnell so viel Konsens mit den Gesprächspartnern möglich. Dachte sich auch die Bassistin und Sängerin Meshell Ndegeocello, deren zehntes Studioalbum ganz im Zeichen herbstlicher Melancholie steht. Allerdings nur so ein bisschen.

„Nur so ein bisschen“ könnte ohnehin die Überschrift dieser Platte sein, denn Weather plätschert so dahin, wie Klangtapete im Luxushotel. Diese Platte will nichts: nicht auffallen, nicht stören und vor allem nicht wollen. Das ist ein Jammer, einerseits, denn spätestens seit ihrem 1997er-Duett mit Marcus Miller nimmt die in Berlin geborene US-Amerikanerin doch die Rolle einer meiner persönlichen Göttinnen ein, und das Ergebnis der Zusammenarbeit – der NuJazz-Song „Rush Over“ – ist nach wie vor einer meiner All-Time-Favorites. Hieran erinnert auf Weather allenfalls der Song „Rapid Fire“. Andererseits: Es muss ja nicht immer das sofort in Ohr, Hirn und Herz gehende Groove-Monster mit massivem Sex-Appeal sein. Weather ist einfach mal so gar nicht zeitgeistig, aber auch nicht retro (denn das wäre ja wiederum extrem zeitgeistig). Die Platte wiedersetzt sich Trends nicht in einem bewusst zelebrierten Kraftakt, sondern sie zieht einfach ihr Ding durch, unbeeindruckt davon, was in der Musikwelt um sie herum so vorgeht.

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Wer heutzutage eine Stimme wie Meshell Ndegeocello hat, leise, leicht rau und seltsam betörend, macht wahrscheinlich Electro-lastige Downtempo-Platten à la Morcheeba. Electronica indessen sucht man auf Weather nahezu vergebens. Eine Frau, ein Bass, ein bisschen Klavier, Gitarre und Schlagzeug, hier und da ein paar Streicher und Synthies – mehr braucht es für den sehr weichen und sehr bodenständigen Sound einer Meshell Ndegeocello, irgendwo zwischen Funk und Soft-Rock, nicht. Dass die Künstlerin, die das Angebot von Prince’ Paisley-Park-Label abgelehnt hatte, um sich von Madonnas Maverick Records signen zu lassen, eine ebenso virtuose wie gefragte Funk-Bassistin ist, kann man allenfalls durch den Song „Dirty World“ ahnen.

So liegt die Schönheit von Weather dann auch nicht in der Kunstfertigkeit der Musikerin, nicht in der Hipness der Grooves und nicht in ausgeklügelten Soundtüfteleien, sondern in ihrer zeitlosen Unaufdringlichkeit, ja Beiläufigkeit. Solch absichtslose Liebeslieder wie „A Bitter Mule“, „Crazy and Wild“ oder „Feeling for the Wall“ muss man auch erst einmal hinbekommen. Weather ist eher akute Zustandsbeschreibung denn Statement und damit für Menschen, die Momentaufnahmen wie Tasmin Archers „Sleeping Satellite“ oder Edie Brickells „Air of December“ mögen, der perfekte, weil vollends unprätentiöse Herbstbegleiter.

Trio Bravo + / Trio Bravo +

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Es sind vor allem ihre kongenialen Stummfilmvertonungen, mit denen sich die Musiker vom Trio Bravo + um Mastermind und Violinist Mark Chaet einen Namen gemacht haben. Insbesondere ihr im Jahr 2000 entstandener Soundtrack zu Eisensteins Panzerkreuzer Potemkin sowie die 2003 geschriebene Musik für Menschen am Sonntag, eine sich mit behutsamen Marimbaklängen ins Ohr schleichende Neuvertonung des halbdokumentarischen Berliner Stummfilms aus dem Jahre 1930, sind mittlerweile ebenso zum Kult geworden wie der Streifen, für dessen Begleitung sie komponiert wurden. Dass die Musik des Trios aber auch jenseits der Leinwand funktioniert, beweist spätestens sein selbstbetiteltes, mittlerweile achtes Album, das neben Neuaufnahmen der Quintessenz aus fünfzehn Jahren Triogeschichte auch brandneue Kompositionen enthält und das gesamte Spektrum des Trios mit dem gewissen Plus – welches für Marimba und Schlagwerk steht, das die klassische Triobesetzung Violine/Piano/Kontrabass ergänzt, ohne deshalb gleich Quartett zu sein – zeigt.

