Oktober 2014 / Victoriah Szirmai
Beim Zweitling ist es nicht mehr ganz so wichtig, gegen den übermächtigen Vater bestehen zu müssen wie noch beim Debüt. Dachte sich wohl auch Leonard-Cohen-Spross Adam, dessen Entspanntheit man seiner neuen Platte deutlich anhört. Und tatsächlich ist der Albumtitel, den man durchaus als Referenz ans hymnische „Going Home“ des Seniors lesen kann, dann auch eines der wenigen Dinge, die auf We Go Home mit der Musik Leonard Cohens zu tun haben und zum direkten Vater-Sohn-Vergleich herausfordern.
Recht eigentlich bezieht sich Cohen Junior mit dem Titel auf die Aufnahmeorte des Albums, wofür die Wohnzimmer der Häuser in Montreal und auf der Insel Hydra, in denen er aufgewachsen ist, herhalten mussten. Adam Cohens Nachhausekommen versteht sich aber auch metaphorisch, denn er scheint mit sich, seiner Musik und dem Erbe des Vaters endlich seinen Frieden gemacht zu haben. Ein Ankommen war schon vor zweieinhalb Jahren in Sicht, als der 1972 Geborene nach diversen musikalischen Umwegen mit Like A Man endlich sein Singer/Songwriter-Debüt vorlegte – ein Genre, das er bis dato tunlichst vermieden hatte, um sich nicht dem Vergleich mit dem Vater aussetzen zu müssen. Musikalische Sozialisation lässt sich allerdings nur für eine kurze Zeit erfolgreich verleugnen, und auch Adam Cohen musste einsehen, dass das Singer/Songwritertum nun einmal jener musikalische Dialekt ist, der ihm angeboren, anerzogen und fortwährender Begleiter ist, ob ihm das nun gefällt oder nicht.
Mittlerweile fühlt er sich aber als Singer/Songwriter hörbar wohl in seiner Haut. We Go Home hat mehr Substanz als das durchwachsene Vorgängeralbum, dessen beste Momente hier weitergeführt werden. Was nicht bedeutet, dass die neue Platte frei von Schwächen ist. Gleich am Anfang vergibt sich Cohen (unnötigerweise!) wichtige Punkte, indem er es mit einer der kraftlosesten Nummern eröffnet. So könnten böse Zungen geneigt sein, den behäbigen Opener „Song of Me and You“ mit seinen Akustikgitarren und Hippiechören als „lahm“ zu bezeichnen, obwohl Cohen mit dieser Folknummer ja voll im – wenngleich absteigenden – Trend liegt. Hippness hin wie her – für Feinde des leisen Tones ist dies sicherlich nicht der richtige Einstieg ins Oeuvre von Adam Cohen, der in seinen Refrains ohnehin einen fatalen Hang zum leichten Kitsch hat.
Schon etwas nachhaltiger gerät ihm „Too Real“ mit seinen dezenten Slidegitarren, und mit dem den Galopp eines Pferdes anklingen lassenden Titeltrack „We Go Home“ kommt dann auch endlich Tempo in die Sache. Hiernach ist eine ruhige Nummer wie „Put Your Bags Down“ auch völlig richtig am Platz. Selbst das Cellogeschrubbe zum Ende kommt hier gut an. Ohnehin geht es ums Ankommen, dem zentralen Thema der Platte. Die Koffer auspacken, durchatmen, zu Hause sein, bei sich selbst sein. Mehr noch: We Go Home erweist sich als Familienalbum, dessen Themenkosmos vor allem um die junge Vaterschaft kreist, die ja durchaus mit einem nicht nur metaphorischen Nachhausekommen verbunden ist, wie „So Much To Learn“ zeigt: You gottta fight fort he ones you love, wiederholt Cohen hier mantragleich, und: You gotta work for the life you want. Es könnten auch die Regeln für ein einfaches Leben in Frieden sein, die er hier heraufbeschwört, oder eben jene Weisheiten, die ein Vater seinem Sohn mitgeben möchte. Was ist der Sinn des Lebens? Kämpfen um die, die du liebst. Und was sollen wir hier? Für das Leben, das wir wollen, arbeiten.
