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Verstärkertypen, Klang und Schubladen

06. Juli 2022 / R. Kalnbach

Hallo liebes fairaudio-Team,

ich schätze Eure klanglichen Erzählungen von HiFi-Technik sehr, die immer einen fantastischen Einblick geben, der für eine Einordnung bei einer persönlichen Vorabauswahl von möglichen Kandidaten ungemein hilfreich sein kann (es auch gewesen sind) und darüber hinaus ein HiFi-Enthusiast wie ich auch immer mit Freude lesen mag.

Frage: Wenn man nun unter den verschiedenen Verstärkertechniken, die es gibt (Class-A, Class-B, Class-AB, Class-D, Röhre, Hybrid), die klanglichen Vorzüge der jeweiligen Verstärkertechniken grob umreißen würde, wie würde das aussehen? Wäre es Euch möglich, die herausstechendsten klanglichen Merkmale bzw. die klanglichen Eigenheiten der jeweiligen Verstärkertypen Eurer Erfahrung nach zu erklären?

Dankbare Grüße Euch
R. Kalnbach

Lieber Herr Kalnbach,

vielen Dank für Ihre Zuschrift. Eigentlich eine coole Frage – von der ich dennoch zunächst dachte, dass man sie nicht sinnvoll beantworten kann. In eindeutige "Klangschubladen" lassen sich die von Ihnen aufgeführten Verstärkertechniken nämlich keinesfalls stecken: Es gibt, um mal nur zwei Techniken beispielhaft herauszugreifen, ebenso Transistor-Verstärker, die "röhrig" klingen, wie Röhrenamps, denen man die Glühkolben kaum anhört. Die Entscheidung für oder gegen einen Amp primär von seiner Schaltungstechnik abhängig zu machen ist mithin wenig zielführend.

Hat man das im Hinterkopf und weiß, dass sich jeder Schaltungstyp in eine bestimmte Richtung trimmen lässt – wobei Hersteller natürlich gerne die Erwartungen ihrer Kunden zu erfüllen versuchen und es so zu "selbsterfüllenden Klischees" (Class-A muss, logo, etwas wärmer klingen) kommt –, dann kann man vorsichtig schon mal ein paar Tendenzen nennen. Auf die technischen Hintergründe gehe ich bewusst nicht ein (siehe dazu unser Lexikon: Verstärker), um nicht zu ausufernd zu antworten.

Class-D-Verstärker etwa weisen meist keinen harten Digitalklang (per se ist’s auch keine Digitaltechnik) auf, wie bisweilen befürchtet wird, sondern eher einen abgerundeten, nicht übermäßig luftigen, bisweilen sich "glatt anfühlenden Hochton". Häufiger untergekommen ist uns auch eine gute Grobdynamik/Kontrolle sowie ab und an eine sehr klare, eindeutig fokussierte Räumlichkeit, die von manchen als artifiziell empfunden wird.

Class-A-Verstärker mit betonten, offensiven Höhen finden sich ebenfalls selten (der Hochton kann dennoch schön luftig und offen ausfallen), warme Tonalität/Klangfarben und ein sich angenehm rein anfühlender Sound sind im Class-A-Package oft inkludiert. Nichtsdestotrotz lässt sich Verzerrungsarmut ebenso mit modernen Class-AB-Verstärken auf die Spitze treiben – und ein warmes Klangbild lässt sich immer hinbiegen. Ich persönlich sehe daher in der heutigen Zeit kaum Gründe, die objektiv für energiehungriges und bauteilestrapazierendes (reines) Class-A sprechen. Selbstredend werden das viele Fans anders sehen (-:

Röhren hingegen sollen oft bestimmte Verzerrungen produzieren – im Zusammenhang mit einer häufig von den Entwicklern bewusst vorgenommenen warmen tonalen Abstimmung können sich Klangfarben ergeben, die man als besonders angenehm empfindet. Feindynamisch wirken Röhren zudem häufig schön flirrend. Grobdynamisch (Hybrid-Verstärker eher ausgenommen) hingegen etwas betulicher, ein weicherer, gleitender Bass gehört durchaus zur (gewollten) Soundästhetik.

Vergessen werden darf natürlich nicht, dass die Verstärkertypen nicht mit allen Lautsprechern gleich gut funktionieren. So mögen Class-D-Amps häufig lineare (und höhere) Impedanzverläufe, gleiches gilt für Röhren, die zudem einen hohen Wirkungsgrad goutieren, der schwachbrüstigeren Class-A-Konzepten natürlich ebenfalls gut tut.

So, schließen wir die Schubladen schnell wieder – probieren geht über studieren.

Schöne Grüße
Jörg Dames

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