Wer aufgrund der Herkunft der vier Musiker aus der Ukraine, Albanien und Polen nun aber osteuropäisch gefärbte Volksmusik befürchtet, kann aufatmen. Mit sogenannter Worldmusic haben die Mitglieder des Trio Bravo +, obgleich allesamt virtuose Interpreten traditioneller osteuropäischer Musik, wenig am Hut. Vielmehr flirten die zwischen Filmmusik, Klassik und Jazz mäandernden Kompositionen Chaets mit dem hohen Norden: Der Titel „Fernes Irland“ könnte ohne weiteres Pate für das gesamte Album gestanden haben, wäre da nicht das omnipräsente afrikanische Marimbaphon, das den Nordic-Folk-Gedanken regelmäßig konterkariert, kaum dass er aufkommt.

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Schon der erste Song des Albums, „Hommage an Shanghai Nr. 1“, schleicht sich auf sanften Marimbapfoten ebenso behutsam an wie die Menschen am Sonntag, wird dann aber zur großen Herzschmerzgeigennummer, ohne auch nur eine Sekunde kitschig zu sein, irgendwo zwischen „Somewhere Over the Rainbow“, Wiener Stehgeiger und Szeryng, wenn er Kreisler interpretiert. Das Spiel Mark Chaets ist hier purer Seelenbalsam – und so erhebend, wie die Platte begonnen hat, geht sie auch weiter. Dieses Album ist genau das richtige für Tage, wo man am liebsten heulend auf dem Küchenfußboden sitzen möchte, weil der Hund sein Futter, für das man gerade das letzte Haushaltsgeld ausgegeben hat, nicht fressen mag, es aber fressen muss, weil da seine Medikamente drin sind … Ich bin sicher, mit Kindern gibt es solche Momente auch. Gut, wer dann Trio Bravo + hat, denn diese Platte kann sonntägliche Familiendramen verhindern!

Spätestens beim dritten Stück, „Wiener Würstchen“, ist der eigene Seelenfrieden wieder vollends hergestellt und so etwas wie Beschwingtheit stellt sich ein. Ab dann darf die Platte gern auch experimenteller werden, denn behutsam oder gar funktionsgebunden ist mit Track vier, dem „Rondo Ukraine“, nichts mehr, wo Chaet trotz des irreführenden Titels den nordischen Hardanger-Fiedler auspackt – hier wandelt sich der samtige Trio-Klang in eine farbenprächtige Zelebrierung purer Lebensfreude à la Edgar Knecht oder Olivia Trummer, während beim „Panzerkreuzer Potemkin“ kein Stein mehr auf dem anderen bleibt, geerdet lediglich durch die sanften Marimbatöne des nachfolgenden „Paramela“, die wiederum dem wilden Norden bei „Kiga“ weichen müssen, der erneut mit dem wiegenliedartigen „Ta-Ra-Ra“ besänftigt wird. Das beständige Oszillieren zwischen den emotionalen Polen ist ebenso typisch für dieses Album wie seine Gratwanderung zwischen den Musikkulturen sowie zwischen Tradition und Moderne. So etwas driftet ja gern in die Beliebigkeit ab. Nicht so beim Trio Bravo +, wo aus einer wilden Mixtur an Zutaten ein ganz eigener Stil entsteht, der die herkömmlichen Genregrenzen als Crossover im besten Sinne auflöst, getragen von dem unverwechselbaren Klang von Mark Chaet, der neben einem traumwandlerischen kompositorischen Gespür mit Sicherheit zu den ganz großen Interpreten gehört, als welcher er beim Schlusstrack „Wolga-Flüsschen“, einem an Remake aus dem ersten Album des Trios, noch einmal zur – an Geigenvirtuose Itzhak Perlman auf John Williams’ „Theme from Schindler’s List“ erinnernden – Hochform aufläuft. Kann man tausendmal hören und wird nicht langweilig. Im Moment meine liebste CD.

