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Circlesquare / Songs about Dancing and Drugs – CD-Rezension

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  1. 2 Circlesquare / Songs about Dancing and Drugs - CD-Rezension

Circlesquare / Songs About Dancing And Drugs

Circlesquare / Songs About Dancing And Drugs

Es ist Samstag, meine Mutter ist zu Besuch, wir trinken Tee und schnacken. Plötzlich fragt sie: „Was piept denn da so?“ – „Das ist Musik“, entgegne ich. Es läuft die neue Circlesquare. Muss man mehr über diese Platte wissen? Eigentlich nicht, außer vielleicht, dass der kanadischen Band um Jeremy Shaw mit ihrem Debütalbum Pre-Earthquake Anthem (2003) längst gelungen ist, was Fräulein Lenz erst noch beweisen muss: Der Weg vom No-Name zum hochgelobten, vielversprechenden Newcomer. Mit wem alles wurden Circlesquare damals nicht verglichen! Ihr Songwriting erinnere an Leonard Cohen, der betont gelangweilte Gesang an den jungen Roger Waters, und alles in allem seien sie überhaupt die „Pink Floyd des 21. Jahrhunderts“.

Mit derlei Ruhm & Ruf (und ergo dem daraus folgenden Erfolgsdruck) behaftet, ist es nicht weiter verwunderlich, dass – bis auf die Fight Sounds-EP von 2006 – von Circlesquare erst einmal nichts mehr zu hören war. Doch nun, endlich, stellen sich die elektronischen Querdenker den Erwartungen von Fans und Kritik – und übertreffen diese noch.

Circlesquare

Ihre Lieder über Rausch und Ritual sind der Übersiedlung von Vancouver nach Berlin zu verdanken, pendeln – Hauptstadt-like – zwischen Downbeat, Minimal und Indie, zwischen verhaltenen Dub-Rhythmen und einer großstädtischen Interpretation des Desert-Blues, kurz: sind Ambient mit einem Rock’n’Roll-Herzen. Soweit der Pressetext. Tatsächlich aber klingt das mit acht Tracks ungewöhnlich kurze Album so, als hätte jemand im Berlin der Achtziger-Jahre zu viel Industrial gehört; und nicht zuletzt sorgen blubbernde Sub-Bässe für das richtige Maß an Gruselgefühl.

Gleich der Starttrack Hey You Guys fiept sich mit nervösem Gezirpe und monotonen Rhythmen – versetzt mit allerlei Störgeräuschen – in die Gehörgänge. Auch die Folgetracks huldigen in erster Linie einer gewollten Eintönigkeit. Thematisch übt man sich im Tanz am Abgrund, beweint vergebene Gelegenheiten, sinniert über verschenkte Möglichkeiten, gibt sich alles in allem düster und lethargisch. Das ist einerseits sehr angenehm, kann man die Songs about Dancing and Drugs doch auflegen, wenn man eigentlich gar keine Musik hören möchte. Andererseits hört man sich an solcherlei zu minimalistischer Monotonie stilisierten Langeweile – Stichwort: hedonistische Hymnen, wer Bret Easton Ellis gelesen hat, weiß, wovon ich schreibe – doch recht schnell satt. Wir leben eben nicht mehr in den Achtzigern.

Circlesquare

Aber weiter im Text. Schön ist die angedeutete Southern Slide Gitarre auf Dancers, das dadurch ein bisschen an Tityos Come Along With Me erinnert, rhythmisch aber wieder ein kühler Achtzigerjahre-Stampfer ist, sprich: Sobald nur der Hauch von organischer Wärme in Circlesquares Musik einzudringen droht, wird er sogleich wieder mit Plastikmaschinenbeats wie aus dem Kühlschrank schockgefrostet – möchte man denken, denn schon die moderne Ballade Timely kommt fast unplugged daher und versöhnt mit der eisigen Attitüde der Kanadier, von Ralf Summer (BR 2) so frappant als „eine Art Twin-Peaks-Elektro“ bezeichnet.

Music for Satellites, Ten to One und All Live But The Ending haben wieder sehr tief in das Industrial-Glas geschaut, während sich mein Favorit Bombs Away, Away trotz des pathetischen Antikriegs-Titels nach dem leicht nervenden, asiatisch anmutenden Intro (man denkt automatisch an Tony Scotts Hare Krishna ) als lasziv schleppendes Breakbeat-Stück entpuppt. Tanzmusik für den sehr sehr späten, sehr sehr trunkenen Abend. Das gefällt.

Circlesquare

Alles in allem mag ich das Album, Attitüde hin, Gewolltheit her. Musik wie diese – für Schubladenfanatiker am ehesten mit „alternative Gitarrenmusik goes Electro“, für Nicht-ganz-so-Genauigkeitsfetischisten als „düsterer Frickelkram“ zu beschreiben – ist ideal zum aufwachen, einschlafen, runterkommen, kurz: für alle möglichen Zwischenzustände.

Noch nicht ganz wach, aber auch nicht mehr schlafend. Nicht mehr in Feierlaune, aber auch noch nicht nach-Hause-geh-willig. Noch nicht betrunken, aber schon gar nicht mehr nüchtern. Eben Lieder über trunkene Tänzer, nächtliche Räusche, späte Reue.

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Plattenkritik: Alev Lenz | Circlesquare

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