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Schwarz auf Weiß

März 2017 / Victoriah Szirmai

Wo sich Frauenstimme und Basston verquicken, trifft Schwarz auf Weiß, Yin auf Yang, das Ewigweibliche auf das Urmännliche, kurz: haben wir es mit den bis aufs Radikalste heruntergebrochenen Zutaten jener Traumpaarung zu tun, mit der schon FrauContraBass zu bezaubern wusste. Minimalistischer, unverfälschter, eben: purer kann eine Besetzung kaum sein, was auch das aus Sängerin Stefanie Boltz und Kontrabassist Sven Faller formierte Münchner Duo Le Bang Bang weiß, das nach seinem selbstbetitelten Debüt von 2011 und den Alben Headbang (2013) und In Our Blood (2015) seinen aktuellen, live während seiner 2016er-Tournee aufgenommenen Longplayer folgerichtig mit Pure betitelt hat.

Le Bang Bang Cover

Getreu dem vom Albumtitel vorgegebenen Motto reduziert das Duo das Ausgangsmaterial Schicht um Schicht, bis lediglich die – nicht selten überraschenden – Kerne der Stücke bloßgelegt sind, die sich so manches Mal erst auf den zweiten Blick als vertraute Klassiker identifizieren. Nach einem richtungsweisenden Einstieg mit Nat Adderleys kraftvollem „The Old Country“ gibt es aber erst einmal Eigenkompositionen zu hören, wie etwa Boltz‘ verhaltenes, Bluenote-lastiges „April Skies“, das das Auseinanderdriften der einst ach-so-großen Liebe besingt, oder Fallers nicht minder Moll-getränktes „He Gave Me Love“, das vor allem mit dem Solobassauftakt stante pede in die Tiefen der Jazzclubs zu entführen versteht, während Boltz jenes Maß von Liebe beschwört, das nicht ausreicht, nie ausreichen kann, die hungernde Seele zu nähren.

Le Bang Bang 1.1

Der Klassiker „Darn That Dream“ aus der Feder Jimmy Van Heusens & Eddie DeLanges, der seit jeher zum festen Repertoire aller Jazzgrößen – von Billie Holiday und Sarah Vaughan bis zu Miles Davis und Bill Evans – gehört, gerät Le Bang Bang nicht zur tausendfach gehörten und gespielten All-American-Songbook-Pflichtnummer, sondern macht vielmehr Lust auf die Entdeckung des Songs, als hätte man ihn noch nie zuvor gehört. Das liegt mit Sicherheit nicht zuletzt an dem Spaß, den das Duo ohrenscheinlich hat und dem sich auch der abgeklärteste Hörer nicht entziehen kann.

Mit Klopfzeichen grüßt der Titeltrack aus einer minimalistisch-experimentellen Ecke, die an Lucia Cadotschs gegen den Strich gebürstete Speak Low-Standards erinnert – indessen handelt es sich bei „Pure“ um eine originäre Komposition von Stefanie Boltz, die vom Superklassiker „What’s New“ abgelöst wird, dessen illustrer Interpretenreigen, der von Chet Baker (1958) über John Coltrane (1963) und George Benson (1968) bis zu Bill Evans (1969) reicht, das Duo nicht schreckt. Genauso, wie sich Klassiker und Eigenkomposition nahtlos aneinanderreihen, fügt sich auch der wohl poppigste, leichteste, luftigste Track des Albums reibungslos in den Klangkosmos der Platte ein: Cindy Laupers „Time After Time“, dessen Refrain derjenige ist, der auch lange nach dem Abspielen noch im Kopf nachklingt.

Gönnt sich diese grundsätzlich mit viel Druck und Drive arbeitende Platte ansonsten keine Pause, scheint dieses locker angegangene Popstückchen dazu angetan, mittels größtmöglicher Kontrastwirkung auf die hocheigenwillige, nachgerade erschütternde Interpretation von „Nature Boy“ vorzubereiten, die man wohl zu Recht als dramatischen Höhepunkt des Albums bezeichnen kann. Wenn tausendfach Gehörtes schon neu interpretiert werden muss, dann so! Für emotionale Runterregelung mittels Easy Listening sorgt Buddy Johnsons 1955 geschriebenes „Save Your Love For Me“, das es seltsamerweise nie zum absoluten Standard geschafft hat, obwohl es nach der wohl bekanntesten Version von Nancy Wilson & Cannonball Adderley (1962) Al Jarreau 1994 genauso im Repertoire hatte wie Randy Crawford & Joe Sample 2006.

Le Bang Bang 1.3

Mit „Like Someone In Love“ setzen Le Bang Bang einmal mehr auf das bewährte Autorenduo Van Heusen & DeLange. Trotzdem ist dieses Stück das einzige des Albums, das den Funken nicht überspringen lässt: Gar zu sperrig die Interpretation, vor der man steht und denkt, schöne Kunst, sagt mir aber nichts. Zu versöhnen weiß Sam Cookes „You Send Me“, bei dem das Duo auf allerlei elektronische Effekte setzt, unter anderem einen engelhaften Hall, der dem Stück einen semisakralen Charakter verleiht, welcher wiederum dem Text zu einer völlig neuen Bedeutungsebene verhilft. Das hätte der gute Cooke mit seinen Fünfzigerjahre-Close-Harmony-Chören sicherlich nicht erwartet! Tom Waits‘ klavierdominierte „San Diego Serenade“ dagegen hat auf Pure vielleicht noch mehr Waits’schen Groove als im Original. Gleichwohl: Nach mittlerweile zwölf Stücken beginnt die anfangs so anregende Kombination von Bass und Stimme zu ermüden. Auch die immense Präsenz des Duos, die vom Hörer nichts Geringeres als seine volle Aufmerksamkeit fordert, strengt inzwischen an.

Und doch: Wenn Boltz nach einem ausufernden Solobassauftakt beginnt, „My Old Flame“ zu hauchen, packt sie einen wieder. Und zwar so sehr, dass sie mit „Harlem Nocturne“ gleich wieder herausfordern darf, nur um schlussendlich mit „Makin‘ Whoopee“ pure Freude zu verbreiten. Die wird noch einmal intensiviert, wenn sich Le Bang Bang schönste Reminiszenzen weckend aus dem Album verabschieden – dank Sven Fallers „A Million Hands“, das sich anfühlt wie ein Popklassiker aus den Achtzigern, den man immer gern, aber schon lange nicht mehr gehört hat und dem man unverhofft wiederbegegnet. Ganz so, wie den Jazzklassikern auf diesem Album, die man in dieser Gestalt nicht unbedingt erwartet hätte, die einen aber angenehm zu überraschen wissen.

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