David Lynch / Crazy Clown Time

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Arbeitete David Lynch gerade noch mit Sparklehorse und Danger Mouse an deren 2010er-Album Dark Night of the Soul, hat sich der Kult-Regisseur mit Vorliebe für Morbides, der schon einmal gern seine eigene Filmmusik komponiert, nun entschieden, sein erstes Soloalbum als Musiker herauszubringen. Vielleicht hat er sich dabei gedacht, die beiden Jungs waren mir viel zu hip, ich möchte jetzt ein amtliches Altherren-Album machen mit wabernden, extremverzerrten Gitarren, denen man meine musikalische Sozialisationszeit anhört. Vielleicht war es aber auch ganz anders. Fakt ist, auf Crazy Clown Time wird nicht gekleckert, sondern geklotzt; Phil Spectors sagenhafte Wall of Sound war ein leises Zirpen dagegen, was Lynch hier auffährt.

Das Album eröffnet irgendwo zwischen Pink Ployd, Wave und Synthie-Rock, mit einem Hang zu Achtziger-Studio54-Disco-Beats und Goth-Rock-Atmosphäre. Das ist ein bisschen viel auf einmal und definitiv nichts, was man im heimischen Wohnzimmer zur Entspannung hören möchte. Ja, eigentlich gibt es nur einen einzigen Grund, weshalb man so etwas hören wollen könnte: Es ist sehr, sehr spät. Man ist sehr, sehr betrunken. Die Band ist schon nach Hause gegangen, man selbst möchte aber noch bleiben. Da legt der DJ diese Platte auf. Man nimmt sie dann hin.

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Wollte ich beim Hören der ersten beiden Songs schreiben. Aber dann kommt „So Glad“, was klingt, als würde Tom Waits komplett bekifft auf eine gerade mal so herumliegende Trip-Hop-Spur singen, eine Trip-Hop-Spur, die die Industrial-Wurzeln des Genres betont. Ein bisschen erinnert das auch an Playground Love vom Virgin-Suicides-Soundtrack. Und dann geht es schon Schlag auf Schlag, das Album wird besser und besser, allerdings auch zunehmend düsterer. Crazy Clown Time entfaltet ganz langsam eine unheimliche Twin-Peaks-Bedrohlichkeit, das spricht die Gothic-Ecke der Seele an, und ja: Das ist etwas, was man auch im heimischen Wohnzimmer hören möchte. An der Empfehlung der späten Stunden möchte ich allerdings festhalten, denn das Album hat ein unglaublich niedriges Energieniveau. Eigentlich kann man beim Hören nur völlig geplättet herumliegen, dafür aber den unter einer scheinbar glatten Oberfläche beunruhigend dräuenden Texten Lynchs umso genauer zuhören.

Der Höhepunkt des Albums ist sicherlich der störgeräuschdurchsetzte Titeltrack „Crazy Clown Time“, ein getriebener Sechsachtler mit einer guten Portion Tiger-Lillies-Wahnsinn, in dem sich Suzie ihr Shirt herunterreißt und Buddy so laut schreit, dass er spuckt. Lynch gelingt das Kunststück, den Spannungsbogen hiernach nicht mehr abreißen zu lassen: Auch „These Are My Friends“, „Speed Roadster“ und „Movin‘ On“ sind großartige Stücke, und man muss keine ausgeprägte klinische Depression haben, um an ihnen Gefallen zu finden – einen gehörigen Hang zur dunklen Seite der Menschheit aber durchaus, denn recht eigentlich hat David Lynch da ein Dark-Wave-Album gemacht, mit verstörenden Industrial- und Ambient-Anleihen.

