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Diese Firmenreportage erschien im Oktober ’07 im englischsprachigen Audio Review Magazin 6moons.com und kann dort in der Originalversion gelesen werden: Report Ocellia. Sie ist durch uns übersetzt worden und wird hier den deutschsprachigen Lesern präsentiert. 6moons und fairaudio haben die Übereinkunft, gegenseitig ausgewählte Artikel zu übersetzen und für die englische und deutsche Leserschaft zu publizieren. Der Autor des Artikels ist am Anfang des Textes genannt, an seinem Ende finden Sie einen Link zu 6moons, falls Sie Fragen haben oder ein Feedback geben möchten. Der Test und alle Bilder unterliegen dem Copyright von 6moons.
das fairaudio-team
Oktober 2007 / Srajan Ebaen
„Diese Franzosen sind uns um Längen voraus: Sie besitzen mehr Kultur und ein größeres Raffinement. Dies ist ein neues Niveau der nuancierten Musikwiedergabe. Glück für sie, beschissen für uns.“ Gezeichnet, ein leicht verärgerter, aber sie verehrender amerikanischer Patriot.
Das Zitat mag als Einleitung für den heutigen Bericht dienen . Vor sieben Jahre sagte dies ein in der Szene recht bekannter „Yankee“: seines Zeichens Harley-Fahrer, Pfeifenraucher und Freund der Jagd – aber eben auch ein Röhren-Liebhaber und leidenschaftlicher „HiFi-Tuner“. Gegenstand der „neidischen Anbetung“ war der – seiner Ansicht nach – einzigen Lautsprecher, der, „frisch aus dem HiFi-Geschäft“, keine größeren Modifikationen benötigt: Es ging um die Ocellia Kedros. Herr Harvey „Gizmo“ Rosenberg war ein Audio-Maniac, ein Apostel der Trioden-Gemeinde und – was Alnico-Magnete, direktbeheizte Trioden und hocheffiziente Coaxialtreiber angeht – anderen amerikanischen Audio-Kritikern um Längen voraus, als sich diese Trends über Frankreich, Deutschland und Japan ihren Weg bahnten.
Le Giz wörtlich: „Dieser Lautsprecher verdient in dieser Welt der Blender einen „Award für Richtigkeit“. Ich wünschte mir, er wäre in Amerika entwickelt und produziert worden und nicht von zwei Franzosen, auf die ich ziemlich neidisch bin … Dies ist ein wichtiges Werk der Audio-Kunst. Ich bin gespannt, wie viele von Ihnen den Mut haben werden, herauszufinden, was Sie von Ihrem SET Verstärker bisher nicht wussten.“
Im Dezember 1999, „… mehr als zwei Jahre nachdem die Firma PHY-HP ihr erstes Modell eingeführt hatte, den hochangesehenen H21 LB15, ein 21 Zentimeter Breitband-Chassis …“, gab es in der „Haute Fidelite“ einen Testbericht zur Ocellia Tilia. Die Überschrift lautete „Acoustique et lutherie“ (Akustik und Geigenbau): „Das PHY Chassis bleibt – genau so wie das Ocellia Gehäuse – im Grunde recht traditionell. Und gleichzeitig erreicht es eine musikalische Performance, welche unserer Meinung nach keinen Vorläufer hat. Mag sein, dass beide so konstruiert sind, wie man es vor drei Generationen auch gemacht hätte – mit diesem Ansatz riskieren sie jedenfalls nicht, morgen schon wieder unmodern zu sein. Denn eigentlich sind sie es schon jetzt: Die PHY-Tugenden im Zusammenspiel mit diesem Gehäuse zeigen ein Resultat, welches in radikaler Opposition zum gegenwärtigen Lautsprecherbau steht. Dabei ist das Grundprinzip der Ocellia Tilia ein fester Bestandteil der Audio-Geschichte und (obwohl heutzutage etwas vergessen) hatte durchaus einmal seine „goldenen Zeiten“: Das dünnwandige Gehäuse.“
Betonbunker auf der einen Seite, wackelige Zelte auf der anderen – ist das der große Unterschied zwischen den Kontinenten? Steht man im Krieg unter schwerem Beschuss, dann sind Bunker freilich vorteilhaft. Bei Lautsprecher-Gehäusen sieht die Sache jedoch etwas anders aus. Das „Überleben der musikalischen Essenz“ wird nicht zwingend durch Gehäuse mit hoher Masse und Rigidität gesichert. Wilson Audio steht beispielhaft für diese Schule – aber im Grunde folgt die große Mehrheit aller Lautsprecherentwicklungen doch ebenfalls diesem Konzept. „Hört das Signal, nicht die Box!“ Dieser Satz gilt den meisten Audiophilen als sakrosankt. In der Western Electric- und Altec Lansing-Ära folgten fast alle Länder dieser Devise. Dann setzte ein Umdenken ein – Japan machte den Anfang, es nahm den leeren Platz ein: Sie reanimierten die direktbeheizte Triode und mit dieser auch die effizienten Breitbänder hoher Impedanz, um alles aus der Röhre herauszuholen …
In Frankreich war es das Team um Jean Hiraga, auf das die japanischen Entwicklung abfärbte; und in Deutschland sorgte schließlich Keith Aschenbrenner von Auditorium 23 für einen Mix aus Frankreich und Japan, indem er Verdier und Shindo nach Frankfurt brachte. PHY Chassis sind ein zentrales Element in Aschenbrunners musikalischer Ästhetik. Mit Samuel Furon von Ocellia haben wir also einen weiteren Vertreter der „Lautsprecher-als-Laute“-Fraktion. Ocellia produziert zudem eine eigene Kabellinie – Aschenbrenner und PHY tun dies ebenfalls. Es hat den Anschein, dass diese Herren die gleiche Abneigung gegen Plastik und Komplexität teilen; sie favorisieren Solid-Core-Leiter – ummantelt mit Seide oder Baumwolle und mit maßgeschneiderten Verbindern versehen.
