Demnächst im Test:

Billboard
Velodyne

Animal Collective – Bridge to Quiet

Animal Collective – Bridge to Quiet

Die vier Mitglieder von Animal Collective aus New York, die unter den Pseudonymen Geologist, Panda Bear, Avey Tare und Deakin auftreten, haben mit ihren vergangenen vier Psych-Pop Alben viel erreicht. In ihrer über zehn Jahre währenden Bandgeschichte wirbelten sie die Avantgarde Musik-Szene auf. Alles fing mit kleinen Konzerten in der Underground-Kunstszene Brooklyns an und entwickelte sich zu einem Phänomen, das Animal Collective zu Headlinern von Festivals machte.

Nun bringen sie die EP Bridge to Quiet auf den Markt. Etwas wirklich Phänomenales gelingt der Band mit den neuen Songs zwar nicht unbedingt. Trotzdem kann man viele gute Momente in den vier Kompositionen finden. Das unbeständige Piggy Knows überträgt zum Beispiel eine interessante fragende Atmosphäre, deren Spannung lediglich von dem sachten Gesang gebrochen wird. Plötzlich einsetzende Electro-Drums vermitteln zur Mitte des Songs einen schwungvollen Wechsel: Das Lied klingt sodann unbeschwert, die sirenenartigen Chor-Stimmen im Hintergrund verstärken den Effekt.

Auch der erste Song ist vielversprechend. Rain in Cups schleicht verhalten über acht Minuten und beginnt mit wabernden Sounds, die maschinell und menschlich zugleich klingen. Hier fließen Soundspuren übereinander und funktionieren ohne Drum-Gerüst. Auch der Bass setzt erst später ein – als dieser nach zwei Minuten wummernd beginnt, entsteht durch seine Kadenz-Töne eine poppige Grundlage, die mit der Gesangsstimme harmoniert. Das Lied steigert sich so in eine Soundlandschaft, die zwischen Ambient, Industrial und Experimental einzuordnen ist. Im interessanten Chorus entsteht durch klackernde Geräusche mehr Rhythmus. Obwohl die Gesangsstimme auch hier viel poppige Orientierung gibt, bleibt es das Ungewisse, mit dem Animal Collective auf der ganzen EP punkten können.

Animal Collective – Bridge to Quiet auf Amazon anhören

Phoebe Bridgers – Punisher

Phoebe Bridgers – Punisher

Das zweite Album der Singer Songwriterin Phoebe Bridgers aus Los Angeles beginnt mit einem ruhigen Intro. Ein dumpfer Bass wird begleitet von sanften, clusterartigen Streicherklängen. Im anschließenden Garden Song singt Bridgers von einer gezupften Gitarre unterlegt über ihre Jugend, blickt lyrisch zurück und lässt eine Traumwelt entstehen. Ihr Gesang ist beruhigend, unaufgeregt und leicht gehaucht.

Bridgers, die eigentlich Jazzgesang studierte, wandte sich schon früh vom Jazz ab. Ihr neues Album Punisher verbindet Melancholie, Sehnsucht und Lebensmomente, in denen sie musikalisch auflebt. In der Vergangenheit spielte Bridgers in verschiedenen Rock- und Punk-Bands und wurde 2014 von Ryan Adams entdeckt, der erste Musik von ihr über sein Label veröffentlichte. Bridgers verarbeitete die Beziehung der beiden in ihrer Musik und bekam größere Aufmerksamkeit, als sie ihre emotionale Abhängigkeit im Zuge der Me-Too-Bewegung thematisierte. So real und persönlich sind die Texte auf Punisher nicht mehr. Garden Song ist zum Beispiel psychedelisch geprägt, wenn sie von verzauberten Gärten singt. In wenigen Zeilen kann man den Text autobiografisch auslegen. Wenn der Chorus mit den Worten „I don’t know when you got taller“ beginnt, wird ihr Sopran von einer tiefen Bass-Stimme unterlegt, was einen überraschenden Effekt mit sich bringt.

