Blue Bendy – So Medieval
Blue Bendy, die Londoner Band um Frontmann Arthur Nolan, perfektioniert mit ihrem neuen Album So Medieval erneut ihren experimentellen Gitarren-Pop-Rock. Die zehn neuen Songs sind vielschichtig, komplex und voller interessanter Details.
Sei es das quirlige Synthie-Solo auf der Single „Mr. Bubblegum“, in das eine noisige Gitarre einsetzt und Nolan langsam wieder zu singen beginnt, oder die sanft gezupfte Gitarre auf dem ersten Song „So Medieval“, auf die ein fast leerer Raum folgt, der mit offenen Basssaiten, einzelnen Drumschlägen und Gesang gefüllt wird: Alles auf diesem Album ist perfekt instrumentiert und durchdacht. So kehrt das Stück „So Medieval“ immer wieder zum märchenhaften Anfangsmotiv der gezupften Gitarre zurück, aber die Wiederholungen sind mit neuen musikalischen Akzenten versehen, sei es mit mehr Schlagzeug, Synthesizern oder bedachten Basstönen.
Gitarrenarpeggien und atmosphärische Momente findet man auf dem Album immer wieder. „The Day I Said You’d Died (He Lives)“ beginnt mit schnellen und perligen Gitarrentönen, bevor die Schläge der Drums dazwischengehen und zusammen mit dem Synthesizer für abrupte Unterbrechungen sorgen. Die Strophe ist dann wieder geprägt von den flatternden Gitarren und Nolans erzählerischem Gesang. Überraschend ist der Wechsel zu einem anderen Part nach knapp eineinhalb Minuten – hier ist der Takt ein anderer, die Stimmung marschartig und steigert sich, bis ein geschickter Akkordwechsel wieder an den vorherigen Teil anknüpft.
Die Wechsel zwischen den Harmonien und Stimmungen zeugen von der experimentellen Ader und dem musikalischen Geschick der Band. Mit diesem Album begibt man sich auf eine kompositorische Reise und stellt fest, dass Blue Bendy sich in den vielen Raffinessen nie verlieren und große Melodien so weit in den Vordergrund stellen, dass man sie noch lange im Ohr hat.
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Chanel Beads – Your Day Will Come
Vor knapp zwei Jahren feierte Chanel Beads, das Musikprojekt von Shane Lavers, seine ersten Single-Erfolge. Nun erscheint das Debütalbum Your Day Will Come des New Yorkers, auf dem er eng mit seinen Live-Bandkollegen Maya McGrory am Mikrofon und Zachary Paul an der Violine zusammenarbeitet.
Der verträumte Sound des Musikers ist von Synthies, säuselndem Gesang und Instrumenten wie Gitarren und Streichern bestimmt. Auf dem ersten Song stehen die geschrammelten Akkorde einer Akustik-Gitarre im Vordergrund. Hinzu kommen Synthie-Einlagen und McGrorys poppiger Gesang, der nicht zu weit vorne steht und somit zum Klanggerüst passt, das Chanel Beads hier aufbaut. Gen Ende stoppt die hölzerne Snare und atmosphärische Synthies übernehmen den Track, die an Meditationsvideos erinnern.
Neben großartigen Gesangseinlagen stehen oft die Instrumente im Fokus. Der Titelsong „Your Day Will Come“ ist ein instrumentaler Track mit rockigem Drum-Beat, bei dem ein charakteristisches Geigenmotiv im Vordergrund steht und das Schlagzeug kontrastiert. Hier kommen Avantgarde, Klassik und Rock zusammen, was die Mischung zeitlos und leicht klingen lässt. Das vitale Geigenmotiv wird – wie die Drums – nach und nach leiser und geht zur Halbzeit des Songs in ein Sound-Cluster über, bei dem Synthies und Effekt-beladene Vocals dominieren.
Besonders märchenhaft ist „Idea June“, ein weiteres Akustik-Gitarrenstück, bei dem McGrorys fragiler Gesang im Mittelpunkt steht. In den anderthalb Minuten des Stücks geht der in ungeahnte Höhen hinauf und wird dabei von sanften Streichern unterstützt. Auf dem darauffolgenden Song „Embarrassed Dog“ hört man Lavers Stimme, die anfangs hauchend und flüsternd über den Hip-Hop-artigen Beat spricht. Schweifende Synthies und ein geslappter Bass machen den Song endgültig rund.
Da viele Stücke unter zwei Minuten bleiben, ziehen sie wie Gedankenblasen an einen vorbei. Chanel Beads außerweltliche Klänge und die vielen Motive, Gesangsfetzen und Synthie-Einlagen laden zum Träumen und Entspannen ein – wunderbar!
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Still House Plants – If I don’t make it, I love u
Die Londoner Band Still House Plants bewegt sich mit ihrer Musik zwischen Experimental, Pop, Sampling und R‘n‘B und zieht damit ein kunstinteressiertes Publikum in Galerien und Cafés an. Auf ihrem neuen Album If I don’t make it, I love u setzen sie ihren Stilmix als Trio mit Gesang, Gitarre und Schlagzeug fort.
Der erste Song „M M M“ durchläuft dabei mehrere Tempi und Stile wie Hip-Hop, Rock und Post-Rock, wobei Jessica Hickie-Kallenbach ihren poppigen Gesang mit den Worten „I wish I was cool“ über verschiedene Beats und Gitarrenmotive singt. Der Chorus bleibt im Ohr, weil er so oft wiederholt wird und Hickie-Kallenbach die Melodie auch mit anderen Worten übernimmt. Besonders schön ist die Stelle, an der das Schlagzeug um Minute drei auf einmal stockt und einen neuen instrumentalen Part einläutet, bei dem Gitarre und Schlagzeug Teile der Passagen übernehmen, in denen Loops und Effekte dominieren. Hier wird gleich zu Beginn des Albums deutlich, wie experimentell und ungewöhnlich die Songs von Still House Plants sind.
In „Sticky“ sticht die vokale Performance hervor, die über den trippigen Beat zwischen Soul und Pop schöne Klangfarben erzeugt und den Song trägt. Düsterer mutet hingegen „MORE BOY“ an, auf dem Hickie-Kallenbach ziemlich tief singt, die Drums gespenstisch langsam schellen und die Gitarre Akkorde in Arpeggien plätschern. Nach knapp einer Minute kommt der Umschwung – das Schlagzeug gibt richtig Gas und zieht das Tempo ordentlich an, auch der Gesang lässt sich darauf ein und wird vitaler.
Da alle Instrumente inklusive Gesang so detailliert durchkomponiert sind und sich ständig etwas ändert, ist es gut, dass Still House Plants nicht als typische Bandformation mit Bass auftreten. Bei ihnen zählt der künstlerische Ausdruck, der von den drei Mitgliedern unterschiedlich vermittelt wird. Wer es experimentell mag, wird von diesem Album nicht enttäuscht – hier hört man eine innovative Band, die ihren Sound gefunden hat.
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