Dass er ein Meister der Dramaturgie ist, zeigt sich aber erst mit dem Schlusstrack „She Rise Up“, der den Zuhörer behutsam aus der Lethargie des Albums holt und das davor Gehörte als bösen Traum dahinstellt, aus dem man gerade glücklich erwacht ist. Überflüssig zu erwähnen, dass sich beim neuerlichen Hören des Albums der Vidal-Effekt einstellt und auch die beiden ersten Stücke jetzt nicht nur gefallen, sondern zwingend genau so sein müssen, wie sie nun einmal von Lynch gewollt sind. Nicht umsonst hat der Regisseur über ein Jahr Studiozeit für die Crazy Clown Time-Songs, die er selbst als „Modern Blues“ bezeichnet, benötigt.

James Blake / Enough Thunder

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Wer nach dem monumentalen Werk David Lynchs etwas Erholung benötigt, könnte versucht sein, zur neuen EP von Dubstep-Wunderkind James Blake zu greifen. Mit nur sechs Songs verspricht diese zumindest, weniger opulent zu werden als das Gewaltstück des Regisseurs. Ein Häppchen für zwischendurch, gewissermaßen, denn immerhin gab es die EP, gebündelt zur Deluxe Edition von Blakes selbstbetiteltem Debütalbum, schon einmal zu hören. Seit Oktober 2011 nun ist der Sechsundzwanzigeinhalbminüter als eigenständige Veröffentlichung zu haben. Das Format passt zu Blakes Musik; immerhin ist Enough Thunder nach Air & Lack Thereof (2009), The Bells Sketch (2010), CMYK (2010) und Klavierwerke (2010) schon sein fünfter Extended Player. Kurz heißt indessen nicht unbedingt auch leicht verdaulich, denn der 22-jährige liebt alles, was möglichst befremdlich klingt – und sei es unter der Oberfläche.

Denn um James Blake zu hören, braucht man einen vernünftigen Sub. So war das schon bei seinem Feist-Cover „Limit To Your Love“, und so ist es auch bei dieser EP. Das meiste, was bei ihm in der Tiefe brodelt, ist mit herkömmlichen Boxen schlicht nicht zu vernehmen. Manches liegt tatsächlich außerhalb der vom menschlichen Ohr wahrnehmbaren Frequenzen, die sich nur noch spüren lassen. Fehlt diese Komponente, ist man leicht geneigt zu denken, Blakes Musik sei belanglos: Ein anspruchsvoll vor sich hin wimmernder Sänger am Klavier, so what? Nicht umsonst gilt Dubstep als Genre, dessen Produktion bereits berücksichtigt, dass es von bassgewaltigen Boxen in den Clubs wiedergegeben wird. Dubstep fürs heimische Wohnzimmer war eigentlich nicht im Sinne des Erfinders. Bis James Blake kam und aus dem minimalistisch-elektronischen Gewaber so etwas wie Songs formte. Die funktionieren nicht mehr auf der Tanzfläche – aber auch nicht im heimischen Wohnzimmer. Seltsame Zwitterwesen sind die Songs, die Blake da erschaffen hat.