Der Song nimmt das Atmosphärische des Opening Tracks mit auf, bekommt durch die gezupfte Gitarre aber mehr Struktur. Durch die Produktion klingt die Akustik-Gitarre aber nicht klar – ihre Tonspur rauscht, als wäre sie beschädigt und die Gitarre klingt, als würde sie in Watte gehüllt sein.

Weniger verträumt klingt Kyoto. Der Songtext ähnelt einem Tagebucheintrag, der sich weniger auf Bridgers emotionale Verfassung als auf die Unternehmungen in der japanischen Stadt bezieht. Sie veröffentlichte den Song als Single – das ist kein Wunder, denn er hat durch das Upbeat-Tempo und ein Bläser-Arrangement im Chorus Schwung und lädt zum Tanzen ein. Die letzten Zeilen der Lyrics zeigen das Besondere an Bridgers Texten. Der ganze aufgeschriebene Tagesablauf endet in einer Feststellung, die alles in Frage stellt – sie sei eine Lügnerin. Das wiederholt sie mit „I’m a liar“ über den scheppernden Chorus immer wieder, endet nüchtern mit einem Abschlag und lässt die HörerInnen stirnrunzelnd zurück.

Phoebe Bridgers – Punisher auf Amazon anhören

Massive Attack – Eutopia EP

Massive Attack Eutopia EP

Jahrelang war es ruhig geworden um die britische Trip-Hop-Band Massive Attack. Doch in Zeiten vieler Krisen melden sich die Briten beziehungsweise hauptsächlich Mitglied Robert Del Naja und Produzent Euan Dickinson mit ihrer audiovisuellen Eutopia EP zu Wort, die sie per Video auf YouTube und anderen visuellen Kanälen wie Instagram veröffentlichten. Die drei starken Spoken-Word-Beiträge überzeugen, weil sie im Kern aktivistisch informieren und Massive Attack mit politisch wachen Musikern wie Saul Williams, Algiers und der Hip-Hop-Gruppe Young Fathers kooperieren. Es ist nicht das erste Mal, dass sich Massive Attack politisch äußern. Schon 2015 haben sie Musik für Projekte veröffentlicht, die auf den Klimawandel aufmerksam machten.

Nun präsentieren sie Botschaften in ausdrucksstarken Lyric-Videos. Jeder Song ist ein Gesamtkunstwerk, in dem Massive Attack und ihr musikalisches Feature für den Beat verantwortlich sind, führende Wirtschaftsforscher für den Sprachbeitrag eingeladen wurden und der digitale Netz-Künstler Mario Klingemann für die Visuals sorgte.

Im Song mit Young Fathers, der online schlicht Massive Attack x Young Fathers genannt wird, geht es um ein universelles, bedingungsloses Grundeinkommen. Der Londoner Professor und Co-Gründer des „Basic Income Earth Network“ Guy Standing spricht seine Botschaft über einen Beat, der an tiefe Sirenen erinnert. Seine Nachricht erscheint im Video als weiße Schrift über einer Animation eines Gesichtes, das in hunderte weitere Gesichter übergeht. Die morphenden Köpfe ähneln in ihrer Schwarz-weiß-Ästhetik und in der frontalen Aufnahme Passbildern, die ineinander zerfließen. Auch der Beat wandelt sich – nach dem Alarm-ähnlichen Bass setzen Klavierakkorde ein über die melodisch gesungen wird. Obwohl hier der Spoken-Word-Beitrag des Professors unverändert fortgesetzt wird, stört diese Entwicklung nicht, es klingt eher wie ein dynamischer Wechsel im Song, der mit einsetzenden Klatsch-Phrasierungen mehr Rhythmus bekommt. Durch die Schrift im Video kann man die Argumentation und Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen über knapp fünf Minuten weiterhin nachvollziehen.

Auch in den zwei weiteren Singles informieren Massive Attack – zusammen mit Kompositionen der Band Algiers über die Klimakrise und mit Rapper und Aktivist Saul Williams über die Ungerechtigkeit von Steueroasen. Besonders mit dem abstrakten Steuerthema setzten Massive Attack ein Zeichen, das sie von anderen unterscheidet.

Billboard
ATR Audio Audio Pro C20

Über die Autorin / den Autor