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Meg Baird – Don’t Weigh Down The Light

August 2015 / Victoriah Szirmai

Nach einigen eher durchwachsenen Alben wie etwa dem von Francesca Belmonte hat endlich mal wieder eines seinen Weg auf meinem Plattenteller gefunden, von dem ich restlos angetan bin:

Meg Baird | Don’t Weigh Down The Light Cover

Don’t Weigh Down The Light von Meg Baird, ihres Zeichens heimliche, weil sträflich unterschätzte Protagonistin des Psychedelic Folk philadelphischer Provenienz. Unter dem Namen Baird Sisters hat sie sich seit 2001 gemeinsam mit ihrer Schwester Laura den Library of Congress Recordings ihres Urgroßonkels I.G. Greer ebenso angenommen wie der traditionellen Musik der Appalachen und des zeitgenössischen Outsider Folks – zweistimmig, begleitet von Gitarre und Bajo. Daneben fand sie noch die Zeit, die Psychedelic-Folk-Formation Espers zu gründen, zwei Soloalben zu veröffentlichen und nach San Francisco zu ziehen, um mit Blick aufs Meer das dritte aufzunehmen.

Und das ist anders als alles, was Meg Baird bis dahin gemacht hat. In Lasse Mattiessen’scher Folk-Noir-Manier tastet sich der bittersüße Opener „Counterfeiters“ schon nach wenigen Takten derart ins Herz, dass man, noch während eine Welle an Zärtlichkeit über einem zusammenschlägt, vermeint, das Stück zu kennen, gut zu kennen, ja, schon längst verinnerlicht zu haben. Mit Psychedelic Folk hat das hier nichts mehr zu tun. Für die Songs von Don’t Weigh Down The Light scheint Baird den Ozean immer direkt vor Augen gehabt zu haben – wohlgemerkt nicht den der Wellenreiter und Beachbeautys, sondern den, der einen düsteren Sog entfalten kann, unerbittlich und vor allem unentrinnbar.

Meg Baird | Don’t Weigh Down The Light 1.2

Don’t Weigh Down The Light wartet mit elf durchweg ruhigen Songs auf, deren herausragendes Charakteristikum Bairds ätherischer Sopran ist, der besonders auf eigenwilligen Stücken wie „Mosquito Hawks“ an Kate Bush erinnert, ohne jedoch deren zuweilen enervierende Kapriziosität erkennen zu lassen. Bar aller schneidenden Frequenzen klingt Meg Baird angenehm im besten Sinne, mal absichtslos, mal zwingend, immer aber mit dieser gewissen Leichtigkeit, die sie sich durch mollgetränkte Melodien und sehnsuchtsschwangere Texte hindurch zu bewahren weiß. Bestes Beispiel: „Back To You“. Klanggewordene Melancholie, während Stücke wie das verträumte „Past Houses“ mit ihrem wabernden Ordoñez-Appeal wie Instrumentals anmuten. Bairds Stimme verschmilzt hier aufs Inniglichste mit den Gitarrenklängen – und die wiederum mit Wind und Wellen.

Richtiggehend sakral wird dem Hörer beim mehrstimmigen, rein a cappella vorgetragenen „Leaving Song“ ums Herz. Der währt zwar nur eine Minute, aber die hat es in sich und straft jeglichen aufkeimenden Vorwurf von Gefälligkeit Lügen. Nur weil Baird mit dem Meer flirtet, hat sie noch lange nicht ihren Biss verloren! Eigensinnige, entfernt keltische Harmonien antizipierende Klänge konterkariert sie auf „Stars Unwinding“ mit einer nicht von dieser Welt anmutenden Engelsstimme, die allein ob ihrer Beherrschtheit und Kontrolle Staunen macht. Kein Schelm, wer hier an Liz Fraser denkt!

Eine Ahnung von so etwas wie Tempo bringen die durchweg unsphärischen „Good Directions“ ins Spiel, die in ihrer Lebenszugewandtheit ein bisschen an Sheryl Crows Tuesday Night Music Club erinnern. Allen bodenständigen Americana zum Trotze gelingt es Bairds Vocals auch hier, eine tiefenentspannte Tag-am-Meer-Stimmung zu kreieren. Was muss es doch schön sein, ein Album in Frisco aufzunehmen! Dessen Essenz vereint der Titeltrack in sich: zart, zarter, „Don’t Weigh Down The Light“. Das Fingerpicking, die Mehrstimmigkeit des Refrains – wäre das hier Indie-Pop, könnte Meg Baird die große Karriere à la Fiona Apple machen! Aber es ist und bleibt nun einmal Folk, der sich zwar einer eingefleischten, aber nicht unbedingt kaufkräftigen Anhängerschaft erfreut – ganz zu schweigen von Airplay, oder haben Sie so etwas schon mal in den Umkleidekabinen von H&M und Co. gehört? Eben. Doch egal, wie sehr ich mir auch mehr gute Musik im öffentlichen Raum wünsche, ich bin froh darum. Dank seiner behutsamen, nichtsdestotrotz in jeder Note spürbaren Produktion geht Don’t Weigh Down The Light musikalisch tiefer als herkömmliche Singer/Songwriterplatten, und ich überlege, ob wir, abgesehen von dem eingangs erwähnten Wahl-Berliner Lasse Matthiessen oder dem Alma Church Choir, hierzulande Ähnliches finden, aber es will mir niemand so recht in den Sinn kommen.

Meg Baird | Don’t Weigh Down The Light 1.3

Mit dem seine Tonspuren unentwirrbar ineinander verwobenen „Even The Walls Don’t Want You To Go“ lässt Baird dann auch die letzten Regeln produktionstechnischer Natur hinter sich und verspinnt den Hörer in ein hochkomplexes Soundgebilde, bis er nicht anders kann, als sich reg- und machtlos zu ergeben. Erst die Instrumentalreprise von „Past Houses“, bei der das Klavier den Gesang ersetzt, löst die Zauberstarre. Seine wiedergewonnene Bewegungsfreiheit nutzt er zum Drücken der Repeat-Taste. So eine Platte ist Don’t Weigh Down The Light! Mit der dürfte Meg Baird den Status als Ewigunterschätzte jedenfalls für immer – und vor allem zu Recht – hinter sich gelassen haben.

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