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Hattler – Live in Glems

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  1. 1 Hattler - Live in Glems

Februar 2014 / Victoriah Szirmai

Es ist schon ein paar Monate her, seitdem ich mit Inga Rumpfs White Horses ein Live-Album besprochen habe. Das hat gute Gründe, denn Live-Alben kranken zumeist daran, dass sie im heimischen Wohnzimmer nicht funktionieren und so lediglich für jene Konzertbesucher, die sich ihr Live-Erlebnis verlängern wollen, taugen.

Gute Live-Alben hingegen geben dem Hörer das Gefühl, beim Konzert dabei gewesen zu sein – und zwar auch dann, wenn er es nicht war. Hellmut Hattlers aktuelle Live-Veröffentlichung ist, soviel sei an dieser Stelle schon einmal verraten, der letztgenannten Kategorie zuzurechnen, was sie zur perfekten Eröffnungskandidatin meiner neuen, zweiwöchigen Kolumne auf fairaudio macht.

Hattler Live in Glems Cover

Vier Konzerte der Tour zu Hattlers letztem Studioalbum The Kite wurden komplett mitgeschnitten – Live in Glems hat es zur Veröffentlichung gebracht. Dieser beschauliche Ortsteil Metzingens, den auch ich mir erst einmal ergoogeln musste, ist Heimstatt der Kulturkneipe Hirsch, in deren unsagbar trockenen Raumklang sich der Bassist und Bandleader auf Anhieb verliebt hat. Neben Hattler himself bietet das erstaunlich intime Line-up der Tour Fola Dada an den Vocals, den als „die schönsten drei Worte des Lebens“ vorgestellten Torsten de Winkel an der Gitarre und Oli „der Mann, der alles kann“ Rubow am Schlagzeug auf.

Mit „C 64“ gelang damals nicht nur der Einstieg ins Computerzeitalter – auch Live in Glems wird vom Stück gleichen Titels eröffnet, das Fola Dada dem Hörer in gewohnt beiläufiger, aber ebendeshalb umso eindringlicher Manier nahebringt. Hattler ist hier einer jener Refrains geglückt, die man, einmal gehört, nie mehr vergisst. Der Bass knallt hart und kalt, die E-Gitarre gniedelt, was das Zeug hält, kurz: Das Stück ist das pure Gegenteil von Bartmes‘ jüngster Veröffentlichung, auf der wir Dada zuletzt gehört haben. Wärmer und sinnlicher, aber nichtsdestoweniger beatbetont geht es weiter: Konfrontiert mit dem Monstergroove von „Waiting“ bleibt auch dem Hörer vor den heimischen Boxen nichts anderes übrig, als in eine leichte Kniebeuge zu federn, um die Hüften besser im Takt schütteln zu können. Der Bass fährt direkt in den Unterleib – was muss man mehr dazu sagen! Außer vielleicht: Dada ist überirdisch wie immer, und Hattlers Spiel – nun, wohin das direkt geht, wissen Sie ja jetzt schon! Und als wäre das noch nicht genug, gibt es auch noch ein ausuferndes E-Gitarren-Solo jener Art, von der ich dachte, sie sei seit Eddie Van Halens Performance auf „Beat It“ eigentlich verboten. Egal, denn Spaß macht es auf jeden Fall!

Hattler fola&hh

Genauso wie der Andrioden-Groove auf Stück Nummer vier – mit dem hinlänglich bekannten „Man In The Mirror“, um mal bei der Jackson-Referenz zu bleiben, hat dieser „Mirrorman“ allerdings nichts zu tun, denn wenn Fola Dada die Silben vom „She’s so psycho/she’s so pseudo“-Refrain ins schier Unendliche dehnt, kann man es schon mit der Angst kriegen. Überhaupt die Dada! Die zeigt hier – und besonders auf Stücken wie dem Latin-angehauchten „Salaud“, übrigens wieder eines dieser Stücke mit Pattex-Refrain –, dass sie sich mehr und mehr von den strengen Vorgaben von „Mister Bass“ zu emanzipieren weiß und sich, wie ich meinen Lieblingsleser mit dessen geschätzter Erlaubnis zitieren darf, „heute allerliebste kleine Variationen erlaubt“.