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Wer aber einmal in diesen tiefen, dunklen Klangkosmos eingetaucht ist, kommt so schnell nicht mehr davon los. Vorbei kommt man an ihm ohnehin nicht, denn mit James Blake verhält es sich wie Ende der Neunziger mit Kruder&Dorfmeister: Jeder fand sie gut. Blakes dramaturgisches Element der Wahl ist die Pause, die Stille und die Langsamkeit. Das kann quälend sein. Oder aber hypnotisch. Auch sonst verharrt er gern in der Andeutung, sei es im Falle seiner Klangflächen, seiner oftmals nur angespielten Klaviertöne oder seiner Gesangslinien. Eigentlich sind Blakes Songs Skizzen, flüchtig und fragil. Natürlich gibt es auch auf Enough Thunder wieder ein Cover. Diesmal hat er sich keine Geringere als Singer-Songwriter-Legende Joni Mitchell vorgenommen, genauer: ihren Song „A Case of You“, die er als rein klavierbegleitete Gesangsnummer bringt. Bezeichnenderweise ist das auch die schwächste Nummer der EP, seine verstörenden Soundhexereien, die den Großteil des Phänomens James Blake ausmachen, fehlen hier. Auf dem wunderbaren Album A Tribute to Joni Mitchell (2007), das ein Künstlerspektrum von Annie Lennox über Elvis Costello bis zu Cassandra Wilson vereint, gibt es eine „A Case of You“-Version von Prince. Gegen die ist Blakes, sorry to say, so etwas von grün hinter den Ohren … Wenn schon ein „Case of You“-Cover, dann so eines wie von His Royal Badness.

Die gibt es auf den übrigen Songs zur Genüge, und dennoch ist der unbestreitbare Höhepunkt der EP die Kollaboration mit Bon Iver, „Fall Creek Boys Choir“. Hier treffen zwei Genies aufeinander; und Blake profitiert von der Zusammenarbeit, schließlich klingt sein Falsett solo gern mal weinerlich. Bon Iver-Kopf Justin Vernon, in dessen Dunstkreis neulich erst Megafaun veröffentlicht haben, und der im Moment in der Musikszene als Gott gilt, wusste das mit seinen vertrackten Chorsätzen zu verhindern. Es war definitiv schlau, diesen Song zur Singleauskopplung zu machen, obwohl er das herkömmliche Radioformat mit einiger Sicherheit sprengen dürfte.

Eingänglicher ist da schon das leicht plätschernde „Not Long Now“, das ungefähr ab der Mitte tatsächlich ansatzweise interessant wird und verstehen macht, weshalb Blake – obgleich er selbst auf seiner MySpace-Seite Dub/Grime/ Melodramatic Popular Song als Heimatgenre angibt – vor allem dem bassgeprägten, minimalistischen und raumgebenden Dubstep zugeordnet wird, ansonsten aber zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus geht. Auch der Titeltrack „Enough Thunder“ vermag nicht vollends zu überzeugen. Ein Zeugnis, welches man – bis auf die Bon Iver-Kooperatiopn – der gesamtem EP ausstellen muss. An die Qualität von James Blakes Debütalbum kommt sie nicht heran. Harren wir also erwartungsvoll der für Dezember angekündigten Veröffentlichung seines zweiten Longplayers.

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Plattenkritik: Meshell Ndegeocello | Trio Bravo + | David Lynch | James Blake | Nneka | Florence and the Machine | Anna Ternheim | VA: Electro Swing Revolution Vol. 2

  1. 1 Meshell Ndegeocello | Trio Bravo + | David Lynch | James Blake | Nneka | Florence and the Machine | Anna Ternheim | VA: Electro Swing Revolution Vol. 2
  2. 2 David Lynch / Crazy Clown Time

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    Arbeitete David Lynch gerade noch mit Sparklehorse und Danger Mouse an deren 2010er-Album Dark Night of the Soul, hat sich der Kult-Regisseur mit Vorliebe für Morbides, der schon einmal gern seine eigene Filmmusik komponiert, nun entschieden, sein erstes Soloalbum als Musiker herauszubringen. Vielleicht hat er sich dabei gedacht, die beiden Jungs waren mir viel zu hip, ich möchte jetzt ein amtliches Altherren-Album machen mit wabernden, extremverzerrten Gitarren, denen man meine musikalische Sozialisationszeit anhört. Vielleicht war es aber auch ganz anders. Fakt ist, auf Crazy Clown Time wird nicht gekleckert, sondern geklotzt; Phil Spectors sagenhafte Wall of Sound war ein leises Zirpen dagegen, was Lynch hier auffährt.