Adam Cohen erzählt davon, endlich kein Getriebener mehr zu sein, er spricht vom Annehmen der eigenen Geschichte und vom Weitergeben an die nächste Generation. Die steht im konkreten Fall schon in Form von Cassius Cohen, dem siebenjährigen Sohn Adam Cohens, der auch auf dem Albumcover zu sehen ist, in den Startlöchern. Und tatsächlich ist We Go Home das musikgewordene Protokoll von Gesprächen, die Cohen mit seinem Sohn geführt hat – aber auch jener Unterhaltungen, die er selbst als Kind mit seinem alten Herren hatte. You gotta carry your fathers name and hope your children will do the same, textet er und lässt die Aussöhnung mit seinem mächtigen Erbe einmal mehr anklingen. Über familiäre Verstrickungen hinaus in die Welt blickt „Uniform“, das sich kämpferisch gibt: Auch in Zeiten des Krieges, so sein Appell, benötigt man keine Uniform, um Position zu beziehen, die Stimme zu erheben und Zivilcourage zu zeigen.
Tendenzen zum Hymnischen finden sich bei Adam Cohen immer dann, wenn es um die Liebe geht. „Love Is“ ist nichts Geringeres als sein Versuch einer Definition von Liebe – ein äußerst gelungener dazu. Auch „What Kind of Woman“ ist Adam Cohen ganz ausgezeichnet geraten. Bei dieser quasireligiösen Anbetung der Frau von Aphrodite bis Mutter Maria steht der Junior dem Alten in Sachen Erotik um nur wenig nach, und musikalisch geht es endlich auch mal richtiggehend funky zu, was Cohen gut steht. Mit „Fall Apart“ gibt es dann auch noch einen Song, der das Verhältnis Adam Cohens zu seinem Vater ganz konkret thematisiert. Vermutlich kann unsereins nur ahnen, was es bedeutet, als Sohn einer Berühmtheit aufzuwachsen und dann auch noch – Stichwort: Julian-Lennon- oder, von mir aus auch, Wilhelm-Friedemann-Bach-Syndrom – in dessen beruflicher Domäne reüssieren zu wollen. In jedem Falle ist dem jungen Cohen damit ein weiterer toller Song gelungen.
Auf „Swear I Was There“ kommt dann schlussendlich auch noch so etwas wie drängende Leidenschaft auf. Natürlich geht es wieder um eine Frau, und zwar um eine, die drauf und dran ist, den Sänger zu verlassen, was dieser mit allen Mitteln zu verhindern sucht: Oh Baby Baby please/don’t become a memory, a bittersweet piece/in my history/oh Baby Baby please/don’t become a sad song/about how good love used to be/don’t become someone that I used to know/someone I used to love/a long time ago, fleht er mindestens ebenso groovend wie verzweifelt, vor allem aber derart überzeugend, dass man die Angesungene für schlichtweg unzurechnungsfähig hält. Wie kann man so einen Mann nur verlassen wollen? Ohne Frage der Höhepunkt des Albums. Das schließt mit dem andershalbminütigen „Boats“ so akustikgitarrenstill wie es beginnt, und auch hier stellt sich jener Effekt ein, den ich schon so manches Mal beobachten konnte: Spielt man die Platte jetzt noch einmal von vorn, erscheinen einem die ersten Songs gar nicht mehr so schwachbrüstig wie beim initialen Hören. Ich bleibe aber dabei, dass die Refrains der ersten beiden Stücke unheimlich kitschig sind, nur bin ich ihnen gegenüber jetzt deutlich milder gestimmt und bereit, sie zu tolerieren.
We Go Home wächst mit jeder Hörwiederholung. Es ist eine anheimelnd warme Platte, eine, vor der man sich nie fürchten muss. Genau dieser Mangel an Wahnsinn ist es aber auch, der hier zum Genie fehlt.