Spacig wird’s mit dem Raumschiffambiente von „Nachtstrom“, das durch allerlei Störgeräusch, Vocoder- und andere Verfremdungseffekte besticht. Wer schon immer mal wissen wollte, wie Ambiente goes Industrial klingt: genau so – und zwar sowas von! Den nach sechs groovebetonten Nummern dringend benötigten Ruhepol bringt de Winkels Improvisation ins Spiel, die man hier und so nicht erwartet hätte, die aber überraschend gut passt und erstaunlicherweise auch für den Hörer zu Hause funktioniert. Doch lauert auch hier, wenn das introvertierte Stegreifspiel zur bluesgetränkten Vorstellung gerät, der Groove gleich um die Ecke und wartet nur darauf, dass man ihn ruft. Wenn Hattler und Rubow auf „Lilo & Max“ wieder einsteigen, steht er wieder Gewehr bei Fuß, und spätestens bei „The Terrace“, einem weiteren Lieblingsstück des Albums, ist er wieder strahlender Mittelpunkt. Nicht zuletzt zeigt Hattler, der sich bislang recht elegant zurückzuhalten wusste, Bewunderern wie Neidern, wo der Frosch die Locken, vielmehr: der Hellmut sein Plektron hat. Die jubeln danach völlig zu Recht.

Beim selten lyrischen „Fine Days“ findet dann auch die Sängerin zur Band zurück. Bevor hier aber wie auch immer geartetes Sentiment aufkommen kann, groovt diese mit dem ganz dezent karibisch aromatisierten „Dimitri“, das mich immer ein bisschen an Donna Summers „Jeremy“ denken lässt, übergangslos weiter, um mit den „Delhi News“ den letztgültigen Sitar-Rave zu zelebrieren. BPM-Freunde mögen hier auf ihre Kosten kommen, während ich der Überzeugung bin, dass dies eines der wenigen Stücke der Platte ist, die live einfach besser funktionieren. Dem Farbenrausch der Scheinwerfer will man hier erliegen! Kein Wunder, dass die Menge kocht. Mit „Someone Alive“ dann sind wir bei dem einzigen Stück von Live in Glems angekommen, mit dem ich mich so gar nicht anfreunden kann. Dessen seltsame Euro-Disco-Atmosphäre kann nicht einmal Dada, die hier große Ähnlichkeit mit der jungen Chaka Khan aufweist, wieder rausreißen, und das will schon was heißen.

Hattler China

Dass ich hier viel von Hattler und (fast) noch mehr von Fola Dada schreibe, heißt nicht, dass ihnen die beiden übrigen Mitstreiter nicht durchaus ebenbürtig wären. Bei „Whatchagonnado“ etwa müssen Sie mal auf die komplexen Soundspielereien Rubows achten. Eine tolle Band, die vier! Da verwundert es nicht, dass sie nicht ohne eine ganze Reihe von Zugaben gehen gelassen werden. So etwa das Hattler’sche Virtuosenstück „Dinner for Three“ oder die für jeden Straßenkarneval taugliche, urbane Haudrauf-Nummer „New I.D.“, bei der es im Grunde um nichts anderes geht als darum, die Meute zum endgültigen Ausrasten zu bringen. Garant dafür wäre allein das Schlagzeugsolo, das wir hier erleben dürfen.

Mit „The Kite“ folgt getreu dem Motto Save the best for last ein weiteres Lieblingsstück, das mit der unterschwellig düstere Atmosphäre von „Nachtstrom“ korrespondiert und den Hörer mit diesem Glücksgefühl, welches immer dann entsteht, wenn sich ein logischer Kreis geschlossen hat, zurücklässt. Erst die Schlussnummer „So low“ fährt die aufgepeitschten Massen wieder runter, und jetzt kommt es doch hoch, das Sentiment, das sich vorhin noch erfolgreich zurückdrängen ließ, vor allem, da sich die Zeile I’m leaving, so low vor dem geistigen Gehör in I’m leaving, solo verwandelt. Wer Hattler bislang die leisen Töne nicht zugetraut hat, wird hier eines Besseren belehrt.

Live in Glems, am 5. Oktober 2013 von Tonmeister Daniel Stämmler auf 24-Spur-Harddisc gebannt und von Jürgen Schlachter gemastert, gibt es beim Online-Plattendealer Ihres Vertrauens entweder als MP3 mit 320 kbit/s oder als 16 Bit-44,1 kHz-WAV.

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Plattenkritik: Hattler - Live in Glems

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