    Das Album eröffnet irgendwo zwischen Pink Ployd, Wave und Synthie-Rock, mit einem Hang zu Achtziger-Studio54-Disco-Beats und Goth-Rock-Atmosphäre. Das ist ein bisschen viel auf einmal und definitiv nichts, was man im heimischen Wohnzimmer zur Entspannung hören möchte. Ja, eigentlich gibt es nur einen einzigen Grund, weshalb man so etwas hören wollen könnte: Es ist sehr, sehr spät. Man ist sehr, sehr betrunken. Die Band ist schon nach Hause gegangen, man selbst möchte aber noch bleiben. Da legt der DJ diese Platte auf. Man nimmt sie dann hin.

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    Wollte ich beim Hören der ersten beiden Songs schreiben. Aber dann kommt „So Glad“, was klingt, als würde Tom Waits komplett bekifft auf eine gerade mal so herumliegende Trip-Hop-Spur singen, eine Trip-Hop-Spur, die die Industrial-Wurzeln des Genres betont. Ein bisschen erinnert das auch an Playground Love vom Virgin-Suicides-Soundtrack. Und dann geht es schon Schlag auf Schlag, das Album wird besser und besser, allerdings auch zunehmend düsterer. Crazy Clown Time entfaltet ganz langsam eine unheimliche Twin-Peaks-Bedrohlichkeit, das spricht die Gothic-Ecke der Seele an, und ja: Das ist etwas, was man auch im heimischen Wohnzimmer hören möchte. An der Empfehlung der späten Stunden möchte ich allerdings festhalten, denn das Album hat ein unglaublich niedriges Energieniveau. Eigentlich kann man beim Hören nur völlig geplättet herumliegen, dafür aber den unter einer scheinbar glatten Oberfläche beunruhigend dräuenden Texten Lynchs umso genauer zuhören.

    Der Höhepunkt des Albums ist sicherlich der störgeräuschdurchsetzte Titeltrack „Crazy Clown Time“, ein getriebener Sechsachtler mit einer guten Portion Tiger-Lillies-Wahnsinn, in dem sich Suzie ihr Shirt herunterreißt und Buddy so laut schreit, dass er spuckt. Lynch gelingt das Kunststück, den Spannungsbogen hiernach nicht mehr abreißen zu lassen: Auch „These Are My Friends“, „Speed Roadster“ und „Movin' On“ sind großartige Stücke, und man muss keine ausgeprägte klinische Depression haben, um an ihnen Gefallen zu finden – einen gehörigen Hang zur dunklen Seite der Menschheit aber durchaus, denn recht eigentlich hat David Lynch da ein Dark-Wave-Album gemacht, mit verstörenden Industrial- und Ambient-Anleihen.

    Dass er ein Meister der Dramaturgie ist, zeigt sich aber erst mit dem Schlusstrack „She Rise Up“, der den Zuhörer behutsam aus der Lethargie des Albums holt und das davor Gehörte als bösen Traum dahinstellt, aus dem man gerade glücklich erwacht ist. Überflüssig zu erwähnen, dass sich beim neuerlichen Hören des Albums der Vidal-Effekt einstellt und auch die beiden ersten Stücke jetzt nicht nur gefallen, sondern zwingend genau so sein müssen, wie sie nun einmal von Lynch gewollt sind. Nicht umsonst hat der Regisseur über ein Jahr Studiozeit für die Crazy Clown Time-Songs, die er selbst als „Modern Blues“ bezeichnet, benötigt.

    James Blake / Enough Thunder