Ocellia stellt ebenfalls Röhrenelektronik in Eigenregie her – die gleichen Ambitionen hatte Herr Aschenbrunner auch, bevor er Shindo entdeckte und ihm dieses Ansinnen damit obsolet erschien. Die Südfranzosen produzieren diese Elektronik ausschließlich in Auftragsfertigung, die Garantie beträgt fünf Jahre. Zur Zeit gibt es einen Vorverstärker und den Quaero 300B-Amp in drei Ausfühungen: als Integrierten, als Stereo-Endstufe im parallel Single-Ended-Betrieb oder als Monoblock im Push/Pull-Anordnung. In der Ocellia Lautsprecherfamilie werden ausschließlich PHY-Chassis verwendet. Es gibt drei Modelle: einen 96dB/15 Ohm/6,3-Zöller, einen 98dB/16 Ohm/8-Zöller und einen 97dB/16 Ohm/12-Zöller, welcher zusätzlichen einen PHY-Tweeter in Coax-Anordnung aufweist. Die beiden letztgenannten Modelle gibt es in Silber und in Kupfer – soll heißen, hierin unterscheiden sich die Schwingspulen und die Verbindungskabelage. Schließlich gibt es für das mittlere Modell optional einen (versetzten) 1,5 Zoll Hochtöner. C’est la vie bei Ocellia. Weiteres ist in der Vorbereitung …
PHY verfügt über einen eigenen schalltoten Raum. Man legt besonderen Wert auf eine lange Einspielzeit der Chassis, auf ausgiebige Testläufe und das Matching der Wandler – nur so kann (seriöserweise) eine lebenslange Garantie auf die Treiber gegeben werden (diese gilt für den Erstbesitzer). Dafür muss natürlich auch bezahlt werden … Die Chassis von PHY sind teuer. Der KM30 SAG Coax in Ocellias großem Modell liegt beispielsweise bei 1.192 ¤. Das Stück. Euro, nicht etwa schlappe Dollar … Das ist schon eine andere Liga als ein 150 $ Treiber von Seas. Vielleicht ist es symptomatisch für diesen Retroansatz – aber sie haben Erfolg mit ihrer kunsthandwerklichen Arbeit. Sie experimentieren ohne Unterlass mit verschiedenen Klebstoffen, Lacken, Holzsorten und den unterschiedlichsten Stärken ihrer Holzpaneele – das alles, um diese dünnwandigen Lautsprechergehäuse in Kombination mit den dazu passenden Chassis zu einem optimalen Wandler zu gestalten.
Sollte es da verwundern, dass sowohl PHY als auch Ocellia – statt in einem sterilem Gewerbeviertel – ihren Firmensitz in einer malerischen ländlichen Gegend haben? Oder dass mir nicht, wie es üblich ist, einfach routinemäßig ein Testexemplar zur Verfügung gestellt wird, sondern das ich nach Panjas eingeladen werde, denn dort könne ich schließlich jedes Modell anhören und danach immer noch entscheiden, ob mir eine Besprechung sinnvoll erscheint … Und wenn ja, welches Modell denn?
Es ist eine ziemlich außergewöhnliche Art und Weise an die Dinge heranzugehen -langsamer und bedächtiger. Vielleicht eher eine Art kunsthandwerklicher Etikette, als „clever und Business-Like“. Etwas altmodisch, aber auch sehr charmant. Offensichtlich stehen sie damit abseits des Mainstreams – dies gilt sowohl für die „öffentliche Wahrnehmung“ als auch in kommerzieller Hinsicht. Es gibt nur wenige Testberichte zu ihren Produkten. Und auch nicht so viele Orte, an denen man diese Lautsprecher hören kann. Es gibt keinen Hype um diese Wandler und kein glitzerndes Marketing versucht sie nach vorne zu pushen. Wenn Sie derartiges erwarten – dann sollten Sie vielleicht besser woanders suchen. Mein heutiger Job ist es, Sie in diese etwas andere Welt einzuführen. Mal sehen, ob es Sie interessieren wird …
Firmenbericht: Ocellia